Volker Wetzler ordnet im Archiv Waldbröls Vergangenheit. Ihn beschäftigt bereits das nächste große Projekt.
Kümmerer für HistorischesVolker Wetzler pflegt das Waldbröler Stadtarchiv
Wer eintauchen will in Waldbröls Geschichte, der muss sich ducken. „Zumindest, wenn man größer ist als einsachtzig“, sagt Volker Wetzler – und zieht den Kopf ein. Recht eng und verwickelt ist es zwischen den dicken Kellermauern unter dem historischen Rathaus der Marktstadt. Hinter niedrigen Rundbögen und schweren Eisentüren, da ist Wetzler oft anzutreffen.
Dort bewegt er Schieberegale, öffnet Kästen und Kisten, ordnet Bücher, hantiert mit alten Papieren, liest sich durch Protokolle von Sitzungen des Stadtrats: Volker Wetzler ordnet Waldbröls Vergangenheit. „Nein, nein, ein Archivar bin ich nicht“, wehrt der 66-Jährige ab. „Archiv, das muss man doch studieren.“ Wetzler aber hat 45 Jahre bei der Bundeswehr und dann auch im Bonner Verteidigungsministerium gearbeitet. Er sei also vielmehr ein Kümmerer, der die Historie neu zusammenbringt. „Ein Archivar versieht jedes Dokument mit einer speziellen Nummer, nur über ein Findbuch ist dieses Stück danach zu finden.“
Sechs Stunden pro Woche ist Volker Wetzler in einer anderen Zeit
Wetzler vereint dagegen alles in Jahren: Wer etwa 1973 in Waldbröl geheiratet hat, der findet die Urkunde fortan in derselben Kiste wie jemand, der nach einer Sterbeurkunde seines 1973 verstorbenen Großvaters fragt. „Anhand solcher Schriftstücke lässt sich ein ganzes Leben rekonstruieren, manchmal kreuz und quer durch Deutschland“, erklärt Wetzler. Etwa 25 Anfragen, so schätzt er, haben ihn bisher erreicht, „Nachlasssachen zumeist und Fälle des Erbrechts“.
Das sei auch der große Reiz an seiner Ruhestandsaufgabe, sechs Stunden pro Woche verschwindet er in einer anderen Zeit. „Bis 1810 sind alle Geburts-, Sterbe- und Hochzeitsregister vollständig vorhanden, Waldbröls Beamte waren damit sehr gründlich.“ Und manchmal verstecke sich in einem Grundbuch noch ein Angehöriger, von dem zuvor niemand etwas geahnt habe, verrät Wetzler.
Ereignissen, die das Leben in der Stadt geprägt haben – etwa der Abbruch des Merkur-Komplexe, der Umbau der Kaiserstraße in ein Boulevard oder der Bau des Bürgerdorfes am Alsberg –, gibt er zudem eine thematische Ordnung. Vor nahezu genau einem Jahr hat Wetzler im Bürgerdorf damit angefangen. Im April 2018 ist Waldbröls letzter Stadtarchivar, Heinz-Werner Helmert, in den Ruhestand gegangen, seither wird das Archiv als Mini-Job geführt. Für das Privatarchiv Simon und das Material, das im Untergeschoss der städtischen Gesamtschule lagert, ist Wetzler ebenfalls zuständig.
Vor zwei Jahren zog Volker Wetzler mit seiner Familie nach Waldbröl
Nach Waldbröl gezogen sind Volker Wetzler und seine Frau Petra vor zwei Jahren der Tochter Julia und der drei Enkelkinder wegen, zuvor hat das Paar in Bornheim und in Daun gelebt, zuletzt indes in Brüssel. „Da war ich in der Ständigen Vertretung der Nato beschäftigt und für die Cybersicherheit zuständig.“
In Oberbergs Süden angekommen, engagiert er sich als Wahlhelfer, kommt in Kontakt zur Stadtverwaltung und mit Personalchefin Hildegard Weber. „Und die fragte mich, ob ich nicht das Archiv betreuen wollte.“ Er wollte. „Denn ich habe immer Interesse an der Geschichte, möchte sie bewahren.“
So hofft Wetzler darauf, dass die in den Plänen von Bürgermeisterin Larissa Weber für das Bürgerhaus an der Kaiserstraße einen Platz findet, vielleicht sogar in die frühere Landratsvilla einziehen darf. „Worüber man stolpert und was man sehen kann, dem möchte man auch nachgehen“, philosophiert der Neu-Waldbröler. „Man muss Geschichte ins Bewusstsein bringen, sie im Bewusstsein halten.“ Und eine Identität könne auch eine Stadt nicht verleugnen. „Die ist immer da, will aufgearbeitet werden.“
Den Kümmerer beschäftigt bereits das nächste große Projekt: Am 5. Februar 1957, ausgerechnet in Wetzlers Geburtsjahr also, hat Waldbröl die Stadtrechte erhalten. Die Urkunde ruht griffbereit in einem massiven Holzkoffer. „Vier Jahre sind keine Zeit – das Jubiläum steht schneller vor der Tür als man denkt“, betont er. Das „Gesetz-Bülletin des Großherzogtums Berg“ von 1811 ist derweil das älteste Archivgut, das bisher durch seine Hände gegangen ist.