Heute dient die alte Landratsvilla der Stadt Waldbröl als Bürgerhaus.
Häuser mit Geschichte(n)Im Waldbröler Bürgerhaus residierten einst die Landräte
Eine Porzellan-Elfe mit Regenbogenflügeln reitet auf einer riesigen Schnecke ins Nirgendwo, wenige Schritte daneben steht ein Klotz von Fotokopiergerät, auf dem ruht fingerdick der Staub. Und an der Wald lehnt ein hölzernes Modell der Bahnhofstraße und ihrer Nachbarschaft. „Keine Ahnung, von wann das ist und wofür das mal gemacht worden ist“, sagt Jochen Weber vom Fachbereich Innere Dienste der Waldbröler Verwaltung. Im Dachgeschoss des historischen Bürgerhauses ist es recht kühl, und unter den Füßen knarzen tiefrote Holzdielen.
Seit 1984 nutzt die Stadt die historische Villa an der Kaiserstraße 82. Im Erdgeschoss beherbergt sie heute auf fast 200 Quadratmetern die Stadtbücherei, auf der Etage darüber und dort im Saal haben bis Februar 2019 die Fachausschüsse des Stadtrats diskutiert. Auch dieser hat da getagt bis zum Umzug in die Mensa des Gymnasiums 2018, danach ging es in das im Frühjahr 2019 in Betrieb genommene Bürgerdorf am Alsberg.
„Man merkt in jedem Winkel, dass dies ein Wohnhaus gewesen ist“, findet Weber (60), für den Ur-Waldbröler ist das Gebäude eines der schönsten in der Marktstadt. „Ein Schmuckstück – und den Balkon auf der ersten Etage mag ich am liebsten.“ Der gewährt den Blick hinab auf die Kaiserstraße, betreten werden sollte er indes aus Gründen der Sicherheit nicht.
1890 kauft der damalige Landkreis Waldbröl das Grundstück des Gastwirts Gottfried Becker mit allen Gebäuden. Diese werden zum neuen Kreishaus um- und ausgebaut, 1893 bezieht Carl Eduard Lindenberg das heutige Bürgerhaus, von 1891 bis 1895 ist der preußische Regierungsassessor Landrat des Kreises. Dieser wiederum existiert von 1825 bis 1932. Weit ist Lindenbergs Weg zum Arbeitsplatz nicht: Das Kreishaus steht gegenüber – dort ist seit 1977 die Filiale der Kreissparkasse.
Die Kaiserstraße heißt damals übrigens Wiehlmünder-Rother-Straße. Beauftragt mit dem Bau der Landratsvilla wird 1892 der Kreisbauinspektor Eschweiler. Auch nach Lindenberg ist das Haus bewohnt. 1906 und 1907 wird es erweitert, 1978 geht es in den Besitz der Stadt über. Im Dachgeschoss etwa lebt zuletzt die Hausmeisterin. Heute ist die Wohnung eine Rumpelkammer, die Räume unter den Dachbalken teilt sich jene Elfe mit Fledermäusen. „Hier könnte man etwas richtig Schönes draus machen“, überlegt auch Waldbröls neuer Archivar, Volker Wetzler. In seinem Reich finde sich ansonsten leider sehr wenig zu dem Haus, sagt der 65-Jährige.
2026 könnte das Bürgerhaus weitere Nutzungen erfahren: Für das Jahr sieht die Stadt rund 200 000 Euro für eine Sanierung vor, die zu 70 Prozent gefördert werden könnte. „Gerade läuft eine Machbarkeitsstudie dazu, was in dem Gebäude möglich sein könnte“, schildert Bürgermeisterin Larissa Weber. Neben der Instandsetzung werde sicher die Bücherei modernisiert, führt Weber aus. Sie könne sich ein „Haus der Medien“ oder ein „Haus der Bildung“ gut vorstellen. Zurzeit liegt die Nutzfläche bei knapp 545 Quadratmetern.
Im Keller lagern Meister- und Gesellenbriefe aus vielen Jahrzehnten
Zuletzt hat stets der Handwerkerverein die Immobilie schön gemacht: Am 16. Februar 1984 beginnt die Zeit als Bürgerhauses, dieses gilt seither als die gute Stube der Stadt. Von 1994 bis 1996 legt der Verein erneut Hand an. Nutzen darf er es heute noch: Im Keller etwa steht ein langer Tisch für Versammlungen, an den Wänden hängen Meister- und Gesellenbriefe aus etlichen Jahrzehnten, der älteste ist von 1903. Und am 2. Dezember 1914 gratuliert der Handwerkerverein seinem Mitglied Robert Dick und seiner Frau Lina mit einem Silberkranz hinter Glas zur Silberhochzeit – auch dieses Geschenk hat dort Platz gefunden. Ebenso nutzt das Repair-Café das unterste Geschoss.
Während auf der Etage darüber Jaqueline Gomer und Carolin Peters Waldbröls Bücher und andere Medien hüten, steigen in den Räumen darüber – dort, wo zuvor die Stadtverordneten debattierten – kleine Oberbergerinnen und Oberberger auf die Waage, lassen sich messen und strecken auch mal die Zunge raus: Da hat der Oberbergische Kreis im Frühjahr vergangenen Jahres Quartier bezogen, um Vorschuluntersuchungen vorzunehmen, er will vorerst bis Ende dieses Jahres bleiben. Ein massiver Schreibtisch im Flur davor erinnert derweil an seinen Besitzer, an Wilhelm Hollenberg (1820 – 1912). Dieser ist Gründer des Waldbröler Gymnasiums.
Besonders begeistern können sich Verwaltungsmann Jochen Weber und Archivar Volker Wetzler für die massiven Treppen – „Alles Eiche!“ – und den original-bergischen Boden mit Mosaikfliesen im Erdgeschoss. Weber: „So etwas ist selten heute.“ Bekannt ist, dass auch in der früheren Fabrikantenvilla an der Kofferfabrik von Karl Böker solche Fliesen liegen. Aber im Gegensatz zu dieser leerstehenden Villa an der Oststraße, hat es im Bürgerhaus immer Leben und niemals Leerstand gegeben.