Die Georgsmarienhütte Holding hat alle Anteile übernommen. Der Stahlstandort Bielstein wird aber wohl nicht darunter leiden.
TraditionsbetriebÜbernahme des Bielsteiner Stahlwerks Kind & Co. ist nun offiziell
Nun ist es offiziell bestätigt: Die Georgsmarienhütte-Gruppe hat das Edelstahlwerk Kind & Co. in Wiehl-Bielstein übernommen. „Die Integration in die Unternehmensgruppe stärkt die Position der GMH-Gruppe in der Werkzeugstahlindustrie und hier insbesondere in dem Segment der Warmarbeitswerkzeugstähle, in dem Kind & Co. eine international herausragende Position einnimmt“, heißt es in einer Pressemitteilung von GMH.
Kind & Co ist auf die Herstellung und Veredlung von hochlegierten Stählen spezialisiert, darunter Werkzeugstähle und Sonderlegierungen. Die Warmarbeitswerkzeugstähle finden Anwendung im Druckguss, in Strangpressen und Gesenkschmieden. Die Firma erwirtschaftete im Jahr 2023 einen Umsatz von rund 125 Millionen Euro.
In der Pressemitteilung sagt GMH-Chef Alexander Becker: „Wir freuen uns auf die Integration von Kind & Co. in die GMH-Gruppe. Diese Partnerschaft passt zu unseren strategischen Zielen und erhöht den Mehrwert für unsere Kunden. Die Produkte von Kind & Co. ergänzen unser bestehendes Angebot optimal und erweitern unsere Möglichkeiten, den Markt gezielt zu bedienen.“
420 Menschen arbeiten in Bielstein
Am Standort sind etwa 420 Menschen beschäftigt. Becker hatte die Mitarbeitenden von Kind & Co. über die Integration in die GMH-Gruppe selbst informiert. Ihnen biete der Eigentümerwechsel die Möglichkeit, sich einer Gruppe mit globaler Reichweite anzuschließen, heißt es in der Pressemitteilung.
Die Bielsteiner Geschäftsführerin Susanne Wildner und bisherige Gesellschafterin von Kind & Co. teilt mit: „Seit ihrer Gründung im Jahr 1888 war Kind & Co. in Familienbesitz, seit dem Jahr 2000 in der vierten Generation. Daher freut es mich besonders, dass wir mit der GMH-Gruppe eine neue Eigentümerin gefunden haben, die sich ebenfalls zu 100 Prozent in Privatbesitz befindet.“ GMH und Kind & Co. teilten die gleichen Werte sowie das mittelständische, unternehmerische Denken und Handeln. „Damit weiß ich sowohl unser Familienunternehmen wie auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in guten Händen, die Kind & Co. in eine positive Zukunft führen werden.“
IG-Metall-Sekretär Simon Stefer hofft, dass sich das Unternehmen mit einem großen Investor im Rücken neu im international hart umkämpften Stahlmarkt positionieren kann. Der Gewerkschaftssekretär verbindet mit der Übernahme die klare Hoffnung, dass die Mitarbeiter wieder in die Tarifbindung zurückkehren, aus der sich Kind & Co. verabschiedet hat. „Wir gehen mit der Erwartungshaltung in die Gespräche, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird, sondern dass bei der Tochter die gleichen Maßstäbe gelten werden wie bei der Mutter.“
Hintergrund des Verkaufs sind offenbar die erheblichen Investitionen, die in der Branche mit der Umstellung auf eine CO2-neutrale Stahlproduktion einhergehen. Der Hebel zur Reduktion von CO2 ist auch in der Stahlindustrie der Umstieg auf grünen Strom.
Gerade hat der Planungsausschuss der Stadt Wiehl eine Bebauungsplanänderung auf den Weg gebracht, der Kind & Co. erlaubt, auf einem bisher ungenutzten Bereich im Norden des Betriebsgeländes eine Freiflächenphotovoltaikanlage zu errichten. Diese soll Sonnenstrom für den Eigenbedarf erzeugen. Die Grünfläche liegt im Hang auf der anderen Seite des Wiehl-Flusses und der Wiehltalbahntrasse, ist aber schon seit 1975 als potenzielles Industriegebiet ausgewiesen.
Der dort produzierte Strom wird aber nicht annähernd ausreichen, um die energieintensive Stahlproduktion zu gewährleisten. Die klimafreundliche Produktionsumstellung ist eine Herkulesaufgabe, die für einen Großkonzern wie GMH leichter zu stemmen ist. Die Gruppe hat sich den „green steel“ auf die Fahne geschrieben. GMH versteht sich als Vorreiter in der nachhaltigen Stahlproduktion. Dazu gehört der Einsatz von Elektrolichtbogenöfen an vier Standorten, der die
CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Hochöfen um das Fünffache reduziert. Die GMH-Gruppe hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, bis 2039 vollständig klimaneutral zu sein.
Der Erwerb des Bielsteiner Edelstahlwerks ist Teil einer größeren Expansionswelle. Erst im August hat GMH die strategische Übernahme der Alba Metall Saar GmbH als „weiterer Schritt in der strategischen Expansion der GMH Gruppe im Stahlschrottmarkt“ bekannt gegeben. Das Unternehmen wurde in GMH Recycling Saar GmbH umbenannt und nahtlos in die Organisationsstruktur der Gruppe integriert. Bis 2025 soll eine „vollständige Verschmelzung“ erfolgen.
Diese Integration biete auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der früheren Alba Metall Saar GmbH erhebliche Vorteile, kündigte die Unternehmensleitung an. In Bielstein gehen die Hoffnungen in die gleiche Richtung.
Die neue Eigentümerin
Die Georgsmarienhütte Holding hat ihren Hauptsitz in der nach dem Stahlwerk benannten niedersächsischen Stadt südlich von Osnabrück. Zur Gruppe gehören nach eigenen Angaben 6000 Mitarbeiter an 15 Standorten in mehr als 50 Ländern. Diese erwirtschaften einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro. Die GMH-Gruppe ist ein Komplettanbieter von Stahl als Vormaterial, erschmolzen aus Schrott, bis hin zu montagefertigen Komponenten. Sie ist nach Unternehmensangaben eines der größten in Privatbesitz befindlichen metallverarbeitenden Unternehmen Europas.
Gegründet wurde die Holding 1997 vom damaligen geschäftsführenden Gesellschafter des Stahlwerks Georgsmarienhütte, Jürgen Großmann. Das Stahlwerk gehörte von 1923 an zum Klöckner-Konzern, bis der defizitäre Betrieb 1993 von dem Klöckner-Manager Großmann für einen symbolischen Betrag erworben wurde.