AboAbonnieren

Christen gegen RechtsextremismusIn Bielstein soll eine „Demokratiekirche“ entstehen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau und ein Mann sitzen in den Bänken einer Kirche.

Die katholische Bonifatius-Kirche und die nahe evangelische Kirche wollen Silke Molńar und Bernhard Wunder zu Orten der Demokratieförderung machen. Gottesdienste werden dort aber weiterhin gefeiert.

Bundesweit ohne Beispiel: Die katholische und die evangelische Gemeinde wollen sich als „Demokratiekirche“ zusammentun.

Für Bernhard Wunder und Silke Molnár waren die Demonstrationen im Frühjahr eine Art Erweckungserlebnis. Tausende Oberberger waren von den Berichten über das rechtsextreme Treffen in Potsdam aufgeschreckt worden. Dort war es unter anderem darum gegangen, massenhaft Migranten zu deportieren. Bei den Protestkundgebungen in Gummersbach und anderswo sprachen auch Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen. Aber müssten die Christen nicht viel deutlicher Farbe bekennen? Molnár sagt: „Wir vermissen die Kirche in dieser Diskussion.“ Wunder ist überzeugt: „Wenn wir Christen für die Welt sein wollen, müssen wir raus aus dem Stall.“

Dies ist der Grundgedanke des Vereins namens „Demokratiekirche“, dessen Gründung beide vorbereiten. Es wäre eine in dieser Form bundesweit beispiellose Initiative.

Wunder leitet im Hauptberuf das Katholische Bildungswerk in Oberberg und engagiert sich ehrenamtlich in der Bielsteiner Bonifatius-Gemeinde. Molnár ist Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Oberbantenberg/Bielstein. Hier wie dort gibt es in den Gottesdiensten meist viele leere Bänke. Sowohl bei den katholischen als auch bei den evangelischen Gemeinden in Oberberg stehen Standorte infrage. Dass ihre Kirchen mit mehr Leben gefüllt werden, sei sicher ein wünschenswerter Effekt, versichern Molnár und Wunder, aber nicht das eigentliche Ziel ihres Projekts.

Vorbild ist die Culturkirche in Osberghausen

Vorbild ist dennoch die 2016 ins Leben gerufene „Culturkirche“ in Engelskirchen-Osberghausen. Ohne diese neue Widmung wäre das dortige Gotteshaus St. Mariä Namen wohl längst aufgegeben worden. Dort war das Katholische Bildungswerk ebenfalls Geburtshelfer. Bernhard Wunder will als dessen Leiter auch den Trägerverein der Demokratiekirche bei der Planung, Verwaltung und Finanzierung der Veranstaltungen unterstützen. Aber er will sich zudem ehrenamtlich einbringen. Das sei ihm nur in der Nähe seines Wohnorts möglich.

So soll nun Bielstein das Zentrum einer politischen Initiative werden, die in den ganzen Oberbergischen Kreis ausstrahlt. Wunder sieht in der ökumenischen Zusammenarbeit von Katholiken und Protestanten die Zukunft der Kirche und fand in Molnár eine begeisterte Mitstreiterin. Beide wünschen sich, dass Kirchengemeinden beider Konfessionen aus allen Ecken des Kreises sich am Programm der Demokratiekirche beteiligen. Dafür haben sie sich auch den Segen von Kreisdechant Christoph Bersch und Superintendent Michael Braun gesichert.

Wenn wir Christen für die Welt sein wollen, müssen wir raus aus dem Stall.
Bernhard Wunder, Initiator der Demokratiekirche

Der gut vernetzte Veranstaltungsplaner Wunder hat schon Ideen für das Programm und eine Reihe von Einladungen auf den Weg gebracht. Ehemalige Verfassungsrichter und andere hochkarätige Namen stehen auf der Liste der angefragten Vortragsredner. Die Listen der möglichen Themen ist lang und reicht von Antisemitismus über Geschlechtergerechtigkeit bis zu Klima-, Energie- und Nachhaltigkeitsfragen. Der Gefahr der Beliebigkeit wollen die Initiatoren entgehen, indem sie stets den christlichen Blickwinkel herausstellen, „die Kirche als Resonanzraum ohne die Zwänge des Alltagsgeschehens“, wie Wunder es ausdrückt.

Zugleich soll das Programm nicht elitär werden, sondern möglichst viele Menschen erreichen. Auch Oberberger mit Behinderung, ergänzt Pfarrerin Molnár mit Blick auf die entsprechen spezialisierten Oberbantenberger Schulen und Einrichtungen. Workshops mit Messdienern und Konfirmanden über Desinformation und Hetze im Internet wären ein mögliches Format. Oder eine Diskussion des Wiehler Stadtrats über Grundfragen der Demokratie. Den Wiehler Bürgermeister haben die Initiatoren schon ins Boot geholt. Ulrich Stücker begrüßt die Neugründung, „zeigen doch die Vorfälle und Entwicklungen der jüngsten Zeit, dass die Feinde der Demokratie immer lauter werden und unsere Staatsform von manchen infrage gestellt wird“.

Wie mit der AfD umgehen?

Bernhard Wunder sieht einen engen Zusammenhang zwischen den christlichen Werten und dem Grundgesetz: „Was unserer Demokratie gefährdet, gefährdet auch uns als Christen.“ In der Einladung zum ersten Informationstreffen am 5. November (siehe Kasten) heißt es: „Gefährdungen und Angriffe auf unsere Demokratie gehören fast schon zum Alltag. Sie sind zugleich auch Gefährdungen und Angriffe auf christliche Werte, zuallererst auf die Würde und Vielfalt aller Menschen. Dies können Christenmenschen nicht unwidersprochen hinnehmen.“

Eine Gratwanderung ist auch für die Demokratiekirchengründer der Umgang mit der AfD. „Wir wollen nicht parteipolitisch missionieren“, sagt Wunder, aber Grenzen ziehen, etwa zum völkischen Nationalismus. Molnár will vermeiden, „von der rechten Seite in eine Abwehrhaltung gedrängt zu werden“. Die Demokratiekirche sei ein sicher ein gewagtes Experiment, gibt die evangelische Pfarrerin zu. „Es nicht zu versuchen, wäre aber die schlechteste Wahl.“


Informationstreffen

Die katholische und die evangelische Kirchengemeinde in Wiehl-Bielstein laden Christen aus allen Kirchengemeinden im Kreisgebiet zu einem „Informations- und Motivationstreffen“ am Dienstag, 5. November, 18.30 Uhr in die St.-Bonifatius-Kirche (Florastr. 7) ein. Silke Molnár, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde und Bernhard Wunder, Leiter des Katholischen Bildungswerks Oberberg und Ehrenamtler der St.-Bonifatius-Gemeinde, stellen das Projekt „Demokratiekirche“ vor. www.demokratiekirche-