Alexander Petri sprach mit Nationalspieler Ingo Kuhli-Lauenstein.
Wiehler Para-Eishockey-Nationalspieler„Dem Verein wird dadurch eine Menge Aufmerksamkeit zuteil“
Premiere für die Eissporthalle Wiehl: Erstmals trägt die deutsche Para-Eishockey-Nationalmannschaft Länderspiele in Oberberg aus. Am Freitag, 31. März (20 Uhr), Samstag, 1. April (17 Uhr) und Sonntag, 2. April (10 Uhr) trifft die Auswahl von Bundestrainer Andreas Pokorny bei freiem Eintritt dreimal auf Norwegen. „Ein Gegner auf Augenhöhe“, sagt der 54-jährige ehemalige Verteidiger der Kölner Haie, der mit den Duellen „Werbung für den Sport und den Standort Wiehl“ machen möchte. Über das Ereignis sprach Alexander Petri mit Nationalspieler Ingo Kuhli-Lauenstein, der auch im Sledge-Eishockeyteam der Wiehl Penguins zu den Leistungsträgern gehört.
Herr Kuhli-Lauenstein, erst Anfang März haben Sie bei einem Turnier in Schweden dreimal gegen die Norweger verloren. Warum wird das in Wiehl anders aussehen?
Jetzt könnte ich sagen: Weil wir keine norwegischen Schiedsrichter haben (lacht). Wir werden besser sein, weil wir in der Vorbereitung einen Schritt weiter sind, disziplinierter spielen und die kleinen Fehler abstellen, die beim Turnier in Schweden zu den vielen Gegentoren geführt haben. Im letzten Spiel gegen die Norweger haben wir im Schlussdrittel 3:1 geführt, als ich wegen eines Checks gegen den Kopf für zwölf Minuten auf die Strafbank musste – mehr als fragwürdig aus meiner Sicht. Als eine weitere Strafe dazukam, haben die Norweger noch fünf Tore geschossen, sodass am Ende ein 3:6 zu Buche stand. Wir sind natürlich hochmotiviert, das Blatt vor eigenem Publikum zu wenden.
So viele Vergleiche in kurzer Zeit erinnern an eine Playoff-Serie. Entwickelt sich da auch die entsprechende Dynamik – inklusive körperlicher Härte und Sticheleien?
Auf jeden Fall. Wir kennen einander recht gut, weil unsere Sportart ziemlich klein ist. Im vergangenen Herbst war ich Teil eines ersten europäischen Allstar-Teams, zusammen mit zwei Nationalteam-Kollegen, ein paar Norwegern und Slowaken, das in Ostrau gegen die Kanadier, Amerikaner und Tschechen gespielt hat. Da kennt man sich natürlich und weiß, wer eine kurze Zündschnur hat und wen man mit ein paar netten Worten aus dem Konzept bringen kann (lacht).
Sie haben mal erzählt, dass es sympathische und weniger sympathische Gegner gibt. Zu welcher Gruppe gehören die Norweger?
Die sind eher von der sympathischen Seite. Nicht alle, aber mit den meisten kommen wir gut aus. Wir geben es uns auf dem Eis, aber abseits davon sind das nette Menschen. Ich habe es in der Vergangenheit aber auch schon erlebt, dass man bei einer WM am Hotelaufzug stand und Spieler aus anderen Teams es abgelehnt haben, mit uns im Aufzug zu fahren.
Wie schön ist es für Sie persönlich, Länderspiele in Wiehl zu bestreiten?
Ich finde das super und freue mich drauf. Dem Verein wird eine Menge Aufmerksamkeit zuteil. Dass wir Wiehler mit dem Bergneustädter Jano Bussmann, Lucas Sklorz und mir drei Spieler für die Nationalmannschaft stellen, spricht auch für die gute Vereinsarbeit. Wir sind trotzdem immer auf der Suche nach neuen Mitspielern, da kann so eine Länderspielserie helfen. Ich erhoffe mir, dass wir dadurch Nachwuchs rekrutieren, denn unsere Personaldichte im Kader ist besorgniserregend. Obwohl wir ziemlich gute Bedingungen in Wiehl haben. Die Verantwortlichen der Sportstätten und die Eismeister haben zum Beispiel die Bande weitgehend in Eigenregie behindertengerecht umgebaut, sodass die Einstiegskanten an Wechsel- und Strafbank verschwinden und Sichtfenster installiert wurden. Es ist schön, dass diese Mühe jetzt mit einer prestigeträchtigen Veranstaltung belohnt wird.
Jano Bussmann ist als frischgebackener 16-Jähriger das Küken im Nationalteam. Was zeichnet ihn aus und wie groß ist die Altersspanne?
In erster Linie zeichnet ihn seine Jugend und Unbekümmertheit aus. Er bringt einen guten Biss mit und ist technisch ziemlich versiert. Spielentscheidende Situationen herbeizuführen, ist noch nicht seine Aufgabe. Dass er Stammspieler wird, ist noch ein Stück weit entfernt, auch körperlich ist er natürlich noch nicht am Ende der Entwicklung. Aber in den nächsten Jahren kommt Jano sicher eine Schlüsselrolle zu. Die Altersspanne ist recht groß, sie reicht von Jano bis zu Spielern in ihren Fünfzigern.
2020 haben Sie mit NHL-Superstar Leon Draisaitl auf dem Eis trainiert. Hat er sich auch mal in den Schlitten gesetzt?
Nein, das war mehr ein Pressetermin bei den Kölner Haien als ein ganzes Training. Aber Leon ist ein sehr angenehmer, netter Kerl. Haie-Kapitän Moritz Müller hat sich aber in den Schlitten gesetzt. Da ist natürlich eine gute Grundlage da, aber man braucht eine gewisse Zeit, um den Schlitten beherrschen zu lernen. Selbst so jemand könnte nicht so einfach mal bei uns mitspielen.
Unversehrte Menschen dürfen zwar an nationalen Liga-, nicht jedoch an internationalen Spielen teilnehmen, obwohl sie auf dem Schlitten keinen Vorteil haben. Steht diese Regelung einer breiten Aufmerksamkeit für den Sport im Weg?
Viele meiner Teamkollegen und ich sehen keinen Grund, warum unsere Sportart behinderten oder eingeschränkten Menschen vorbehalten sein soll. Der Schlitten sorgt dafür, dass wir die unteren Extremitäten nicht zur Fortbewegung benutzen. Also spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, dass auch Fußgänger international mitspielen. Wenn es erlaubt wäre, würde die Sportart sicher interessanter für mehr Menschen.
In Kanada oder den USA sind die Para-Eishockeyspieler Profis. Wie ist die Situation in Deutschland, gibt es eine Förderung? Oder müssen Sie selber für die Ausrüstung aufkommen?
In den vergangenen Jahren hat in unserem Sport eine unglaubliche Professionalisierung stattgefunden. Manche Nationen haben fünf, sechs Eistrainings pro Woche plus athletische Einheiten. Die Chinesen etwa haben mit der Olympia-Vergabe nach Peking aus dem Nichts eine wettbewerbsfähige Nationalmannschaft geschaffen, die dann Bronze gewonnen hat. In Europa sind die Tschechen und die Norweger Vollzeitsportler. Damit versuchen wir uns sportlich zu vergleichen, auch wenn wir in Sachen Trainingsbedingungen nicht mithalten können. Das ist teilweise frustrierend, wenn wir im Vergleich dazu auf Vereinsebene die Schlitten selber zahlen müssen. Wir kriegen ein Trikot angezogen, die Reisekosten bezahlt und einen warmen Handschlag (lacht). Das schmälert die Freude am Spiel allerdings überhaupt nicht.
Sie haben bei EM- und WM-Turnieren gespielt, doch eine Paralympics-Teilnahme fehlt noch in Ihrer sportlichen Karriere. Ist also Mailand 2026 Ihr großer Traum?
Das wäre die absolute Krönung. Sportlich wäre das nichts Größeres als eine WM, weil man jeweils mit denselben Mannschaften konkurriert. Aber das Erlebnis, Teil einer solchen Veranstaltung mit so vielen Sportarten zu sein, die nur alle vier Jahre stattfindet, wäre ein Traum. Für eine Teilnahme müssen aber viele Dinge richtig laufen.
Zur Person: Ingo Kuhli-Lauenstein (30) kam mit einem fehlgebildeten Bein auf die Welt. Der Maschinenbauingenieur aus Bad Laasphe spielt für das Para-Eishockey-Team der Wiehl Penguins, mit dem er 2018 und 2019 Deutscher Meister wurde. Seit 2014 ist er in der deutschen Nationalmannschaft.