UkrainehilfeOberbantenberger Freikirche lässt keinen Geflüchteten zurück
Oberbantenberg – Genau vier Monate ist es nun her, dass sich die Welt gedreht hat. Mit Putins Angriff auf die Ukraine ist auch für die evangelisch-freikirchliche Gemeinde „Christus für alle“ (CFA) in Wiehl-Oberbantenberg eine neue Zeit angebrochen. Einiges ist dennoch wie früher. Vor sieben Jahren flüchteten infolge des Syrienkriegs schon einmal viele Menschen nach Deutschland. Und schon damals engagierte sich die Gemeinde bei deren Betreuung.
Manuel Weber sagt: „Ich spiele eigentlich nur Schlagzeug in der Gottesdienstband.“ Das ist etwas tief gestapelt. Der Reichshofer hat sich von 2015 an intensiv für Geflüchtete eingesetzt und im Internet mit überregionaler Wirkung gegen Fremdenhass eingesetzt. So fiel ihm nun wieder die Aufgabe zu, das Hilfsprojekt der Gemeinde zu koordinieren.
Mehr als 50 Ukrainer aus dem Kriegsgebiet geholt
Am 10. März fuhr Weber mit seinen Mitstreitern erstmals in die Ukraine, zuletzt am vergangenen Wochenende. Bei vier Transporten brachten die Oberbantenberger Christen mit bis zu neun Kleinbussen Hilfsgüter in das Land und nahmen Menschen mit zurück. Mehr als 50 Ukrainer holten sie in dieser Weise aus dem Kriegsgebiet.
Die Gemeinde kümmert sich seit Jahren um ein Kinderheim in Burty, südlich von Kiew. Bei der aktuellen Hilfsaktion gibt es eine Kooperation mit einer Freikirche in Wolodymyr im Westen des Landes. Dort liefern die Oberberger ihre Hilfsgüter ab, damit sie von den Ukrainern im ganzen Lauf verteilt werden.
Geflüchtet
Svitlana Heneta (48) gehört zu den Geflüchteten, die die CFA-Gemeinde betreut. Sie kam am 6. April mit Sohn Michael (15) nach Gummersbach. Jeden Tag telefoniert sie mit ihrem Ehemann, der in ihrem kriegsbeschädigten Haus in Irpin, gleich neben Butscha an der Stadtgrenze von Kiew, geblieben ist. „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe und fühlen uns hier in Sicherheit. Aber wir machen uns Sorgen um unsere Angehörigen. Und mein Sohn vermisst seinen Vater sehr.“ (tie)
Für die Aufnahme der Frauen und Kinder, die das Land verlassen wollen, wagte sich Weber weiter vor ins Land. Herzzerreißende Abschiede von den Vätern hat er miterlebt. Einige Fahrgäste litten unter Panikattacken. In lebensbedrohliche Situationen sei er nicht geraten, sagt der Reichshofer. „Aber die Raketen-Warn-App habe ich irgendwann ausgeschaltet, weil sie zu oft ansprang.“
Verwundeter Soldat wird nachgeholt
Zunächst vergeblich hat Manuel Weber nun versucht, einen verletzten Soldaten aus dem Land zu bringen. Eine Mine hat dessen Knie zerschmettert. Ein Rollstuhl wartete auf der Ladefläche. Am Militärkrankenhaus in Lwiw zeigte sich aber, dass auch verwundete Männer nicht ohne weiteres ausreisen dürfen. Der hartnäckige Netzwerker Weber führte 72 Telefonate, unter anderem mit dem EU-Abgeordneten Michael Gahler. Die Engelskirchener Klinik erklärte sich bereit, den Mann zu operieren. Doch dann lief Weber die Zeit davon, die Kolonne konnte nicht länger warten. Nun hat er einen Flug organisiert, mit dem der Soldat am Wochenende nach Deutschland gebracht wird. „Wir können nicht die ganze Welt retten“, sagt Weber, „aber die Welt für diesen Mann.“
Die CFA-Gemeinde kümmert sich um die Betreuung von mehr als 20 Ukrainern, die in Oberberg privat untergebracht sind. Eine der Helferinnen ist Anja Gerz, die vor 40 Jahren aus Lettland nach Deutschland kam und fließend Russisch spricht. Sie steht den Ukrainern nicht nur beim samstäglichen Flüchtlingstreff im Gemeindezentrum mit Rat und Tat zur Seite.
Der Transport der Flüchtlinge wird nun vorläufig enden, die nächsten Hilfsgüter will die Gemeinde einem Spediteur übertragen. „Seit der Krieg auf der Stelle tritt, kommen viel weniger Menschen“, hat Weber beobachtet. An der Grenze sei die Schlange der Leute, die wieder einreisen wollen, inzwischen länger. „Die Menschen denken nach vorn“, sagt Weber voller Respekt, „diese Mentalität ist erstaunlich.“