WipperfürthKnifflige Suche nach dem Künstler der Skulptur „Mädchen mit Reh“
Wipperfürth – Was ein Stück Knetgummi, das Los Nummer 330 eines Bonner Auktionshauses und den Marktbrunnen in Berkastel-Klues bei Trier mit Wipperfürth verbindet, klärt unser Autor Michael Wittschier im jüngsten Teil der Kolumne „Kunst in der Stadt“ auf. In der Kolumne stellt Wittschier Kunstwerke vor, die es in der Stadt im öffentlichen Raum zu sehen gibt, er liefert Hintergründe und Zusammenhänge.
Doch was die rund 1,20 Meter große Skulptur neben dem Schienenbus betraf, war wenig bekannt. Dass es dennoch einen Beitrag zum „Mädchen mit Reh“ des Bildhauers Hermann Paul Simon gibt, ist der Hartnäckigkeit Wittschiers zu verdanken und viel Detektivarbeit.
Woran die Skulptur erinnern soll, war klar
Denn: Um die Skulptur war es still geworden in den vergangenen Jahrzehnten. Dass sie am Erinnerungsort Bahnlandschaften steht, konnte Wittschier über den früheren Baudezernenten Volker Barthel herausfinden. Am Sockel der Skulptur erinnert eine Tafel des Bundes der Vertriebenen an Wipperfürths Zeit als Standort des Landesdurchgangslagers. Für über eine Million Menschen war die Stadt erste Station im Westen nach Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Woran die Skulptur erinnern soll, war also klar. Doch wer hat sie geschaffen, wo kam sie her? Wittschier telefonierte mit dem Siedlerverein der Neye, mit den Aktiven des Vereins Bahnlandschaften und mit Bildhauern aus der Region – doch der Künstler blieb verborgen.
Spurensuche mit Bleistift, Butterbrotpapier und Knetgummi
Schließlich machte er sich mit Bleistift, Butterbrotpapier und einem Stück Knetgummi auf den Weg zur Skulptur. „Am Sockel hatte ich etwas gesehen, aber es war kaum erkennbar“, berichtet Wittschier. Doch mit Abpausen und einem Abdruck, konnte er einen Namen sichtbar machen: H.P. Simon. Doch war das der Künstler oder ein Hinweis auf einen Stifter? Mit dem Namen war aber nun die Suche möglich. Und tatsächlich. Wittschier stieß im Katalog eines Bonner Auktionshauses auf eine Skulptur, die ebenfalls H.P. Simon signiert war.
Unter dem Los Nummer 330 hatte das Haus 2015 eine kleine Gipsfigur versteigert. „Mädchen mit Reh“ lautete der Titel. Wittschier nahm Kontakt auf, verglich die Bilder und sah, dass es sich klar um eine Miniatur der Wipperfürther Skulptur aus Muschelkalk handelte. H.P. Simon war der Künstler.
Eine Miniatur brachte den entscheidenden Hinweis
Das führte Wittschier weiter zum Trierischen Volksfreund, der Lokalzeitung in Bernkastel-Kues, wo dieser Künstler aufgewachsen war. Der dortige Marktbrunnen trägt eine Skulptur, die den Erzengel Michael zeigen soll. In einem Artikel berichtet die Zeitung in der Bernkasteler Ausgabe über den Künstler.
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Simon hatte sich vor allem auf Kirchenkunst spezialisiert. Er arbeitete in der Zwischenkriegszeit von seinem Kölner Atelier aus, schuf mehrere Gewölbefiguren des Kölner Doms und den Hochaltar der Kirche St. Paul. Dieser Hochaltar wurde in den Kriegsjahren beschädigt. Dem Altar blieb aber das Schicksal von Simons Atelier erspart: Das wurde nämlich bei einem Luftangriff zerstört. Nach dem Krieg siedelte Simon samt Atelier nach Bonn um, wo er auch 1964 starb.
Doch wie war der Kontakt nach Wipperfürth zustande gekommen? Wer war Stifter der Skulptur? Der Bund der Vertriebenen hat dazu keine Aufzeichnungen, da dort aber die von diesem Bund gestiftete Kunst sehr wohl dokumentiert ist, legt das den Schluss nahe, dass es einen anderen Stifter gab. „Vielleicht hat ja ein Leser einen Hinweis“, hofft Wittschier. Die Geschichte des „Mädchens mit Reh“, sie ist noch nicht zu Ende erzählt.