„Wildschweinmast im Wald“Wipperfürther Landwirt ärgert sich über Anfütterstellen
Wipperfürth – Als Markus Theunissen am 15. Oktober die Zeitung aufschlägt, traut er seinen Augen nicht. In einem BLZ-Artikel kommen die Leiter der Hegeringe Wipperfürth und Lindlar, sowie die oberbergische Kreisverwaltung zu Wort. Unisono betonen sie, dass es aktuell keine Wildschwein-Plage im Kreis gebe, im Gegenteil.
„Hier waren die Schweine, ganz eindeutig“, ruft Theunissen aus der Schonung und stochert mit der Stiefelspitze im Dreck – eine Anspielung auf unsere damalige Überschrift „Sag mir wo die Sauen sind“. Für den Landwirt steht fest, dass es derzeit sehr wohl Probleme mit den Schwarzkitteln gibt, zumindest im Wipperfürther Westen, im Grenzgebiet zwischen Oberberg und dem Rheinisch-Bergischen. Die alleinige Schuld dafür trägt laut Theunissen der Mensch.
„Wildschweinmast im Wald“
Die Ursachen seines Ärgers bestehen aus kniehohen morschen Baumstümpfen, an deren Wurzeln sich ein frisches Matschloch an das andere reiht. Wer ganz genau hinsieht, entdeckt kleinste Reste von Maiskörnern in der braunen Pampe – Wildschwein-Rotten, nach denen es hier riecht, lassen offenbar ungern etwas übrig.
Zur Rechtslage
Auf Grundlage des Landesjagdgesetzes hat das NRW-Umweltministerium 2019 die „Verordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes“ (DVO LJG) erlassen. Darin regelt das Ministerium Details rund um die Jagd. Unter anderem heißt es: „Die Kirrung von Schwarzwild ist nur zulässig, wenn im Jagdbezirk oder -revier nicht mehr als eine Kirrstelle pro angefangene 100 Hektar bejagbarer Fläche angelegt wird“.
„Nahezu täglich wird neues Futter ausgestreut“, ärgert sich Theunissen. Der Mais-Nachschub lagert in blauen Tonnen, nur ein paar Schritte von der Futterstelle entfernt. Einen Steinwurf weiter wurde ein mobiler Hochsitz montiert. Dem Laien erscheint diese Entfernung ungewöhnlich gering – übertrieben ausgedrückt bekommt man das Gefühl, dass der Jäger beim Anlegen praktisch schon mitten zwischen den Schweinen sitzt. „Für mich hat das nichts mit Jagen zu tun – das ist Wildschweinmast im Wald“, betont Markus Theunissen.
Auf eigene Kosten für Sicherung gesorgt
Im Umkreis von einigen hundert Metern gibt es acht solcher Kirrstellen, davon grenzen fünf direkt an das Grünland, das Theunissen bewirtschaftet. „Zwar können wir Schäden durch die Schweine melden, doch wenn das Gras schon im Aufwuchs ist, wird es durch die Vermischung mit dem aufgewühlten Dreck unbrauchbar“, erklärt der Landwirt. Er weist darauf hin, dass das Jagdrecht nur eine Kirrstelle auf 100 Hektar Jagdfläche erlaubt (siehe auch Kasten). Als Paragrafenreiter will sich der Wipperfürther aber trotzdem nicht verstanden wissen.
„Ich möchte nicht beurteilen, ob die erlaubte Menge sinnvoll ist. Wer mehr anlegt, der soll es halt tun. Nur dann muss er auch genug schießen, um die Population im Zaum zu halten.“ Gespräche mit dem Jagdpächter hätten keinen Erfolg gebracht, so Theunissen. Deshalb investierte der Landwirt in einen Zaun, der die Wildschweine wenigstens von seiner Wiese fernhält. Auf 6000 Euro beziffert er die Kosten dafür, plus 80 Arbeitsstunden pro Jahr, die er in das Freimähen der Litzen investiere. Ein intelligentes Weidezaungerät, das die Spannung nachregelt, sobald Strom durch Bewuchs verloren geht, komme obendrauf.
„Trauerspiel unter dem Deckmanter der Jagd“
Mehrere Videos hat Theunissen bereits vor Ort gedreht. Sie zeigen, wie sich kleine und große Schweine am helllichten Tag am Mais-Buffet bedienen. Auf der Waldseite des Zaunes haben sie inzwischen den Boden und auch einen Wirtschaftsweg großflächig planiert – nicht einmal Springkraut oder Farn wachsen dort noch. „Schweine sind schlau – wird an einer Stelle geschossen, meiden sie diesen Bereich für eine gewisse Zeit“, erklärt Theunissen und vermutet darin den Grund für so zahlreich installierte Kirrstellen.
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Der Wipperfürther Hegering, der Zusammenschluss aller Jäger der Hansestadt, möchte sich zu den Vorwürfen nicht konkret äußern. „In erster Linie ist das eine Angelegenheit, die Landwirt und Revierpächter mit der zuständigen Jagdgenossenschaft klären müssen. Alle Seiten sollten das Gespräch suchen“, sagt Hans Beinghaus, Vorsitzender des Hegerings. Er weist darauf hin, dass Theunissen Mitglied dieser Jagdgenossenschaft sei, zudem in deren Vorstand. Daneben wiederholt Beinghaus seine Angaben, nach der die Wipperfürther Abschusszahlen bei den Schweinen zuletzt um die Hälfte eingebrochen sind.
Markus Theunissen fordert, dass absolute Abschusszahlen in Relation zur aus seiner Sicht „stark überhöhten Population“ gesehen werden müssen – zumindest für das Revier rund um die Kirrstellen. „Es ist ein Trauerspiel unter dem Deckmantel der Jagd“, findet der Landwirt.