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Schnipperinger MühleKonzert mit Querdenker-Bezug in Wipperfürther Feriensiedlung?

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Die Schnipperinger Mühle. (Archivbild) 

Wipperfürth – Etwas abseits zwischen Wipperfürth und Marienheide liegt die Ferienhaussiedlung Schnipperinger Mühle. Die Wochenendhäuschen schmiegen sich an einen Hang, unten im Tal plätschert das Wasser der Lindlarer Sülz. Doch irgendwo hier, zwischen den Schwedenhäuschen, da soll noch vor kurzem die Reichskriegsflagge geflattert haben, zumindest wollen das Anlieger beobachtet haben.

Erst 2016 hat die Ferienhaussiedlung hier neu eröffnet. Die MS Gartenreich aus Meerbusch hatte das heruntergewirtschaftete Areal gekauft und saniert. Das Meerbuscher Unternehmen wirbt mit Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit. Viele neue Pächter sind nach dem Eigentümerwechsel auf die rund 100 Parzellen gezogen. 2019 wurde ein großes Sommerfest gefeiert.

Stimmung wandelt sich in Corona-Pandemie

Die Stimmung sei immer gut gewesen in der Siedlung, berichten Pächter, die ihre Namen lieber nicht nennen wollen. Sie loben die Anlagen, die Ausstattung und die Lage. Doch seit Beginn der Corona-Pandemie habe sich die Stimmung gewandelt.

Einige Pächter sorgen sich nun um die Harmonie in ihrer Siedlung. „Dabei ist das hier doch ein Paradies“, sagt ein Pächter. Es gibt Pächter, die fürchten, dass die Schnipperinger Mühle auf bestem Weg sei, ein „Untergrund-Ort“ zu werden, der Corona-Leugnende und Menschen aus dem rechtsesoterischen Spektrum anziehe.

Unternehmen distanziert sich von Querdenkern

Die MS Gartenreich in Meerbusch zeigt sich über die Vorwürfe überrascht. „Hätte sich ein Pächter beschwert wären wir der Angelegenheit nachgegangen, so wird es jedenfalls gehandhabt bei der MS Gartenreich“, sagt Prokurist Wolfgang Gladzinski, der auch direkter Ansprechpartner für die Schnipperinger Mühle ist. Sein Unternehmen distanziere sich „ausdrücklich von diesem politischen Hintergrund und den Querdenkern“.

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Rund 100 Ferienhäuser stehen in Schnipperinger Mühle.

Noch am Freitag war nach Angaben der MS Gartenreich ein Vertreter des Unternehmens in der Siedlung. „Wir haben einen offenen Kanal für all unsere Pächter und sind immer ansprechbar“, betont Gladzinski. Für Freitag und Samstag ist nun in der Gaststätte in der Mühle ein Konzert mit einem Musiker angekündigt, der sonst vor allem im Süddeutschen Raum durch Auftritte auf Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen bekannt geworden ist: Jens Eloas Lachenmayr.

Ort über Privatnachrichten und Aushang bekannt

Das Konzert am Freitag und Samstag wird öffentlich bislang nur per Aushang direkt an der Gaststätte angekündigt. Im Messengerdienst Telegramm berichtet ein Account unter Lachenmayrs Künstlernamen Eloas Min Barden lediglich von zwei Auftritten „bei Köln“. Wer kommen wolle, könne sich den Ort über Privatnachricht mitteilen lassen.

Die Gaststätte in der Schnipperinger Mühle, die ebenfalls von einem Pächter betrieben wird, schreibt auf Facebook unter dem Account „Die Mühle“ lediglich von Konzerten an beiden Tagen: „Das Konzert am Freitag“ sei schon recht voll, so eine in dieser Woche veröffentlichte Mitteilung. Die Eigentümer-Gesellschaft habe über das Konzert keine Kenntnis.

Musiker mit Verbindungen zur Szene

Der Musiker Lachenmayr stellt sich in diversen Youtube-Videos in die Tradition der mittelalterlichen Barden, ein Video zeigt ihn mit dem Stück „Wenn die Maske fällt“ vor einem Banner von „Querdenken, 711 Stuttgart“. Dass er nun ausgerechnet in der Schnipperinger Mühle bei Wipperfürth spielt, überrascht einige der Pächter indes nicht.

Dass Corona den Wochenendhaussiedlungen bundesweit einen regelrechten Boom gebracht hat, ist klar. Eigener Garten und Abstand statt enger Ferienflieger und Gedränge am Strand. Auch in Wipperfürth locken viel Platz und ein eigenes Häuschen die Erholungssuchenden an das Ufer der Lindlarer Sülz. 2019 waren von den rund 100 Parzellen noch 40 frei. 2022 kündigt der Betreiber im Internet an, auf zwei Parzellen neu zu bauen und verweist auf die Warteliste.

Datschen als Homeoffice nutzbar

„Seit Corona ist mehr los“, heißt es unter den Pächtern. Kein Wunder: Wasser und Abwasser liegen, Strom sowieso und dazu schnelles Internet. So können die Datschen durchaus auch mal als Homeoffice dienen, wenn einem in der Etagenwohnung die Decke auf den Kopf fällt.„Videokonferenzen sind hier kein Problem“, ist zu erfahren.

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Die Zufahrt zur Schnipperinger Mühle. 

Spätestens seit der Bundestagswahl 2021 sei es dann mit der Ruhe vorbei gewesen. Diverse Stellplätze seien genutzt worden, um Wahlkampfmaterial der Partei „die Basis“ zu lagern. „Auffällig waren auf einmal die ganzen fremden Autos, die während des Lockdowns in die Mühle fuhren“, erinnert sich jemand. Das will man bei den Eigentümern nicht glauben. „Darüber ist uns nichts bekannt, auch hier hat es keine Hinweise von den Pächtern gegeben“, so Gladzinski.

Mutmaßliche Verstöße gegen Corona-Auflagen?

Die Stadt Wipperfürth bestätigt auf Anfrage, dass 2021 und 2022 mehrere Kontrollen vor Ort in der Schnipperinger Mühle durchgeführt wurden. Verfahren zu mutmaßlichen Verstößen gegen Corona-Auflagen in der Gastronomie dauerten derzeit aber noch an.

Die Siedlung hat eine lange Geschichte. Anfang der 1960er Jahre noch ein beliebtes Ausflugsziel wurde auf dem Areal ein Campingplatz betrieben. Der Campingplatz entwickelte sich zur Siedlung mit Wochenendhäuschen. Einige Dauercamper hielten der Mühle über Generationen die Treue und irgendwann wurden viele Häuschen je nach Belieben an- und umgebaut.

Streit zwischen Eigentümern und Stadt gipfelte 2013

Schon 1989 beschäftigte sich das Bauamt der Stadt mit dem Wildwuchs, doch dann geschah Jahrzehnte nicht viel. Die Sorge der Verantwortlichen: Dass die Datschen bei Notfällen weder von der Feuerwehr noch dem Rettungsdienst zu erreichen sind, von der Löschwasserversorgung im Falle eines Brandes ganz zu schweigen.

Der Streit zwischen den damaligen Eigentümern und der Stadt gipfelte 2013 darin, dass der Siedlung nach jahrelangen Warnungen die Trinkwasserversorgung gekappt wurde. Die Behörden in Wipperfürth und Gummersbach hatten die früheren Eigentümer immer wieder vor dem Schritt gewarnt. 2015 wurde dann im Alten Stadthaus der städtebauliche Vertrag unterschrieben und die MS Gartenreich begann aufzuräumen und umzubauen.

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Die Sache mit den eingangs erwähnten, angeblichen Reichskriegsflaggen ist den Eigentümern nicht bekannt, betont der Prokurist. Mit Schreiben vom 31. Januar dieses Jahres untersagt die Meerbuscher Firma das Hissen „von Fahnen und Flaggen jeglicher Art“ auf ihrem Gelände. Das sei geschehen, um einem allgemeinen Flaggenwildwuchs vorzubeugen.