Berlin ist hierSo läuft ein Tag am Set des Regisseurs Kotthaus aus Wipperfürth
Wipperfürth – Ein Club in Berlin, pulsierendes Licht, hypnotische Musik. In flirrender Atmosphäre blicken sich zwei junge Frauen tief in die Augen. Die eine legt eine Pille auf ihre Zunge. Kuss. „Danke, nehme ich so“, ruft Regisseur Lukas Kotthaus. Er ist mit der Einstellung zufrieden. Hier wird ein Film gedreht. „Wann immer ich die Sonne sehe“ ist nach „Spinat zum Frühstück“ das zweite Werk des 23 Jahre alten Autodidakten aus Wipperfürth-Thier.
Frida und Sophie, gespielt von Anna Saphira Ronsdorf und Emelie Pütz, zwei junge Frauen vom Land, entdecken ihre Liebe füreinander, kommen damit aber in der provinziellen Enge ihrer Heimat nicht zurecht. Also beschließen sie, auszureißen. In Berlin ist alles möglich. Auf dem Weg dorthin treffen sie Tilo, gespielt von Leonard Dumm.
Am Set wird geduzt
Gemeinsam geht es auf eine Reise durch die Hauptstadt mit ihren Verlockungen und Abgründen. Und dort ist man gerade, der fiebrige Kuss wird in einem Nachtclub ausgetauscht. Nur liegt der nicht in Berlin, sondern im Kunstbahnhof Kuba an der Lüdenscheider Straße. Den Kuba hat Lukas – am Set duzt man sich – in ein Szenelokal verwandelt. Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Filme nicht dort gedreht werden, wo sie laut Script spielen.
In Hollywood entstehen Blockbuster in Studiokulissen und gerne mal in grünen Räumen. Und den Rest macht der Computer. Nur hat Lukas sein Set aus Rollenweise Packpapier gebastelt, das er gemeinsam mit Freunden mit Graffiti besprüht und an die Wand geklebt hat. Aber man merkt es nicht. Licht, Nebel, Musik und eben der richtige Kamerawinkel erschaffen das Berliner Nachtleben.
Schauspielerinnen per Social Media gefunden
Obwohl Lukas Kotthaus nie eine Filmhochschule besucht hat, weiß er genau, was er will und was er tut. Man spürt, dass er die Bilder und Szenen exakt in seinem Kopf hat. Und diese Souveränität übertragt sich auf das gesamte Team. Denn niemand hier im Raum ist Profi, nicht mal im Ansatz. Seine Schauspieler hat Kotthaus meist per Social Media gefunden, die Komparsen für die Clubszene wurden auch mit Hilfe dieser Zeitung gesucht. Aufnahmeleiter Henrik Lüesse ist ein Freund wie viele andere am Set auch. „Dolly“, ein Kamerawagen, der am professionellen Filmset gerne mal mehrere Tausend Euro kostet, ist bei Kotthaus ein Brett, unter das ein paar Rollen geschraubt sind.
Aber eben so intelligent, dass Dolly perfekt auf den Schienen läuft. Die bestehen aus alten Abwasserrohren. Das Catering übernimmt Mama Simone Kotthaus, sie kümmert sich auch um Requisiten, stimmt sich, wenn nötig, mit dem Ordnungsamt oder der Polizei ab. Und ganz viel macht eben Lukas Kotthaus. Er ist Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann und Cutter in einer Person. Hauptdarstellerin Emelie Pütz ist Kotthaus auf Instagram gefolgt und als sie gesehen hat, dass er Schauspieler sucht, hat sie ihn einfach angerufen. Ein paar Gespräche später hatte sie die Rolle. Anna Saphira Ronsdorf ist eine langjährige Freundin von Emelie, so simpel ist das manchmal.
Großteil des Budgets ist Eigenleistung
Über ein echtes Budget kann man bei seinem Film nicht reden, Kotthaus hat ein paar Sponsoren, aber das Meiste geschieht eben in Eigenleistung. Die Filmmusik wird eigens komponiert und es gibt eine professionelle Tonmischung, das war’s. „Viel wird zur Verfügung gestellt. Zuletzt durften wir zum Beispiel zwei Tage in Thier in der Schule drehen“, erzählt der Regisseur. Da hat natürlich auch der erste Film viele Türen geöffnet – nicht zuletzt, weil er sich mit dem Thema Inklusion beschäftigt hat.
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Schon früher hat sich Lukas Kotthaus ehrenamtlich beim Verein Noh Bieneen engagiert. Passend dazu studiert er neben seinem Engagement als Filmemacher Sonderpädagogik. Für „Wann immer ich die Sonne sehe“ sind acht Drehtage angesetzt und ein weiterer Tag für Bilder mit einer Kameradrohne und Autofahrten. Knappe anderthalb Stunden lang wird das „Arthouse-Drama mit Thriller-Elementen“ am Ende sein. Premiere soll wie schon bei „Spinat zum Frühstück“ in der Alten Drahtzieherei in Wipperfürth sein. Und dann hofft der Jungregisseur, dass seine Filme auch irgendwann mal im Kino zu sehen sein werden.