Der Dorfladen in Wipperfürth-Thier schreibt rote Zahlen, die Schließung droht. Mit einem Hilferuf wendet sich der Vorstand an die Bewohner von Thier.
HilferufDorfladen in Wipperfürth-Thier steht auf der Kippe<div></div>
Der Dorfladen in Wipperfürth-Thier ist ein kleiner Supermarkt, auf 290 Quadratmetern gibt es fast alles für den täglichen Bedarf. Doch der 2013 als Genossenschaft gegründete Laden ist in Schieflage geraten. 2023 ging der Umsatz um vier Prozent zurück, im ersten Halbjahr 2024 um weitere fünf Prozent.
Gleichzeitig machen die laufenden Kosten Kopfzerbrechen, wie Michael Segler vom Dorfladen-Vorstand erläutert. Die Personalkosten seien um 14 Prozent gestiegen, vor allem durch den Mindestlohn, die Energiekosten um fünf Prozent. Mit einem Rundschreiben, das mit „Weckruf – Aufruf – Hilferuf“ überschrieben ist, will man die Bevölkerung wachrütteln. Das Schreiben wurde per E-Mail, über Soziale Medien und als Postwurfsendung an alle Haushalte in Thier verteilt.
Vorstand will Bevölkerung wachrütteln
Dort heißt es: „Nach Ablauf des Jahres 2024 werden unsere erwirtschafteten Gewinne aus den Vorjahren komplett aufgebraucht sein. Sollte sich die Situation dann im Jahr 2025 nicht stark verbessern, müsste der Geschäftsbetrieb Ende 2025 eingestellt werden, um eine Insolvenz zu vermeiden.“
Jetzt kommt ein weiteres Problem hinzu: Der Ausbau der Johann-Wilhlem-Roth-Straße hat vor rund acht Wochen begonnen, sie ist die Hauptstraße, die mitten durchs Dorf führt. Die Arbeiten sind mit Straßensperrungen verbunden und sollen rund zwei Jahre dauern. Das dürfte den Umsatz weiter schmälern. Schon jetzt spüren die Thierer die Auswirkungen der Baustelle.
Baustelle macht Probleme
„Im Dorf ist es so ruhig wie seit 30 Jahren nicht mehr“, sagt Anwohner Franz-Josef Flosbach. Eine Einschätzung, die Sandra Müller-Althof bestätigt. Sie gehört seit 2019 zum Dorfladen-Vorstand und engagiert sich hier ehrenamtlich. „Ohne unsere Ehrenamtler würde es gar nicht gehen“, sagt sie. Daneben beschäftigt der Dorfladen zwei Teilzeitkräfte sowie fünf Minijobber, außerdem eine „integrative Vollzeitkraft“, für die es Zuschüsse gibt. Der Dorfladen ist damit auch ein kleiner, aber wichtiger Arbeitgeber im Dorf – vor allem aber ein sozialer Treff, nicht zuletzt dank des angeschlossenen Cafés.
Doch warum sinken die Umsätze, und wie könnte man gegensteuern? Michael Segler und Sandra Müller-Althoff vermuten, dass Wirtschaftslage und Inflation eine Rolle spielen. „In vielen Betrieben gibt es Kurzarbeit, die Leute gucken mehr aufs Geld“, so Segler. Die Preise im Dorfladen seien ein klein wenig höher, „für einen Einkaufskorb gibt man, je nach Menge, vier bis fünf Euro mehr aus“, so Müller-Althoff. Manche jüngere Kunden würden sich ein breiteres Angebot wünschen und Produkte wie Babynahrung vermissen. „Für 50 Sorten Gläschen fehlt uns aber der Platz“, sagt Müller-Althof.
Viele Thierer kämen auf dem Weg von der Arbeit ohnehin an einem Supermarkt vorbei und würden dort einkaufen. „Mit dem Gedanken, ich hole im Dorfladen mal eben einen Hefewürfel, den ich vergessen habe, können wir nicht überleben“, sagt Müller-Althoff. Was viele nicht wissen: Der Dorfladen liefert auch nach Hause, und zwar nicht nur in Thier, sondern ebenfalls nach Wipperfeld und Agathaberg und sogar in die Stadt.
In dem Rundschreiben bittet der Dorfladen alle Thierer, denen es möglich ist, wöchentlich Waren im Wert von 20 bis 25 Euro zu kaufen. Die ersten Rückmeldungen auf den „Hilferuf“ seien positiv, so der Vorstand. Ob das aber reicht, um wieder schwarze Zahlen zu schreiben, weiß niemand.
Frank Herhaus ist beim Oberbergischen Kreis als Dezernent unter anderem für Regionalentwicklung zuständig. „Wir sind ein bisschen aufgeschreckt, als wir das Schreiben gelesen haben“, sagt er. In der Vergangenheit habe der Kreis den Dorfladen Thier schon einmal unterstützt, man sei zu weiterer Hilfe bereit, erste Gespräche würden laufen.
Ende 2024 muss der Dorfladen ein neues Kassensystem anschaffen. Und so gibt es im Vorstand die ersten Überlegungen, den Dorfladen in Thier künftig mit Selbstscanner-Kassen auszustatten und ihn künftig rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, zu öffnen, auch ohne Personal. www.dorfladen-thier.de
Ein zweiter Dorfladen Mit dem „Brücher Mühlchen“ in der Reichshofer Ortschaft Brüchermühle gibt es seit drei Jahren einen zweiten Dorfladen im Oberbergischen Kreis. Dort setzt man komplett auf Biowaren, bietet einen Mittagstisch an und führt Veranstaltungen durch. So gibt es am 7. September einen französischen Abend mit Chansons, Wein und Leckereien. Viele Kundinnen und Kunden kommen aus Waldbröl, nachdem dort der Bioladen zugemacht hat. www.bruechermuehlchen.de