Am Sonntag ist Europawahl. Aber was hat das mit uns zu tun? Diese Frage haben wir den Wipperfürther Landwirt Heinz Raffelsieper beantworten lassen.
InterviewWarum Landwirt Heinz Raffelsieper ein überzeugter Europäer ist
Wann waren Sie das letzte Mal im europäischen Ausland?
Raffelsieper: Letzte Woche war ich in Polen. Wir haben Urlaub gemacht an der Ostsee. Das war sehr schön, wir hatten gutes Wetter gegenüber dem Rheinland, da war es ein bisschen schmuddelig. Ich war auch erstaunt, wie aufgeräumt und sauber die Region und die Dörfer dort sind. Erst habe ich gar nicht gemerkt, dass ich über die Grenze gekommen bin, erst an den anderen Ortsschildern habe ich es bemerkt.
Welchen Nutzen hat die Europäische Union für Sie und für Ihre Arbeit?
Ich bin überzeugter Europäer, ich glaube, dass der Nutzen der EU sehr vielseitig und sehr breit ist, zum Beispiel mit dem Wegfall der Grenzkontrollen. Wenn sie etwa durch Afrika reisen, ist das anders. Kommen Sie an ein Grenze, dann brauchen sie dort eineinhalb Stunden mit Zoll und anderen Formalitäten. Im Vergleich dazu ist die EU eine freie Gemeinschaft.
Welche Nutzen haben Sie als Landwirt? Sie erhalten ja Subventionen aus Brüssel.
Diese Subventionen, die der Landwirtschaft zugestanden werden, sind ja dazu da, damit die Nahrungsmittelproduktion für die Menschen erschwinglich bleibt. Sonst würde die Nahrung das kosten, was sie wirklich kostet. Durch die Subventionen wird das ein bisschen abgefedert, das kommt damit allen zugute und nicht nur der Landwirtschaft.
Die Europäische Union ist nach dem Krieg ja auch gegründet worden wegen der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit. Ganz am Anfang war die Landwirtschaft der einzig geregelte Sektor in der EU. Nach wie vor werden Agrarwirtschaft und die Agrarpolitik vielfach in der EU gemacht, da sind wir als Deutsche ja auch schon mal froh drum. Weil der deutsch gedachte Sonderweg nicht immer der Richtige ist innerhalb der EU.
Wir haben etwa die Nitratrichtlinie. Die Umsetzung davon ist Sache der Bundesländer, und so haben wir in Deutschland 16 verschiedene Regelwerke. Fährst Du hinter Morsbach, gelten da andere Regeln, das ist schon schräg. In Ländern wie Frankreich ist man etwas landwirtschaftskonformer, als Folge wird dann wird oftmals etwas anders entschieden als bei den Deutschen.
Welche Probleme haben Sie wegen der Europäischen Union, etwa mit der Bürokratie?
Bürokratie ist natürlich immer ein Thema, weil Geld verteilt wird und da immer Regelwerk drum gestrickt ist. Viele Sachen sind gut gemeint, aber nicht so gut gemacht. Was auch daran liegt, dass oft Leute entscheiden, die nicht vom Fach sind, sondern Juristen, und die haben natürlich juristisches Denken und Regeln im kleinklein.
Da ist zum Beispiel die EU-Verordnung zur entwaldungsfreien Futterproduktion. In Brasilien wird viel Urwald abgeholzt, um das Land urbar zu machen, und dort zum Beispiel Soja oder Palmöl zu produzieren, die auch als Futtermittel gebraucht werden. Das ist nicht das Ziel oder der Wunsch hiesiger Landwirte.
Jetzt muss ich als Landwirt gegenüber meinem Abnehmer, der Molkerei, nachweisen, dass meine Futtermittel aus entwaldungsfreier Produktion stammen. Dabei geht es nicht ums das Gras, sondern um die Zukauffuttermittel. Wir arbeiten eh ohne Soja und haben nur Futtermittel, die nicht genetisch veränderte Bestandteile haben. Das muss ich aber nachweisen.
Das heißt, es gibt einen Zertifikatsrausch: Der Vorhändler, bei dem ich einkaufe, muss mir quittieren, dass das Futter aus entwaldungsfreier Produktion kommt. Der hatte auch seine Vorlieferanten, dann gibt's noch die Mühle, die das Getreide verarbeitet und so muss jeder dokumentieren, und jeder bekommt Audits, ich auch. Einmal im Jahr kommt jemand und guckt, ob in den Lieferscheinen alles stimmt. Das ist eine Riesen-Regelwerk, an dem herumgestrickt worden ist.
Wie sollte sich die EU verändern? Sollte das Europaparlament mehr Einfluss haben?
Ob das Europaparlament mehr Einfluss haben muss, weiß ich nicht unbedingt. Ich glaube, die Menschen, die das Regelwerk schaffen, müssen gute Leute sein und die Dinge nicht nur rein juristisch betrachten. Auf der anderen Seite muss ein Regelwerk rechtssicher sein, und Gott sei Dank haben wir den Rechtsstaat.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der europäischen Integration?
Die Hoffnung ist eigentlich die, dass das Erreichte weiter Bestand hält, weil wir von der europäischen Zusammenarbeit in der Wirtschaft profitieren. Mit den Völkern und mit den Menschen in Europa ist das schon ganz gut angelaufen in den letzten 60,70 Jahren.
Zur Person: Heinz Raffelsieper (54) aus Wipperfürth-Wegerhof ist Landwirt in der zehnten Generation. Vor zehn Jahren hat er zusammen mit zwei Teilhabern die Wegerhof KG gegründet, heute mit rund 700 Milchkühen der größte Milchviehbetrieb in Oberberg. Auf dem Dach des Stalls steht eine Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 750 Kilowatt. Die Biogasanlage der Wegerhof KG produziert auf der Basis von Gülle genügend Strom, um damit 300 Haushalte zu versorgen.