Von „geschockt“ bis „wenig überraschend“ reichen die Reaktionen von Oberbergs Schulleitungen auf die miserablen Ergebnisse der Pisa-Studie.
Pisa-StudieOberbergs Schulleiter nehmen Stellung zu den schlechten Ergebnissen
„Dass es Probleme gibt, wussten wir vorher. Aber dass sie sich so gravierend auswirken, war schon ein Schock!“, gesteht die Leiterin der Wipperfürther Hermann-Voss-Realschule, Claudia Deichsel. Noch sei die Zeit zu kurz für gründliche Analysen angesichts der verheerenden Ergebnisse der Pisa-Studie, die deutschen Schülern im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften historisch schlechte Ergebnisse bescheinigt. Aber natürlich macht sich die Schulleiterin wie auch ihre Kolleginnen und Kollegen Gedanken über mögliche Ursachen.
„Natürlich kann man nicht alles auf Corona schieben“, meint sie. „Aber Tatsache ist, dass den heute 15-Jährigen ein Teil ihrer Schulzeit fehlt. Das betrifft alle Altersgruppen, wir „erben“ ja als weiterführende Schule die fehlenden Kompetenzen. Schulanfänger können keinen Stift halten und haben Schwierigkeiten mit der Schere umzugehen, Schülerinnen und Schüler in Klasse 5 können nicht richtig lesen, schreiben und rechnen. „Das können wir nicht mehr voraussetzen, wir können nicht einfach stur weiter machen wie bisher, sondern wir müssen eine Stufe tiefer ansetzen, alles braucht viel länger als bisher.“
Schulalltag: Zu viel mediale Ablenkung durch Handy und Tablet
Eine Rolle spiele sicher auch, dass manche Kinder zu viel Zeit am Tablet und Handy verbrächten, zu viel mediale und digitale Ablenkung hätten. Darin ist sie sich einig mit ihrem Kollegen Thorgai Wilmsmann, Leiter des Homburgischen Gymnasiums in Nümbrecht. Auch wenn die Gymnasien in der Pisa-Studie am besten von allen Schulformen abschnitten, so sieht doch auch er Schwächen der Fünftklässler in Lesen und Rechnen, auch die Zahl der Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) sei stark gewachsen, die Anforderungen dagegen gesunken.
„Früher kamen fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs aufs Gymnasium, heute sind es bei uns im ländlichen Raum 40 Prozent.“ Eine wichtige Rolle spiele die Unterstützung durch das Elternhaus, ein entscheidender Faktor gerade auch in der Zeit des Homeschoolings. „Corona hatten alle, auch wir haben Lehrermangel, aber noch immer hängt der Bildungserfolg stark von der Bildungsnähe der Eltern ab.“
Mangelnde Sprachkompetenz ist ein Hauptproblem an Oberbergs Schulen
Carmen Bloch, Leiterin der Hauptschule in Bergneustadt, sieht in der Sprachkompetenz das größte Problem. 80 Prozent ihrer Schülerschaft stammen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Rumänien, auch aus Afrika, Geflüchtete oder Migranten in unterschiedlichen Niveaus der Deutsch-Förderung. Manche können gar kein Deutsch, andere sind Analphabeten, andere Kinder waren jahrelang auf der Flucht.
Hinzu kämen Schulwechsler, die an anderen Schulformen nicht auf einen Abschluss hoffen können. Die Schule habe wegen des großen Zustroms eine dritte Klasse 9 aufgemacht. Auch wenn die Leistungen von Jugendlichen in der zweijährigen Erstförderung nicht in der Pisa-Studie Eingang fanden, eine Überraschung war das Ergebnis für die Pädagogin nicht. Sondern Alltag, der mit einem Bündel von Maßnahmen bewältigt werde.
So werden auch im normalen Deutschunterricht an der Hauptschule die Grundfertigkeiten Lesen und Schreiben trainiert, das Lesen intensiv geübt, seit drei Wochen gibt es ein digital unterstütztes Mathematikprogramm, und von der LRS-Förderung profitieren auch Kinder ohne offizielle Diagnose.
Auch an der Hermann-Voss-Realschule setzt Schulleiterin Deichsel mit ihrem Kollegium auf Lesetraining, zusätzliche Förderstunden in Mathematik und insgesamt mehr Deutschunterricht. Anita Kallikat, Leiterin der TOB-Sekundarschule in Bielstein, setzt angesichts auffälliger Konzentrationsschwierigkeiten und zunehmender Unruhe, die sie bei den Schülerinnen und Schülern beobachtet, neben individueller Förderung auf kleine Gymnastikübungen zwischendurch. Kinder brauchten Bewegung. Sportzeiten würden deshalb gar nicht gekürzt.
„Zunächst aber müssen wir auswerten, ob sich die Ergebnisse der Studie mit unsern Ergebnissen decken, dafür werden wir uns noch einmal die Ergebnisse der Klassenarbeiten ansehen und die Leistungen über mehrere Jahre überprüfen und vergleichen. Das ist jetzt unsere Hausaufgabe!“
Mehr Informationen zur Pisastudie
Pisa steht für „Programme for International Student Asessment“ und ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Alle drei Jahre werden die Leistungen von 15-jährigen Jugendlichen erfasst. Deutschland erreichte dabei in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen die niedrigsten Werte, die jemals hier gemessen wurden. Es habe einen nie da gewesenen Leistungsabfall gegeben, heißt es in der Studie. In Deutschland klaffte von allen getesteten 34 Ländern die größte Lücke zwischen sozial-ökonomisch privilegierten und benachteiligten schülerinnen und Schülern.