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Hass auf dem HandyWie Jugendliche am Wipperfürther Gymnasium mit Cybermobbing umgehen

Lesezeit 4 Minuten
Ein junges Mädchen zeigt am 04.02.2017 das Display eines Smartphones mit einem Button „Blockieren“ beim Messenger WhatsApp (gestellte Szene).

Cybermobbing ist laut einer aktuellen Studie auf dem Vormarsch.

Cybermobbing ist laut einer Studie auf dem Vormarsch. Welche Erfahrungen machen Schülerinnen und Schüler aus Oberberg mit dem Thema?

Fiese, herabwertende Äußerungen auf WhatsApp oder Instagram, Film- oder Fotoaufnahmen, die auf TikTok oder YouTube veröffentlicht werden, mit dem Ziel, andere bloßzustellen: Cybermobbing ist auf dem Vormarsch. Laut einer aktuellen Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse ist in Deutschland fast jeder fünfte Jugendliche davon betroffen. Das sind mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche (siehe Kasten).

Wir wollen wissen, welche Erfahrungen Schülerinnen und Schüler aus Oberberg mit Cyber-Mobbing haben und wie sie damit umgehen.

Wipperfürth: Achtklässlerinnen besitzen selbstverständlich ein Smartphone

Leila, Lena, Elli, Nina, Paula und Emilia besuchen die 8. Klasse am Wipperfürther Engelbert-von-Berg-Gymnasium. Selbstverständlich besitzen die 13- und 14-jährigen Mädchen alle ein eigenes Smartphone. Ihre Namen haben wir in Absprache mit den Mädchen geändert. Das Besondere: Sie alle sind ausgebildete Media Scouts und kennen daher die Gefahren, die im Internet lauern. Die Ausbildung zum Media-Scout geschieht in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Jugendamt, dabei geht es nicht nur um Social Media, sondern auch um die Frage, wie man gefälschte Fotos und Fake News im Netz besser erkennen kann.

„Wir gehen in Grundschulen und in die fünften Klassen und erklären dort, worauf man beim Umgang mit Social Media, mit TikTok und YouTube achten muss“, berichten Elli und Leila. Tatsächlich hätten heutzutage schon viele Zweitklässler ein Smartphone, weiß Lehrerin Anne Rust. „Früher war es so, dass viele Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse ein Handy bekamen, also dann, wenn sie zu uns ans Gymnasium kamen. Das eigene Handy war früher für viele Fünftklässler noch Neuland. Das ist definitiv vorbei“, erklärt sie. „Wir bauen oft spielerische Elemente ein, wenn wir mit Jüngeren über das Thema sprechen“, erklärt Paula. Dabei gehe es etwa um eigene Grenzen, wie bei der Frage „Findest Du es okay, wenn jemand ein Foto von Dir verschickt, ohne Dich vorher zu fragen?“ Die meisten finden das nicht gut.

Wie äußert sich Cybermobbing?

Wie äußert sich Cybermobbing? Sie selbst seien noch nicht online gehänselt oder beschimpft worden, sagen die sechs Schülerinnen einmütig. Aber aus Erzählungen kennen sie viele solche Fälle. So komme es etwa vor allem in Online-Klassengruppen immer wieder zu Problemen. „Eine postet etwas Blödes über einen Mitschüler, dann meinen andere, sie müssten etwas noch Blöderes schreiben“, sagt Lena. In ihrer eigenen Klasse gibt es deshalb keine Klassengruppe.

„Verbieten können wir solche Klassengruppen nicht, denn damit würden wir in den Erziehungsauftrag der Eltern eingreifen“, erklären die beiden Lehrerinnen Anne Rust und Alke Stüber. Stattdessen setze die Schule auf Aufklärung, auch bei Elternabenden. Vor kurzem war Lijana Kaggwa, frühere Teilnehmerin der TV-Serie „Germany’s Next Topmodel“ am EvB zu Gast und berichtete den Jugendlichen von ihren üblen Erfahrungen mit Online-Hasskommentaren, und wie man damit umgehen kann.

Was die Mädchen mit dem eigenen Handy machen dürfen und was nicht, ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. „Als ich mein erstes Handy mit neun Jahren bekam, haben meine Eltern zunächst geschaut, was ich damit machen. Eine Sperre hatte ich allerdings nie. Mittlerweile vertrauen meine Eltern mir, auch, weil ich Media Scout bin“, erzählt Lena. Bei Nina dagegen gelten strengere Regeln. „Meine Handyzeit ist begrenzt, ich darf keine Kommentare schreiben, und wenn ich eine Anfrage bekomme, muss ich um Erlaubnis fragen. Manchmal nervt das schon“, sagt die 13-Jährige. Auch bei Emilia haben die Eltern Zugriff auf alle Handy-Accounts.

Die australische Regierung will Kinder vor Social Media besser schützen und plant deshalb eine strenge Altersgrenze. Erst ab 16 Jahren sollen Jugendliche künftig Zugriff auf Kanäle wie TikTok und YouTube haben. Emilia findet die Idee gar nicht schlecht. Für sich selbst habe sie durch ihre Arbeit als Media Scout einiges gelernt. „Ich bin auf jeden Fall vorsichtiger und gebe nicht mehr so viel preis.“


Aktuelle Studie

18,5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler waren schon einmal von Cybermobbing betroffen. 2017 lag diese Zahl bei 12,7 Prozent. 57 Prozent fühlen sich verletzt, 43 Prozent reagieren mit Wut und ein Drittel verängstigt. 13 Prozent der Betroffenen haben aus Verzweiflung schon zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen, 25 Prozent der Betroffen haben Selbstmordgedanken geäußert. In absoluten Zahlen sind das rund 500 000 Kinder und Jugendliche.

Diese Zahlen sind Ergebnis einer aktuellen Onlinebefragung zum Thema Mobbing und Cybermobbing, die von Mai bis Juli 2024 vom Bündnis gegen Cybermobbing durchgeführt wurde. 4213 Jugendliche, 1061 Eltern und 637 Lehrkräfte haben an der Befragung teilgenommen.