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FestanstellungenZukunft der Musikschulen in Oberberg weiterhin ungewiss

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Ein Saxofonist in den Reihen einer Bigband.

Die Jazzband Big Stuff ist das Aushängeschild der Wipperfürther Musikschule. Dieses Renommee will die Politik nicht gefährden.

Die Politik im Wipperfürther Stadtrat reagiert unterschiedlich auf das Herrenberg-Urteil zur Festanstellung von Lehrkräften. Auch der Wiehler Musikschulleiter bezieht Stellung.

Bislang sind Musikschullehrer meist als Honorarkräfte angestellt. Doch nach einem Urteil des Bundessozialgerichts – dem sogenannten „Herrenberg-Urteil“ – könnte es damit bald vorbei sein. Die Musikschule Gummersbach hat bereits reagiert und alle Lehrkräfte zum Jahresbeginn fest angestellt (wir berichteten). In der Wipperfürther Politik hat die Diskussion darüber Fahrt aufgenommen.

Im November 2024 hatte die Verwaltung im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Ausschusses für Sport, Freizeit und Kultur nach Informationen unserer Zeitung erklärt, dass nach Einschätzung des Rechtsanwaltes kein Weg daran vorbeiführt, von Honorarkräften Abstand zu nehmen und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge abzuschließen.

Wir sind froh, dankbar und stolz, dass Wipperfürth weit über die Stadtgrenzen hinaus der gute Ruf als Musikstadt vorausgeht.
Frank Mederlet, SPD-Stadtratsfraktion

Im Dezember klang das schon wieder anders. „Die Hansestadt Wipperfürth hat in den letzten Monaten umfangreiche Prüfaufträge in Bezug auf die Rechtsfolgen und auch die Umsetzbarkeit des Herrenberg-Urteils in Auftrag gegeben. (...) Diese Prüfaufträge sind noch nicht abschließend beantwortet, so dass weiterer Klärungsbedarf besteht“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Rathaus. Im Etatplan für 2025 wurden dennoch vorsorglich rund 400 000 Euro zusätzlich eingestellt.

Die Wipperfürther Ratsfraktionen reagieren unterschiedlich. Knapp fällt die Stellungnahme des CDU aus: „Wir schließen uns der Auffassung der Verwaltung an“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Jörg Heckersbruch auf Nachfrage.

Wipperfürther SPD will einstellen

SPD-Fraktionschef Frank Mederlet antwortet sehr ausführlich. „Wir sind froh, dankbar und stolz, dass Wipperfürth weit über die Stadtgrenzen hinaus der gute Ruf als Musikstadt voraus geht. Dazu tragen in erheblichem Maß die engagierten Musikvereine bei und eben auch die Musikschule.“ Die SPD setze sich für gute und gerechte Arbeitsbedingungen ein – auch an der Musikschule. Die SPD habe sich dafür stark gemacht, dass der Haushalt volle Stellen für die Musikschule enthält. Man sei zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden wird, die die Musikstadt Wipperfürth stärkt. „Musikschule ist eben auch Bildung und gehört zu Wipperfürth“, sagt Mederlet, der sich nach deren Protest mit den Musikschuldozenten zu einem Gespräch verabredet hat.

„Selbstverständlich müssen die Musikschullehrer rechtskonform beschäftigt werden, gleichzeitig müssen wir auch die schwierige Finanzsituation der Stadt berücksichtigen“, erklärt Christoph Goller (Grüne). Der UWG-Fraktionsvorsitzende Klaus Felderhoff teilt mit: „Die UWG spricht sich für eine Rechtssicherheit und entsprechend für eine Lösung mit Festanstellung aus. Im Haushalt 2025 sind die erforderlichen Volumen berücksichtigt.“

Die FDP hat sich auch auf Kreisebene zu dem Thema ausgetauscht. „Kulturelle Angebote sind ein notwendiger Soft-Faktor einer lebendigen, lebenswerten Kommune“, so Franz-Josef Flosbach (FDP). Das gelte analog auch für den Sport. Verwaltung und Parteien müssten ein tragfähiges Konzept entwickeln und verabschieden. Dabei gelte es Organisation, Personal und Finanzen zu berücksichtigen.


Interview: „Lehrkräfte sollten selbst entscheiden“

Musikschulleiter Dirk van Betteray hält nichts vom Zwang zur Festanstellung von Dozenten. Reiner Thies sprach mit dem Musikpädagogen.

Wie gehen Sie als Leiter der Musikschule der Homburgischen Gemeinden und der Musikschule Morsbach mit dem Herrenberg-Urteil um?

Dirk van Betteray: Wir haben eine gute Lösung für unsere Lehrkräfte gefunden, die sich an der gelebten Praxis orientiert. Ich habe das Urteil nie so interpretiert, dass es keine Honorarkräfte mehr geben darf, und mir war suspekt, welche Schlüsse der Musikschulverband daraus gezogen hat. Als Konsequenz und nach vielen weiteren negativen Erfahrungen sind wir darum aus dem Verband deutscher Musikschulen aus- und dem konkurrierenden Bundesverband der freien Musikschulen beigetreten.

Wo liegt der Irrtum des Musikschulverbands?

Mit der Neuregelung wollte man offenbar auf die Praxis in manchen großstädtischen Musikschulen einwirken. Dort wurden Honorarkräfte wie weisungsgebundene Angestellte   behandelt. Das war bei uns nie der Fall. In den Großstädten ist der Betrieb einer Musikschule zudem eine kommunale Pflichtaufgabe. Die Musikschulen auf dem Land müssten ihr Angebot drastisch reduzieren und die Kursgebühren fast verdoppeln, wenn sie nur noch festangestellte Lehrer beschäftigten dürften.

Was sagen Ihre Lehrkräfte?

Die wollen zum großen Teil gar keine Festanstellung, weil sie weiterhin an mehreren Musikschulen und auch als Künstler tätig bleiben möchten. Ich finde, dass jede Lehrkraft selbst entscheiden sollte, was sie will. Und die Musikschulen müssen dann sehen, was sie sich leisten können. Sicher haben wir hier bei uns auf dem Land einen großen Fachkräftemangel. Aber Festanstellungen sind keine Lösung dieses Problems, das sehe ich in der Kirchenmusik.

Wie geht es weiter im Streit um die Festanstellungen?

Für unsere Regelung habe ich mich mit den Leitern anderer oberbergischer Musikschulen abgestimmt und natürlich juristischen Rat eingeholt. Es gibt aber noch keine letzte Rechtssicherheit. Wenn es am Ende doch auf eine eingleisige Lösung hinausläuft, die den ländlichen Strukturen nicht gerecht wird, brauchen wir eine viel großzügigere Landesförderung.