„Betten sind die harte Währung“Bergisch Gladbach richtet neue Notunterkunft ein
Rhein-Berg – Steffen Schmidt schaut auf die Uhr: „Hier in den Hof wird nachher der erste Bus fahren“, sagt der Kreisbereitschaftsleiter vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). In wenigen Stunden werden zwei weitere Busse mit Geflüchteten aus der Ukraine in Bergisch Gladbach erwartet.
„Hier werden sie empfangen, begrüßt und medizinisch untersucht“, sagt Schmidt und deutet auf einen Eingang des Hallenkomplexes mit angrenzenden Büro- und Sanitäranlagen, in denen die Stadt Bergisch Gladbach mit großer Kraftanstrengung und Einsatz vor allem auch ihrer Feuerwehr in Windeseile eine weitere Erstaufnahmestelle für Kriegsflüchtlinge eingerichtet hat, die vom DRK betrieben werden wird.
Ein erster Arzt trifft ein, sucht das frisch hergerichtete Untersuchungszimmer. Feuerwehrleute haben bereits Tische aufgestellt, „Willkommen“-Plakate auf Ukrainisch hängen an den Wänden. Nebenan sind Feuerwehrfrauen und -männer damit beschäftigt, weitere Trennwände in der großen beheizten Halle aufzubauen, Doppelstockbetten zu montieren und Matratzen zu verteilen.
Mehr als 50 Feuerwehrleute waren Tag und Nacht im Einsatz
Die vormaligen Industriehallen an der Hermann-Löns-Straße ist nicht mehr wiederzuerkennen: Mehr als 50 ehrenamtliche und hauptamtliche Einsatzkräfte sämtlicher Einheiten der Bergisch Gladbacher Feuerwehr haben in den vergangenen Tagen – und Nächten – die Halle für die Ankunft der ersten Kriegsgeflüchteten hergerichtet.
Die zwischen den Trennwänden entstandenen Räume wurden mit Feldbetten und anderem Mobiliar ausgestattet, um den Menschen auf diese Weise zumindest etwas Privatsphäre zu ermöglichen. „Auf den drei mal sechs Metern können dann erstmal bis zu vier Geflüchtete unterkommen“, erläutert David Pleiß vom Löschzug Paffrath/Hand, der die Arbeiten in der Halle koordiniert hat.
„Eine Perle, die wir gefunden haben“, nennt der Leiter des städtischen „Stabs für außergewöhnliche Ereignisse“ (SAE) und Immobilien-Dezernent Thore Eggert den beheizbaren Hallenkomplex mit angrenzenden Büroflächen und Sanitärmöglichkeiten, den die Stadt wie berichtet kurzfristig vom Energieversorger Belkaw angemietet hat. Hermann-Löns-Halle solle die ab Montag auch als Erstanlaufstelle in Betrieb gehende Anlage heißen, sagt Stadtsprecherin Marion Linnenbrink.
Stat sucht weitere dauerhafte Wohnungen für Geflüchtete
Rund 200 Geflüchtete sollen in den Hallen als Erstaufnahme unterkommen können. „Dabei wollen wir alles tun, damit Familien zusammen jeweils einen Raum bekommen“, sagt Jörg Köhler, Leiter der Bergisch Gladbacher Feuerwehr. Ziel sei es natürlich, alle Neuankommenden aus der Erstaufnahme so schnell wie möglich auch in privaten Unterkünften unterzubringen, erläutert Stadtsprecherin Linnenbrink.
Kontaktstellen und Hilfsangebote
Rheinisch-Bergischer Kreis
Bergisch Gladbach
Zentrale Kontaktstelle für Belange der Ukraine-Hilfe der Stadt Bergisch Gladbach: (0 22 02) 14-29 29 und 14-29 28, E-Mail: ukraine@stadt-gl.de. Hier werden auch Wohnraumangebote von Privatpersonen gesammelt.
Overath
Eine Stelle für Hilfsangebote hat die Stadt Overath unter (0 22 06) 602-448 und per E-Mail an Ulkrainehilfe@overath.de eingerichtet. Weitere Infos auf den Internetseiten der Stadt.
Rösrath
Kürten
Koordination von Spenden usw. über die neue Facebookgruppe des Fluchtpunkts: „Ukrainehilfe Kürten“. Wohnraumangebote: soziales@kuerten.de; (0 22 68) 93 91 90, -108, -207. Vorgehensweise bei Ankunft Geflüchteter: soziales@kuerten.de
Odenthal
Integrationsbeauftragte Claudia Kruse (0 22 02) 710-104 oder 0151-58 02 07 99. Spendenkonto, Link zur WhatsApp-Gruppe und weitere Infos auf der Internetseite der Gemeinde.
Dafür suche man auch Angebote von Privatpersonen, am besten abgeschlossene Wohneinheiten, die für mindestens sechs Monte zur Verfügung stünden. „Wir können ja im Moment noch überhaupt nicht absehen, wie lange die Geflüchteten hier bleiben“, so SAE-Leiter Eggert. „Wir müssen sprinten, um die Aufnahme der Geflüchteten zu organisieren, aber es wird ein Marathon werden“, sagt Steffen Schmidt.
Rund 500 Ukrainerinnen und Ukrainer sind zwischenzeitlich bereits in Bergisch Gladbach angekommen, haben sich auf eigene Faust mit dem Auto durchgeschlagen, in Zügen oder mit Bussen privater Initiativen. 2015 seien es zu Hochzeiten bis zu 1500 gewesen, erinnert sich Stadtsprecherin Linnenbrink. Staatliche Zuweisungen von Geflüchteten habe es diesmal noch gar nicht geben, so die Verantwortlichen am Freitagnachmittag vor der neuen Erstaufnahmeunterkunft.
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Zahlreiche Helfer
Die bisherige Erstaufnahme für Geflüchtete am Schulzentrum Saaler Mühle wird vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betrieben. Neben den Akteuren vor Ort sind zahlreiche Stellen der Stadtverwaltung nach wie vor mit der Krisensituation beschäftigt. So arbeiteten die Mitarbeitenden des Abfallwirtschaftsbetriebs am Mittwochabend in Sonderschichten, um Abfall wie etwa Verpackungsmaterial von den Standorten entgegen zu nehmen. „Die Stadtverwaltung zeigt in allen Abteilungen, Organisationen und Betrieben, dass sie sich mit viel Engagement für die Menschen aus der Ukraine einsetzen, dafür bin ich sehr dankbar“, so Bürgermeister Frank Stein. (wg)
Das Deutsche Rote Kreuz
Mit der Betreuung von Geflüchteten hat der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Erfahrung. Die Organisation hat schon bei der Ankunft Tausender Geflüchteter 2015 und in den Jahren danach große Standorte mit Geflüchteten betrieben und betreut – wie beispielsweise in Katterbach oder am ehemaligen Carpark-Gelände in Lückerath auch im Auftrag der Stadt Bergisch Gladbach.
„In den Anfangstagen werden an der neuen Unterkunft ehrenamtliche Rotkreuz-Helfer die Betreuung und Versorgung der Zufluchtsuchenden sicherstellen,“ so DRK-Kreisgeschäftsführer Reinhold Feistl. Im weiteren Verlauf sollen dann Sozialarbeiter und pädagogische Fachkräfte den Betrieb der Unterkunft verantworten. Für den Start seien eine Leitung, eine Stellvertretung, zwei Sozialhelfer, ein Dolmetscher, zwei Krankenschwestern und vier hauswirtschaftliche Kräfte für die Essensausgabe vorgesehen, so Feistl. (wg)
Die Feuerwehr
Tag und Nacht waren Einsatzkräfte der Feuerwehr Bergisch Gladbach bis Freitag im Einsatz, um die leerstehende Halle des Energieversorgers Belkaw für die Unterbringung von Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine vorzubereiten. Koordiniert wurden die Arbeiten vor Ort von David Pleiß vom Löschzug Paffrath/Hand. Am Freitag waren auch hauptamtliche Kräfte vor Ort, Feuerwehrfahrzeuge und Drehleiter standen vor der Halle. „Wir können direkt von hier aus ausrücken“, so der Leiter der Feuerwehr, Jörg Köhler.
Vier Feuerwehrleute holten bereits am Dienstag mit Lastwagen 400 zusätzliche Feldbetten und 1200 Decken aus Thüringen ab. Auf der Rückfahrt kam es auf der Autobahn A7 zu einem Verkehrsunfall, bei dem die Gladbacher Feuerwehrleute als Ersthelfer die Unfallstelle sicherten, einen Verletzten betreuten, bis die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr Niederaula sowie des Rettungsdienstes an der Einsatzstelle eintrafen. (wg)
Bei den mobilen Wänden konnte die Stadt auf Material zurückgreifen, das 2015 in Unterkünften in Katterbach und an der Feldstraße in Heidkamp im Einsatz war. Ebenso bei rund 400 Betten, wie Feuerwehrchef Köhler berichtet. Insgesamt sind diesmal rund 1000 Betten geordert. 400 Feldbetten als Reserve haben seine Feuerwehrleute diese Woche aus Thüringen geholt. Gladbach ist nicht die einzige Stadt, die Schlafplätze einrichtet. „Betten sind aktuell die harte Währung“, sagt Köhler.
Feuerwehrpressesprecher Elmar Schneiders ist gerade mit einem Lastwagen Matratzen an der Unterkunft angekommen und angetan von der Hilfsbereitschaft allerorten. Ein Mitarbeiter des städtischen Abfallwirtschaftsbetriebs platziert ein Müllfahrzeug im Innenhof für die Abfallentsorgung. Später wird noch ein Sicherheitsdienst anrücken, der für Sicherheit rund um die Unterkunft sorgt.
„Wir freuen uns, dass wir mit dem Arbeiter-Samariter-Bund an der Saaler Mühle und mit dem DRK am neuen Standort in dem Belkaw-Gebäude zwei starke Partner gefunden haben“, zeigte sich Bürgermeister Frank Stein zufrieden. „Außerdem danke ich allen Feuerwehrleuten für ihre tatkräftige Hilfe.“ In der Organisation baue man in der Kreisstadt auf drei Säulen, erläutert: Sammelunterkünfte in denen die Feuerwehr federführend sei; die Versorgung und dauerhafte Unterbringung der Geflüchteten, um die ich der Fachbereich Jugend-/Soziales kümmere und der Fachbereich Hochbau, der weiteren Wohnraum ertüchtige.
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An der Hermann-Löns-Straße sind alle Beteiligten am Freitagnachmittag fast fertig – und bereit für die Ankunft weiterer Geflüchteter.
Kreis fährt seinen Krisenstab hoch
„Das Wichtigste ist, jetzt erst einmal alle Informationen zusammenzuführen“, beschreibt Kreisdirektor Dr. Erik Werdel am Donnerstagabend im Kreistag die Herausforderung, der sich auch der diese Woche aktivierte Krisenstab des Kreises angesichts der Ankunft zahlreicher Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu stellen hat.
Dabei betonte Kristenstabsleiter Werdel, dass der Krisenstab des Kreises bei der Aufnahme der Geflüchteten nicht die führende Zuständigkeit habe wie in der Corona-Pandemie, wo er durch die Zuständigkeit des Kreisgesundheitsamts federführend für die Pandemiebekämpfung zuständig sei.
Kreis will Städte und Gemeinden unterstützen
Bei der Aufnahme der Geflüchteten seien zunächst die Städte und Gemeinden gefordert, so Werdel, der Kreis unterstütze aber bei der Koordinierung. So sei ein Dashboard eingerichtet worden, in das alle Kommunen ihre Meldedaten, Plätze und Auslastung von Einrichtung eintragen könnten. Auch die Registrierung durch die Ausländerbehörde sei zu organisieren – auch damit die Geflüchteten später Leistungen in Anspruch nehmen könnten, umriss Werdel die Aufgaben.