Angst vor Schweinen an der Saaler MühleWildtiere dringen ins Naherholungsgebiet vor
- Wilschweine haben immer weniger Scheu und dringen in die belebten Naherholungsgebiete vor
- Die Tiere fühlen sich mittlerweile „heimisch“ und liefen den Menschen hinterher – unbewusst locken Menschen die Tiere auch an, durch Essensreste in Mülltonnen
- Spaziergänger müssen künftig auf Begegnungen mit den Wildschweinen gefasst sein
Bergisch Gladbach – Der Angriff kam aus dem Dunkel, plötzlich und unerwartet. Ulrich Träger reagierte geistesgegenwärtig und warf sich zwischen „Bonny“ und das Wildschwein. Ganz groß habe er sich machen müssen, um die Attacke abzuwehren. Träger ist ein Hüne, selbst er schaffte es nicht direkt, das Tier zurückzudrängen. Da hatte das Wildschwein schon zugeschnappt und die kleine Mischlingshündin mit seinen Hauern aufgespießt.
Eine große, klaffende Wunde sei es gewesen, durch zwei Rippen hindurch fast bis zur Lunge. Träger nahm den Hund in den Arm und rannte so schnell er konnte die wenigen Meter zurück nach Hause. Die Trägers wohnen in Alt-Refrath, angrenzend beginnt das Waldgebiet zur Saaler Mühle. Dieses Naherholungsgebiet ist eine der beliebtestes Freizeitanlagen der Stadt, viele Hundert Spaziergänger und Ausflügler sind hier an den Wochenenden unterwegs.
„Die Attacke ist wirklich direkt hinter unserem Haus auf einem Waldweg passiert“, schildert der Refrather die Ereignisse aus dem Mai, als er um 22 Uhr abends mit seinem Mischling zum Gassigehen draußen war. Zwei oder drei Wildschweine seien beisammen gewesen, genau habe er es in der Dunkelheit nicht erkennen können, sagt Träger. Mit einer nächtlichen Not-Op in der Tierklinik Leverkusen sei Bonny gerettet worden. „Heute geht es ihr wieder gut.“
Wildschweine fühlen sich „heimisch“
Nur in das Waldstück hinter dem Haus traue er sich nicht mehr mit dem Hund, er habe Angst, und damit stehe er nicht allein in dem Wohnviertel, sagt Träger. In der Nähe verlaufe der Köln-Pfad, immer von vielen Ausflüglern besucht. Zu befürchten sei, dass es einmal zu einem schweren Zwischenfall kommen könnte.
Bejagung
Rund 2000 Wildschweine sind im vergangenen Jagdjahr in Rhein-Berg geschossen worden. Deshalb sei derzeit die Population in den bergischen Wäldern rückläufig, sagt Revierförster Jürgen Greißner. Ralf Huckriede von der Kreisjägerschaft erwartet, dass sich das bald wieder umkehrt. Die Bäume hätten wegen der Sommerhitzewelle schon im September massenweise Eicheln und Eckern abgeworfen, die Tiere müssten sich nur in den Wald legen und bekämen sofort Futter ins Maul. „Das ist für sie wie im Paradies.“ Weil sie zur Nahrungssuche nicht herumliefen, seien sie für die Jäger aber schwer auffindbar. Um ein Wildschwein zu erlegen, brauche ein Jäger meist viele Stunden Geduld.
In der Nähe von Siedlungen zu jagen, wie in Alt-Refrath, sei aus Sicherheitsgründe kaum möglich. „Das Jagen ist im Siedlungsbereich ausgeschlossen,“ bestätigt Revierförster Jürgen Cohnen. „Das lernen auch die Wildschweine schnell und kommen immer wieder in die Nähe der Wohnhäuser.“ Förster und Jäger würden in den Waldgebieten Saaler Mühle und Schluchter Heide alles Erdenkliche tun, um die Wildschweine zu bejagen. „Aber dieser Wald wird von allen Seiten von Häusern umstanden.“ (cbt)
Die Wildschweine fühlten sich in der Siedlung mittlerweile „heimisch“ und liefen den Menschen hinterher. Als er vor ein paar Tagen in der Zeitung vom angeblichen Angriff der Wildtiere auf Kinder las , erinnerte er sich an die Geschehnisse aus dem Mai.
Mensch und Tier, das ist für den zuständigen Revierförster ein schwieriges Thema. Jürgen Cohnen weiß von den Zwischenfällen, Anwohner haben ihn wiederholt informiert, die Wildtiere verteufeln will er aber nicht. Wenn sie sich bedroht fühlten, könnten Wildschweine in den Angriffsmodus übergehen, sagt er.
Das sei ihr Instinkt. Normalerweise seien Keiler und Bachen Fluchttiere, die um Menschen einen großen Bogen machten. Wenn die Siedlungen hingegen immer weiter in die Nähe des Walds, in den Lebensraum der Tiere heranrückten, könne es zu Konflikten kommen – so auch in Alt-Refrath. Unwissentlich würden die Menschen die Wildschweine anlocken, weil in Mülltonnen immer auch Nahrungsreste zu finden seien. Auch das hätten die Tiere schnell gelernt.
Spaziergänger müssen auf Schweine gefasst sein
Dass bei Jagdaktionen die Hochsitze durch Konsumenten von Betäubungsmitteln „belegt“ seien und erst die Polizei um Hilfe gerufen werden müsse, erschwere die Sache zusätzlich. Zu Begegnungen mit Wildschweinen werde es immer kommen, die Tiere könnten schließlich nicht eingesperrt werden. Darauf müssten auch Spaziergänger gefasst sein.
Jürgen Greißner, Revierförster in Forsbach, bestätigt die Auffassung seines Kollegen und spricht von der „Bettelei“ der Tiere und ihrem nervigen Hinterherlaufen. Den Tieren werde von manchen Menschen sogar Futter hingelegt. Diese erwarteten daraufhin immer wieder, dass sie Nahrung bekämen. „Das ist wie bei einem Hund.“
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Ralf Huckriede, Sprecher der Kreisjägerschaft Rhein-Berg, hält einen Schweine-Angriff auf Hunde für möglich. „Das kommt ab und zu vor.“ Die Ursache ist für ihn leicht erklärbar: „Der Hund wird vom Wildschwein mit einem Wolf verwechselt.“ Und der Wolf sei der größte Feind des Wildschweins. Hunde würde oft unangeleint durchs Unterholz rennen und Wildschweine aufscheuchen. „Das Wildschwein denkt, dass ein Wolf durch ihr Wohnzimmer läuft. Aggressionen sind in diesem Fall durchaus vorstellbar.“