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Gegen AzubimangelKommt das freiwillige Handwerksjahr nach Rhein-Berg?

Lesezeit 3 Minuten
Eine junge Frau arbeitet als Tischlerin.

2023 gab es mehr als doppelt so viele Studierende wie Auszubildende.

Immer weniger junge Menschen steigen ins Handwerk ein. Die Kreishandwerkerschaft will dem mit einem freiwilligen Handwerksjahr entgegenwirken.

Wände streichen, den Motor eines Autos reparieren oder mit Ziegel um Ziegel eine Hauswand bauen: Das Handwerk hat viele Facetten. Trotzdem interessieren sich immer weniger junge Menschen für eine handwerkliche Ausbildung. Laut Statista, einer Online-Plattform für Statistiken, gab es 2023 mehr als doppelt so viele Studierende wie Auszubildende.

„Das liegt auch daran, dass Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit nicht richtig darüber informiert werden“, erläutert Willi Reitz, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. Das soll sich nun ändern: Reitz und Marcus Otto, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, wollen in NRW ein freiwilliges Handwerksjahr etablieren und damit dem Fachkräftemangel entgegentreten. Das könnte auch für junge Menschen in Rheinisch-Bergischen Kreis neue Chancen bieten.

Vorbild ist Schleswig-Holstein. Die Handwerkskammer Lübeck hat im Juli vergangenen Jahres das Projekt „freiwilliges Handwerksjahr“ gestartet. „Analog zu einem freiwilligen sozialen Jahr haben Jugendliche hier nach dem Abschluss der Schule die Möglichkeit, Handwerksberufe näher kennenzulernen.“ Erste Erfahrungen seien ausgesprochen positiv, erklärt Otto. Rund 150 Betriebe und über 80 Jugendliche hätten sich gemeldet, 25 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren seien in das freiwillige Handwerksjahr gestartet.

Die jungen Leute selbst sind nicht das Problem.
Willi Reitz, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land

Dies könnte schon bald auch in NRW und damit auch in Rheinisch-Bergischen Kreis angeboten werden. Reitz sieht darin eine gute Chance, mehr junge Menschen zu erreichen und gleichzeitig mit Mythen rund ums Handwerk aufzuräumen. „Zum Beispiel, dass die Arbeit im Handwerk immer schwer, schmutzig und gefährlich ist, stimmt heutzutage nicht mehr. Das war vor vielleicht 30 Jahren so. Trotzdem steckt das immer noch in den Köpfen der Leute.“

Und das sei eines der größten Probleme: Eltern und Lehrkräfte informierten sich nicht richtig und rieten den Kindern immer häufiger zum Studium statt zum Handwerk. „Die jungen Leute selbst sind nicht das Problem. Schulen sind auch manchmal damit überfordert, Wissen rund ums Handwerk zu vermitteln“, sagt Reitz.

Welches Vorurteil sich auch noch hartnäckig halte: Das Handwerk bezahle schlecht. „Das stimmt so nicht. Oftmals verdient der Maurer mehr als der Jungjurist“, so der Kreishandwerksmeister. Die Bezahlung ist jedoch etwas, das für das freiwillige Handwerksjahr noch geklärt werden muss. In Schleswig-Holstein gibt es eine monatliche Aufwandsentschädigung.

Das Projekt benötigt politische Unterstützung

In NRW fehlen laut Reitz noch die politischen Rahmenbedingungen. Das Problem sei, dass freiwillige Praktikanten in der Regel Mindestlohn erhalten müssten. „Das können sich viele Betriebe schlicht nicht leisten“, erklärt Reitz. Auch nicht die im Bergischen, egal ob groß oder klein. Eine Pauschale wäre eine Lösung, dass die Politik das Projekt finanziell unterstützt eine andere. „Wir werden in den Dialog mit der Politik und den Handwerkskammern gehen, um das Projekt voranzutreiben,“ sagt der Handwerksmeister.

Neben dem finanziellen Klärungsbedarf müssen auch noch weitere Rahmenbedingungen geregelt werden. „Wir brauchen Rechtssicherheit in Punkten wie Praktikumsvergütung, Kettenverleih, also Ausbildung in unterschiedlichen Unternehmen, und Klärung der Schul- oder Berufsschulpflicht während eines freiwilligen Handwerksjahres“, führt Hauptgeschäftsführer Otto aus. Wenn das alles einmal geklärt ist, dann kann laut Reitz das freiwillige Handwerksjahr auch in NRW an den Start gehen. Und vielleicht wieder mehr junge Menschen für das Handwerk begeistern.