Bensberger Pfarrer„Der Zölibat sollte freiwillig sein“
Herr Pfarrer Janßen, Sie sind seit mehr als 40 Jahren katholischer Priester, mehr als 30 Jahre Pfarrer in St. Nikolaus. Wann wussten Sie, dass Sie Geistlicher werden wollten?
Das war 1963 bei den Internationalen Jugendwerkwochen in Maria Laach. Es war der Anfang der Konzilszeit, und es herrschte eine solche Aufbruchstimmung, ich erlebte eine so lebendige, vitale Kirche... da wusste ich: Ich kann mir das vorstellen. Sehr zum Schrecken meiner Eltern ist das dann auch wahr geworden. (lächelt)
Was macht für Sie einen guten Priester aus?
Er muss ein guter Theologe sein, sonst ist er eher gefährlich; und er sollte sich und die Menschen verstehen. Für die Seelsorge ist ein psychologisches Handwerkszeug absolut hilfreich.
Bei vielen Pfarrern hat man den Eindruck, dass sie notgedrungen zu Gemeinde-Managern mutiert sind. Ist das eine Überforderung?
Ich bin nur deshalb nicht verwaltungsgeschädigt, weil ich hervorragende Kirchenvorsteher und ein gut besetztes Pastoralteam um mich hatte.
Was ist charakteristisch für die beiden Gemeinden hier?
St. Joseph ist die kleinere Gemeinde. In ihr gibt es ein ganz starkes ehrenamtliches Engagement. St. Nikolaus ist dreimal so groß, auch hier gibt es viel Engagement, aber auch viel Traditionsbewusstsein. Beide bilden eine Pfarreiengemeinschaft. Ich war immer gegen eine Fusion, weil das für Moitzfeld eine Kränkung bedeutet hätte.
Haben für Sie die Kirchenaustritte dramatische Formen angenommen? Und wie gehen Sie damit um?
Es gab immer besondere Spitzen, etwa nach den Missbrauchsskandalen oder nach den Berichten über den Limburger Bischof. Diese Wellen kamen immer auch bei uns an . . . überraschenderweise auch bei den evangelischen Kollegen. Ich habe auf Austritte immer mit einem Brief reagiert und Gesprächsbereitschaft gezeigt. Manchmal hat dann auch ein Gespräch stattgefunden.
Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrer Arbeit gesetzt?
Ich habe gegen zunächst erheblichen Widerstand Mädchen und Frauen in den liturgischen Dienst eingeführt. 1982 hatten wir dann mit der neuen Pastoralreferentin erstmals eine weibliche Seelsorgerin. Ich habe mich sehr für die theologische Erwachsenenbildung eingesetzt, für das Laien-Element und das Ehrenamt, zudem versucht, die Jugendarbeit lebendig zu halten. Die Jugendarbeit war für mich früher ein Lebenselixier. Als Pfarrer musste ich sie dann leider den Kaplänen überlassen. Zudem fand ich die Kirche bei meinem Amtsantritt in einer Renovierungsphase an.
Was blieb ungelöst?
Die Gemeinde hat noch eine große Baustelle: die Seniorenarbeit. Die fünf hier existierenden Altenheime werden nicht ausreichend seelsorgerisch betreut.
Was hat Sie während Ihrer Amtszeit besonders bewegt?
Sicherlich die Notfallseelsorge. Ich erinnere mich an den Fall eines Ehepaares aus Ostdeutschland, das hier in der Stadt Ware anlieferte. Beim Entladen geriet der Mann zwischen Laderampe und rollenden Lastwagen und wurde zerquetscht. Seine Frau saß während des Unglücks hilflos im Führerhaus. Ich habe die Frau dann betreut und, weil sie nicht von hier war, über Nacht ins Gästezimmer einquartiert.
Halten Sie das Berufsbild des katholischen Priesters für zeitgemäß?
Klerikalistische Attitüden sind mit Sicherheit nicht zeitgemäß, und auch der Pflicht-Zölibat hat beim Weltpriester nichts zu suchen. Der Zölibat ist wertvoll und wichtig, sollte aber keine verpflichtende Voraussetzung sein. Dann nämlich gibt er einen unguten Filter ab: Einerseits verliert die Kirche deswegen gute Kräfte, wenn die nicht auf Familie verzichten wollen, andererseits werden dadurch auch manchmal Leute angezogen, die Beziehungsschwierigkeiten haben.
Sollten auch Frauen zum Priesterdienst geweiht werden können?
Wir haben so hervorragende Frauen als Seelsorgerinnen. Warum sie nicht ordiniert werden, ist mir ein Rätsel. Das hat nicht theologische, sondern nur kulturelle Gründe.
Wie geht man damit um, dass das Ansehen des katholischen Priesters so massiv gesunken ist?
Ich denke nicht, dass man sich heute schämen muss, sich als Priester zu outen. Ich stoße auf Wohlwollen und werde respektiert. Aber nicht in erster Linie, weil ich Priester bin, sondern weil ich der bin, der ich bin.
Würden Sie heute noch einmal dieselbe Berufswahl treffen?
Ja unbedingt. Bei allen Höhen und Tiefen: Die Entscheidung von Maria Laach habe ich nie in Zweifel gezogen.
Das Gespräch führte Stephanie Peine