Bergisch GladbachAlte Wegekreuze und Bildstöcke erinnern an Pest und Krieg
Bergisch Gladbach – Warum wurde Dietrich Rütger im Broicher Wald ermordet? Was haben Wilhelm Herkenrath und Catharina Marx erleiden müssen, ehe sie das Pestkreuz in Bensberg errichten ließen? Die Zeugen, die darüber Auskunft geben könnten, schweigen beharrlich. Denn sie sind aus Stein, und der lässt sich bekanntlich nicht erweichen. Schon gar nicht zum Plaudern. Und so lässt sich nur erahnen, dass hinter den alten Wegekreuzen, die an Menschen erinnern, die eigentlichen Schicksale verborgen bleiben.
Den Spuren dieser Kleindenkmäler ist der Architekturhistoriker und Denkmalpfleger Prof. Michael Werling durch das Stadtgebiet gefolgt. 60 Wegekreuze und Bildstöcke dokumentiert er in seiner jüngsten Publikation „Denkmale am Wegesrand. Wegekreuze, Bildstöcke und Heiligenstatuen in Bergisch Gladbach“. Systematisch nach Stadtbezirken geordnet, laden die steinernen Relikte zum Rundgang durch das Stadtgebiet und mehrere hundert Jahre der Volksfrömmigkeit ein.
Zeiten der Not und Angst
Den Impuls zur Erforschung der Wegekreuze habe das sogenannte Paas-Kreuz unweit des Konrad-Adenauer Platzes gegeben, erklärt Werling, der auch Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins ist. Der hatte das alte, verwitterte Kreuz samt Christusfigur restaurieren lassen und für die Finanzierung viele Unterstützer gewinnen können. „Das war schon spannend, weil da so viel dran hing“, sagt Werling und meint damit weniger die im Laufe der Zeit lädierte und einiger Extremitäten beraubte Christusfigur, sondern die Geschichte, die mit dem Kruzifix verbunden ist und sich noch relativ gut recherchieren ließ. Anlass, auch die an weniger markanten Stellen platzierten Kreuze genauer unter die Lupe zu nehmen.
Gemeinsam ist vielen, dass sie – wenn nicht zu reinen Andachtszwecken – häufig in Zeiten der Not und Angst oder aus Dankbarkeit für überstandene Gefahren errichtet wurden. Pest und Cholera, Schlagfluss und Blitzschlag, Mord und Totschlag waren derart schicksalhafte Ereignisse, dass die Angehörigen mit einem Erinnerungsstein eine besondere Form des Gedenkens suchten. So findet sich in Sand ein altes Kreuz, das hier nicht errichtet worden wäre, hätte Adolph Schlösser im März 1840 mehr Glück gehabt und wäre nicht beim Holzfällen von einem Baum erschlagen worden.
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Die Tradition des Wegekreuzes reicht vereinzelt bis in jüngere Tage. So ersetzte die Familie Tix in Voiskülheim 1926 ein älteres Kreuz, um dafür zu danken, dass der Sohn als Soldat den Ersten Weltkrieg lebend überstanden hatte. Nach einem Eigentümerwechsel fügten die aus Schlesien stammenden neuen Besitzer dem Kreuz eine alte Inschriftenplatte vom in der Heimat zurückgelassenen Familiengrab hinzu.
Das Bewusstsein für die ideelle Bedeutung der Denkmäler ist vielen aber offensichtlich immer weniger bewusst; mutwillige Beschädigungen nähmen zu, bestätigt Werling. „Das ist schon erschütternd.“ Umso bewundernswerter, dass etliche Menschen seit Jahren „ihr Wegekreuz, ihren Bildstock oder ihre Heiligenfigur“ liebevoll pflegten.
Michael Werling: Denkmale am Wegesrand. Wegekreuze, Bildstöcke und Heiligenstatuen in Bergisch Gladbach (Schriftenreihe des Bergischen Geschichtsvereins Rhein-Berg, Bd. 82), ISBN 978-3-96136-102-1, 15 Euro im Buchhandel.