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171.416 DateienAngeklagter wegen Sammeln von Kinderpornografie verurteilt

Lesezeit 4 Minuten
Prozess Symbolbild dpa

Im Gericht (Symbolbild)

Bergisch Gladbach – Allein schon die schiere Zahl kinderpornografischer Filme und Fotos, die der 38-jährige Angeklagte gesammelt und auf PCs und Festplatten abgespeichert hat, wirkt monströs: 171.416 Dateien nennt die Anklage.

Hinzu kommt, und das wiegt strafrechtlich deutlich schwerer, die Tatsache, dass der in einem Dorf im Rheinisch-Bergischen Kreis wohnende Mann eine ganze Reihe von Videos im Internet angeboten hat und diese auf einer Tauschbörse jeweils mehrere hundert Mal heruntergeladen wurden, bis am Ende die Polizei in seine Wohnung kam, den Stecker zog und die Computer beschlagnahmte.

Täter beschreibt im Prozess sein Innenleben

Und doch handelt es sich bei dem Täter, dieser Eindruck verfestigt sich im Laufe der Schöffengerichtsverhandlung zusehends, nicht um ein pädophiles Monster wie aus dem Bilderbuch, sondern um einen Menschen, der unter seiner für Kinderseelen zerstörerischen Neigung selbst leidet. Der nicht zum Pädokriminellen werden will. Vor 15 Jahren schon hat er sich nach Angaben seiner Verteidigerin in eine Therapie an der Berliner Charité begeben.

Gleichwohl verurteilt Schöffenrichterin Birgit Brandes den Angeklagten zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung. Und sie warnt ihn: „Noch einmal, und Sie landen im Gefängnis.“ Der füllige, mit schwarzem Hemd und blauen Jeans bekleidete Angeklagte eröffnet im Prozess Eindrücke in sein Innenleben. Geboren 1980 im Rheinland, hat er es infolge einer Lernschwäche beruflich nicht sehr weit gebracht. Er jobbt er in einem Verbrauchermarkt auf 450-Euro-Basis. „Ich bin 2005/06 nach Berlin gezogen, weil ich nicht zum Täter werden wollte“, sagt er.

Pronografie konsumiert, um nicht zum Täter zu werden

Doch ist nicht erst der aktive Missbrauch von Kindern strafbar, sondern auch Besitz und Weitergabe von Kinderpornografie. „Aus gutem Grunde“, sagt Richterin. Die Kinder in den Filmen seien missbraucht worden, und jede Nachfrage nach derartigen Videos befeuere die entsprechende Industrie.

Der Angeklagte berichtet noch mehr aus seinem Leben: „Ich habe mitbekommen, was Missbrauch bedeutet. Meine eigene Mutter ist von ihrem Vater missbraucht worden. Ich kenne das Leid und wollte nicht zum Täter werden.“ Stattdessen konsumiert er verbotene Pornografie, und das in einem Ausmaß, das ihn schließlich selbst erschreckt hat: „Ich habe Verlangen nach Kindern, ich kann es aber nicht ausleben, weil ich kein direkter Täter werden möchte. Es ist ein Teil meiner Selbst, den ich niemals ausleben darf.“

Der erste Angeklagte, der sich auf diese Weise öffne

Im Alter von 10, 11 Jahren habe er gemerkt, dass er Jungen interessanter finde als Mädchen. Er sei dann selbst älter geworden, aber die Jungen, die ihn interessierten, seien so jung geblieben. „Da wurde mir klar, dass es nicht so war, wie es sein sollte.“ Die Prozessbeteiligten – mit Ausnahme eines männlichen Schöffen ausschließlich Frauen – lassen die Bekenntnisse nicht unbeeindruckt. „Sie sind nicht der erste Angeklagte dieser Art hier, aber der erste, der sich so öffnet“, bescheinigt ihm Richterin Brandes. Ob er es wohl bis zum Ende seines Lebens ertragen könne, seine Neigung nicht ausleben zu dürfen? „Das Damoklesschwert kreist über Ihnen. Sie müssen die Finger von diesen Dingen lassen, und das wird schwer für Sie werden.“

Die Staatsanwältin fordert am Ende ein Jahr und neun Monaten und bleibt damit drei Monate unter dem Maß, ab dem eine Bewährung nicht mehr möglich ist, sowie eine Geldbuße in Höhe von 300 Euro, zu zahlen an den Deutschen Kinderschutzbund. Die Verteidigerin ist einverstanden, bittet aber darum, dass das Gericht angesichts des minimalen Einkommens ihres Mandanten keine Geldbuße verhängt.

Täter wollte Laptop gerne behalten

Am Ende gibt es Strafe und Buße, die der Angeklagte in 30 Raten abstottern kann. Auf die Rückgabe seiner Computer-Ausrüstung verzichte er, soweit sie nicht ohnehin als Tatwerkzeug eingezogen wird. Das gilt auch für den Laptop, den er aus „ideellen Gründen“ gerne zurück gehabt hätte, weil er ihn von seiner Oma einst geschenkt bekommen hatte – was ihn freilich nicht davon abhielt, dort Filme mit achtjährigen „russian boys“ beim Verkehr zu zeigen.

Bei der Anklageverlesung hatte sich die Staatsanwältin auf die Benennung von vier von 18 kinderpornografischen Videos beschränkt und dabei angegeben, wie oft sie zumindest teilweise von anderen heruntergeladen wurden: ein Video 1265 Mal, die anderen 330, 164 und 226 Mal.