„Mama, die Frau ist tot!“Betroffene Bergisch Gladbacherin warnt vor Schockanrufen
Bergisch Gladbach – Das Telefon klingelt, ein Schluchzen am anderen Ende der Leitung. Es ist der Sohn. Er braucht dringend finanzielle Hilfe. Er habe einen Unfall gehabt und eine Frau dabei tot gefahren. Eine Gladbacherin erzählt, wie sie und ihre Familie beinahe Opfer eines hinterhältigen Trickbetrugs geworden wären – obwohl sie selbst Journalistin ist. Nun will sie andere mit ihrer Geschichte warnen.
Falscher Polizist verlangte 25.000 Euro Kaution
„Mama, die Frau ist tot!“ Der Satz verfolgt Barbara N. immer noch. Auch wenn es nicht der 21 Jahre alte Sohn am Telefon war, sondern ein Betrüger, der es auf das Geld von Barbara N. abgesehen hatte. Die 59-jährige Journalistin möchte unerkannt bleiben, denn sie hat immer noch Angst: „Es war eine ganz furchtbare gewaltsame Erfahrung, die wir da erlebt haben.“ Der Sohn sitze in Bielefeld wegen eines Tötungsdelikts in U-Haft. Er sei bei Rot über eine Ampel gefahren und habe dabei eine Frau überfahren. Sie sei noch am Unfallort gestorben.
Barbara N. wurde am Telefon von dem (falschen) Polizisten aufgefordert, 25.000 Euro als Kaution für ihren Sohn zu bezahlen, dann dürfte sie ihn auf der Polizeiwache abholen und mit nach Hause nehmen. „Alles schien so authentisch. Uns ist nicht ansatzweise der Gedanke gekommen, es könne sich um einen Trick handeln. Dafür war das Ganze viel zu dramatisch. Es war die Hölle“, sagt Barbara N. und schaudert noch heute bei der Erinnerung an den betrügerischen Anruf. „Ich dachte wirklich, er ist es gewesen.“
Kein Einzelfall
Auch der älteste Sohn, er nahm seiner Mutter das Telefonat zwischenzeitlich ab, um seinen schluchzenden Bruder zu beruhigen, sei davon hundertprozentig überzeugt gewesen. Gemeinsam mit ihrem Mann folgte Barbara N. sofort allen Anweisungen: Die Eheleute gingen zur Bank, um das Geld abzuheben. Sie ließen das Handy dabei an, weil man das Gespräch aufzeichnen würde. Die Eltern informierten niemanden, die Polizei ermittle noch, hieß es. „Ich war gefangen in dem Film, was wird jetzt aus meinem Sohn? Er wird seines Lebens nicht mehr froh. Er muss ein Leben lang mit der Schuld leben, einen Menschen getötet zu haben.“
Was die Polizei rät
Die Betrugsmaschen am Telefon sind vielfältig: falsche Enkel, falsche Polizisten und andere kriminelle Tricks. Polizeisprecher Christian Tholl rät: Keine persönlichen Daten am Telefon preisgeben. Den Telefonhörer auflegen, sobald Geld gefordert wird. Den Verwandten, um den es geht, persönlich anrufen. Niemals Geld an unbekannte Leute übergeben. Die Polizei informieren, wenn ein Anruf verdächtig vorkommt. Tholl weist darauf hin, dass die gefälschten Telefonnummern, die die Betrüger verwenden, realistisch erscheinen. (ub)
Die Masche gehört zu Betrügereien, welche die Polizei unter dem Namen „Schockanruf“ zusammenfasst, eine Mischung aus Verbrechen, die man unter „Enkelbetrug“ und „Callcenter-Betrug“ kennt. Die Täter rufen vornehmlich ältere Menschen an und geben sich als Verwandte oder falsche Polizeibeamte aus. Das Ziel ist immer dasselbe: „Das Opfer unter Druck setzen und einen möglichst hohen Geldbetrag erpressen“, sagt Polizeisprecher Christian Tholl. Was Barbara N. erlebt habe, sei kein Einzelfall.
Auch im Rheinisch-Bergischen Kreis habe es in den vergangenen Monaten einige Fälle mit dieser speziellen perfiden Methode gegeben. „Oft sind die Leute so geschockt, dass sie sogar noch unfreiwillig Informationen preisgeben.“ Auch Barabara N. machte das in ihrer Panik: „Ich sprach meinen Sohn mit dem Vornamen an und fragte ihn, ob der Unfall in Bielefeld passiert sei, wo er studiert.“
Die Bank händigte ihr die 25 000 Euro aus. „Es kann ja jeder frei über sein Geld verfügen“, sagt Tholl. Die Mitarbeiter in den Banken seien aber inzwischen sensibilisiert und geschult. Mit ihren Nachfragen hätten sie schon Betrugsfälle verhindert. Aber zu Barbara N. drang die Bankangestellte nicht durch, als sie die Kundin auf die Kurzfristigkeit, die hohe Summe ansprach und auch den Enkeltrick erwähnte. „Die Angst um meinen Sohn hat mich um Kopf und Verstand gebracht“, erzählt die Gladbacherin.
Täter rufen oft mit gefälschter Nummer aus dem Ausland an
Bei Barbara N. nahm die Geschichte doch noch ein gutes Ende. „Als es plötzlich hieß, wir sollten nicht zur Wache nach Bielefeld, sondern zur Staatsanwaltschaft nach Bonn kommen, damit unser Sohn freikommt, dämmerte uns, da stimmt was nicht“. Das Ehepaar traute sich, den Schwager, einen Rechtsanwalt, einzubeziehen. „Er riet uns, zur nächsten Polizeistation zu fahren.“ Dort stellte sich schnell heraus, dass es dieses Tötungsdelikt in Bielefeld überhaupt nicht gibt. Vom Polizeirevier aus versuchte die Mutter, ihren Sohn auf dem Handy anzurufen. Er ging zuerst nicht ran. Rief aber kurze Zeit später zurück. Er wusste von nichts.
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Obwohl der Betrug vereitelt wurde, gilt es als schwierig, die Täter zu fassen. „Die Leute am Telefon sitzen oft im Ausland und rufen mit einer gefälschten Nummer an, die nicht nachvollziehbar ist. Dabei ist es technisch kein Problem, dass die 110 auf dem Display erscheint“, erläutert Tholl. Wenn überhaupt sei es gelegentlich gelungen, die Abholer zu fassen.
Im Nachhinein fragt sich Barbara N., wie sie auf diesen Fake hereinfallen konnte. Sie hat nur eine Erklärung dafür: „Als Mutter war ich in einem Ausnahmezustand, weil ich dachte, mein Kind ist in Not.“