Ein Gerichtsstreit hat Gerlinde und Gert Müllers Traum vom Wiederaufbau ihrer Back-Company im Strundepark zerstört. Es gibt dafür ein Wiedersehen in Refrath.
Zerstörter LebensplanEhepaar aus Bergisch Gladbach wagt nach der Flut einen Neuanfang
Die Strunde-Flut ist fast drei Jahre her. Das Wasser vom 14. Juli 2021 im Gewerbegebiet Strundepark an der Kürtener Straße war damals schnell wieder verschwunden. Wie davor ist für die Eheleute Gerlinde und Gert Müller aber nichts. Im Bermuda-Dreieck zwischen finanziellen Sorgen und einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter vor Gericht wären sie fast untergegangen.
Den Kampf um den Wiederaufbau ihres Bäckerei-Cafés in einem restaurierten Fabrikgebäude mussten sie aufgeben. Dafür wagen die Müllers einen Neuanfang an anderer Stelle. Am Donnerstag hat das Unternehmer-Ehepaar eine Bäckerei-Filiale in Refrath eröffnet.
Traum vom Wiederaufbau der Back-Company ist zerplatzt
Der Traum, die Back-Company – Café und Backstube mit viel Charme im Fabrikgebäude einer früheren Wollspinnerei – wiederaufzubauen, ist zerplatzt. „Das tut immer noch sehr weh. Wir haben beinahe das Vertrauen in die Menschheit verloren“, erzählt Gerlinde Müller. Sie vermeide es, an der Stelle vorbeizufahren. Aus einem Hinterhof hatte das Ehepaar einen beliebten Treffpunkt für Gladbacher Kunden und Mitarbeiter der Betriebe im Gewerbegebiet entwickelt und wollten dort trotz aller Widrigkeiten unbedingt wieder aufmachen.
Jetzt übernimmt Gert Müller stattdessen das Bäckerei-Geschäft von Helga Rappenhöner an der Dolmanstraße 47, die sich zukünftig auf ihr Geschäft in Lerbach mit großer Backstube konzentrieren möchte. Von dort beliefert sie zukünftig auch die „Refrather Backstube“ unter Müllers Regie.
Für die ungeahnte Wendung habe eine juristische Auseinandersetzung mit der Vermietergesellschaft im Strundepark gesorgt, berichtet Gerlinde Müller. Der Vermieter habe 2021 ein Verfahren vor dem Amtsgericht Köln angestrengt, um zu klären, ob der langfristige Mietvertrag der Müllers für ungültig erklärt werden kann. Diese Möglichkeit gebe es für den Fall, dass ein Wiederaufbau teurer sei, als der Wert der Immobilie, erklärt Gerlinde Müller.
„Wir waren geschockt“, sagt sie und berichtet von vielen schlaflosen Nächten wegen finanzieller Sorgen: die komplette Einrichtung und das Mobiliar zerstört, die entscheidende Elementarversicherung nicht vorhanden, Investitionskredite, die bedient werden mussten. „Hätten wir unsere Bäckerei-Filiale in Gummersbach nicht gehabt, wären wir längst insolvent“, sagt Gert Müller.
Die juristische Auseinandersetzung zog sich zwei Jahre lang über zwei Instanzen hin. „Am Schlimmsten waren das Ungerechtigkeitsgefühl und die Hilflosigkeit“, sagt Gerlinde Müller, „wir konnten doch nichts für das Hochwasser.“ Die 53-Jährige vermutet, dass die Vermietergesellschaft, den noch fünf Jahre gültigen Mietvertrag habe aufkündigen wollen, weil sie heutzutage einen höheren Mietzins würde verlangen können. Zumal der Standort im Gewerbegebiet mit der Back-Company als Gastro-Betrieb sich ja etabliert gehabt habe.
Vor dem Oberlandesgericht Köln bekamen die Müllers Recht
Am Ende bekam das Familienunternehmen zwar im Mai 2023 vor dem Oberverwaltungsgericht Köln Recht. Um sich nicht dem Risiko auszusetzen, dass die Vermietergesellschaft in Berufung geht, einigte man sich auf einen Vergleich. Vor einem Jahr stiegen die Müllers dann aus eigenem Antrieb aus dem Mietvertrag aus. Ihnen wurde klar, dass sie den Ausnahmezustand beenden mussten. „Um abzuschließen, mussten wir einen Schlussstrich ziehen“.
Immer wieder quälten sich die Müllers mit der Frage: „Haben wir die Kraft, noch einmal aufzustehen? Schaffen wir das?“ Die Abstandszahlung, die der Vermieter habe leisten müssen, sowie die Entschädigungszahlung durch die Wiederaufbauhilfe NRW würden den finanziellen Schaden nicht decken, auf dem ihre Familie sitzen bleibe, sagt Gerlinde Müller.
Das Fabrikgebäude im Strundepark steht immer noch leer
Den Ausschlag gab aber am Ende der Tatendrang von Gert Müller, ein Leben lang selbstständig: „Ein Rentnerdasein ist für mich keine Option“, betont er, während er am Tag vor der Eröffnung bei den letzten Installationsarbeiten in der neuen Bäckerei hilft.
Das Fabrikgebäude im Strundepark steht immer noch leer. „Wir sind zurzeit noch in der Prüfung, welche Nutzung dort wieder angesiedelt werden kann“, sagt Christian Gernandt, Sprecher der EGK Projektentwicklungs-&Beteiligungsgesellschaft-GmbH, die die FMZ-Strundepark GmbH als Eigentümerin der Liegenschaften vertritt. Erst wenn der richtige Mietpartner gefunden sei, werde sein Unternehmen die Fläche vollständig wieder herstellen.
Zu Mietern und juristischen Prozessen würde sein Unternehmen sich grundsätzlich nicht äußern. Die Frage, warum der Mietvertrag der Müllers aufgekündigt werden sollte, bleibt somit unbeantwortet. Alle anderen Schäden – so gut wie alle Mieter im Strundepark seien von der massiven Überflutung betroffen gewesen – seien inzwischen beseitigt.
Helferparty für alle, die 2021 mitangepackt haben
Vor der Eingangstür ihres neuen Geschäfts in Refrath stehen jetzt nur noch drei Tische, „klein, aber fein“, sagt Gerlinde Müller, „wir sind froh, dass wir die Chance ergriffen haben, nochmal etwas Neues anzufangen.“ Besonders glücklich sind die neuen Inhaber darüber, dass eine der früheren Angestellten der Back-Company sowie eine Verkäuferin aus dem Vorgänger-Laden mit zum Team gehören.
Jetzt, wo alles geregelt ist, können die Müllers ihr Verspechen einlösen, sich bei den vielen Helfern mit einer Party zu bedanken, die sie damals in der Katastrophe begleitet haben. „Dafür werde ich ein Leben lang dankbar sein“, sagt Gerlinde Müller.