Anna Krechel hat das Downsyndrom und arbeitet in einer Kita-Küche in Bergisch Gladbach.
Siebzig PfannkuchenWie eine Gladbacherin mit Downsyndrom in einer Kita-Küche arbeitet
Heute gibt es Pfannkuchen. Zu sehen ist das schon auf dem kleinen Board am Eingang zur Küche, und dort auf der Anrichte steht auch schon eine Riesenschüssel Teig bereit. Pfannkuchen für bis zu siebzig Kinder, das braucht schon seine Zeit. Für Anna Krechel ist das aber kein Problem. „Ich bin hier sehr zufrieden“, sagt sie, während sie den Teig umrührt und auch schon einen Blick auf den Nachtisch wirft: Chia-Pudding.
Anna Krechel ist 40 Jahre alt, eine kleine Frau mit großen Augen und keckem Zopf. Wenn sie durch die Kita geht, wird sie fröhlich von allen Seiten begrüßt. Hier zu arbeiten bedeutet, jeden Tag ordentlich zu tun zu haben und meistens mittendrin zu sein im Trubel: Da braucht mal jemand ein Kühlpack, da hat ein anderer einen Mückenstich, schon gibt es Mittagessen, dann muss saubergemacht werden. Die Kinder wenden sich auch oft direkt an Krechel, wenn etwas ist, darauf ist sie sichtbar stolz.
Bergisch Gladbach: Arbeit in der Kita Wilde Wiese
Anna Krechel arbeitet seit 2019 in der Kita „Wilde Wiese“, einem verwinkelten Gebäude mit großem Garten. Weil sie Trisomie 21, also das Down-Syndrom hat, ist sie über die Gemeinnützigen Werkstätten Köln an den betriebsintegrierten Arbeitsplatz gekommen. Karin Dudziak von KAI (Köln Arbeitet Inklusiv) betreut Anna Krechel zusätzlich, wöchentlich vor Ort und telefonisch.
„Am Anfang war es sicher eine Umstellung: Neue Strukturen, neues Team und viele neue Aufgaben“, erinnert sie sich. „Allerdings waren alle sehr offen und hilfsbereit, was den Einstieg und die Übergangszeit deutlich einfacher gemacht hat. Gleichzeitig hat Anna viel Interesse und Freude an der Arbeit gezeigt, wodurch sie sich schnell eingelebt hat.“
Mit Praktika hatte Anna Krechel sich zuvor in zwei anderen Jobs umgesehen, ehe sie sich für den Kindergarten entschieden hat. „Ich war beim Steuerberater“, erzählt sie, „aber das war mir einfach zu viel Computer, und in der Stadtbücherei war es wirklich nett, aber da hätte ich in der Schule etwas nachholen müssen.“ Dann folgten zweimal sechs Wochen in der Kita, und da hat es dann Klick gemacht. „Ich war unsicher und es war stressig“, sagt Anna Krechel und lächelt, „aber es war gut stressig.“
Bergisch Gladbacherin hat sich an Tagesablauf gewöhnt
Das ist inzwischen drei Jahre her. Jetzt ist Anna Krechel an ihren Tagesablauf gewöhnt; sie kommt gegen acht oder neun, dann wird erst einmal für alle Tee aufgebrüht. Sie bespricht mit dem Koch den Speiseplan, dann wird geschnippelt und gekocht, nach dem Essen gespült. Außerdem hilft sie beim Wäschewaschen und Aufräumen. Das meiste gefällt ihr sehr gut. „Letztens gab’s Eis in einer Crépe-Rolle, das fanden die Kinder toll“, erzählt sie.
Andere Gerichte wiederum bereiten auch der Küchenhilfe eher Kopfschmerzen: „Spinat“, sagt Krechel sofort und verzieht das Gesicht. „Die ganze Tellerspülerei, da muss erst jeder Teller unters Kranwasser, sonst verstopft das, dann kann man die große Maschine nicht mehr benutzen!“
Verbrannt hat sie sich auch schon, aber nur einmal etwas schlimmer. „Ich hab nicht gesehen, dass da schon Bleche drin waren“, sagt sie lapidar. Seitdem geht sie etwas vorsichtiger ans Werk.
„Ich mag mein Team sehr gerne, mit dem Koch versteh' ich mich gut und ich kann selbst Vorschläge fürs Essen machen“, fasst die 40-Jährige für sich zusammen. Zu Hause kocht sie selbst auch gerne. Dort hat sie auch gelernt, wie man mit kleinen Kindern umgeht.
„Ich hab’ selbst drei Nichten“, erzählt sie eifrig. „Da hat auch jede ihre Wünsche, die eine will den Salat mit Dressing, die nächste ohne… Daher kenn ich das.“ Sie grinst. „Pommes gehen aber auf jeden Fall immer gut.“
Vor Corona konnte Anna Krechel auch immer mal wieder zu den Kindern, eine Geschichte vorlesen, mit ihnen spielen. Corona hat den Alltag in der Kita ganz schön auf den Kopf gestellt. „Als eine in unserer Küche Corona hatte, mussten wir alle daheimbleiben“, erinnert sich Anna und macht große Augen. Dann grinst sie. „Da musste dann die Leitung beim Kochen helfen.“
Der Garten der Kita ist ein riesiger Abenteuerspielplatz voller Schlupfwinkel, Schaukeln und Rutschen. Große Holzkonstruktionen werden zum Kletterpfad, hinter dem Zaun zum Nachbargrundstück scharren ein paar Hühner. Anna zeigt ein paar Beete, pflückt ein bisschen Petersilie und Schnittlauch. Auch hier im Garten ist meistens irgendetwas aufzuräumen.
Obwohl viele Kitas mit dem Fachkräftemangel kämpfen, ist Sylke Bloek optimistisch. „Kommt darauf an, wie man damit umgeht“, sagt die Leiterin. Bislang konnten sie alle freien Stellen gut besetzen, aber mit ihrem integrativen Konzept ist die Kita „Wilde Wiese“ eben auch eine kleine Besonderheit, zu der auch Anna Krechel zählt. Für sie geht es jetzt aber zurück in die Küche. Die Pfannkuchen rufen.
Betriebsintegrierter Arbeitsplatz
Anna Krechel hat durch die besonderen Umstände ihrer Einstellung zwei Praktika bei der Kita gemacht, ehe sie dort angefangen hat. Ihr betriebsintegrierter Arbeitsplatz wird weiterhin von den GWK (Gemeinnützige Werkstätten Köln) verwaltet. In einem Kooperationsvertrag werden u. a. die Begleitung durch die Job-Coaches, das individuell vereinbarte Entgelt, die Arbeitszeiten und der Urlaubsanspruch (35 Urlaubstage pro Jahr) geregelt.