Ein Angeklagter mit Alkoholproblemen soll sich mehrfach vor Kindern entblößt haben. Doch so richtig daran erinnern, was vor anderthalb Jahren geschehen ist, kann er sich im Amtsgericht Bergisch Gladbach nicht.
ProzessExhibitionist in Bergisch Gladbach schämt sich für seine Taten

Ein Saal im Amtsgericht Bergisch Gladbach
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Am 13. Mai 2021 soll der Angeklagte sich gleich mehrfach exhibitionistisch aufgeführt haben. Erst lässt er auf dem Spielplatz nahe der Villa Zanders vor Kindern und Eltern die Hosen runter und uriniert. Er befolgt zwar einen Platzverweis der Polizei, lässt aber in Paffrath vor Kindern wieder die Hosen runter.
Und anschließend gebärdet sich der stark alkoholisierte Gladbacher auch noch gegenüber dem Bereitschaftsrichter in ungebührlicher Weise. Der Richter hat zu entscheiden, ob Karim P. (Name geändert) die Nacht über im Polizeigewahrsam bleiben muss. Nach dem Auftritt in der Vorführzelle keine Frage.
Schwerer hat es dagegen an diesem Montag Milena Zippelius-Rönz. Die Jugendschutzrichterin muss über den wiederholten Exhibitionismus des Angeklagten urteilen. Zwar ist die Tat in Paffrath an sich nicht weiter strittig: Der 49-Jährige lässt seinen Verteidiger Karl-Christoph Bode einräumen, dass er nicht bestreite, sich aber nicht mehr daran erinnern könne, was bei 1,8 Promille durchaus plausibel scheint.
Angeklagter schiebt sein exhibitionistisches Verhalten auf den Alkoholkonsum
Zudem sagt eine Passantin als Augenzeugin aus, und die Richterin verliest die Aussage von einem der Kinder. Danach habe der Mann plötzlich sein Geschlechtsteil gezeigt, was der Junge als unangenehm und ekelhaft empfand. Jedoch bekundet der Angeklagte via Dolmetscher mehrfach, dass ihm alles sehr leid tue und dass der Alkohol schuld sei. „Ich habe sonst keine Probleme mit Leuten“, sagt er und die Richterin antwortet: „Aber es gibt ein Problem, wenn Kindern Penisse gezeigt werden.“
Doch was tut man mit so einem, der womöglich aus Scham als einziger im Gerichtssaal die ganze Zeit die Maske auflässt? Der eine wüste Kindheit in einer früheren französischen Kolonie in Nordafrika erlebte, sich früh alleine durchschlug, erst nach Frankreich und dann vor 20 Jahren nach Deutschland kam, wo er nie richtig Anschluss gefunden hat? Und der nach einer Magenoperation seine Putzstelle verlor und seither noch weniger mit sich anfangen kann?
Richterin warnt den Angeklagten eindringlich
Eine Sachverständige bescheinigt Karim P. wegen des Alkohols verminderte Schuldfähigkeit, aber keinen Ausschluss derselben. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt komme nicht infrage, weil wegen der schlechten Sprachkenntnisse wenig Aussicht auf Heilung bestehe, und Psychiatrie wäre unangemessen.
Am Ende gibt es sechs Monate Haft auf Bewährung, eine enge Anbindung an einen Bewährungshelfer und die Pflicht zur Alkohol-Entgiftung und -Entwöhnung. „Das ist Ihre einzige Chance, nicht in der JVA zu landen“, gibt die Richterin Karim P. mit auf den Weg.