Bergisch Gladbachs Kämmerer Thore Eggert (FDP) hat im Finanzausschuss ein Rekordplus von 76 Millionen Euro bei den Einnahmen der Gewerbesteuer verkündet. Das sind vier Millionen Euro mehr, als zuletzt erwartet. Und 28,5 Millionen Euro mehr als für den Haushalt 2022 kalkuliert. Der Dezernent erklärt, warum ihn das nicht nur glücklich macht.
Interview zu Stadtfinanzen„Es herrscht ein Grundoptimismus in Bergisch Gladbach“
Ist das nicht ein wahrer Geldsegen für die Stadt?
Eggert: Das ist eine sehr positive Entwicklung für die städtischen Finanzen. Die größten Gewerbesteuerzahlen haben zudem positive Prognosen für 2023 abgegeben. Zum Teil rechnen diese Unternehmen mit bis zu zweistelligen Zuwachsraten. Es herrscht also ein Grundoptimismus vor.
76 Millionen Euro, das ist doch sehr viel Geld. Aber Sie sahen trotzdem nicht glücklich aus?
Sicherlich nicht so glücklich, wie man bei positiven Nachrichten aussehen sollte. Erste Reaktion: Huh! Zweite Reaktion: Hmm! Die Gewerbesteuer ist zwar eine Finanzierungssäule für den Haushalt. Sie ist aber von jeher sehr volatil. Kämmerer lieben Planungssicherheit. Und dafür kann eine Gewerbesteuer nur schwerlich einstehen.
Warum nicht? Das Geld ist doch da?
Ja, aber ich weiß zum Beispiel nicht: Wie wird die wirtschaftliche Entwicklung im nächsten Jahr sein? Wie wirkt sich das Thema der Lieferkettenproblematik aus? Welche Auswirkungen hat das Thema Fachkräftemangel? Und wie beeinflusst dies die individuellen Unternehmensergebnisse? Wenn ich für den Haushalt zu viel ansetze und das sich nicht realisieren lässt, habe ich ein Problem. Ich müsste etwaig geplante Ausgaben und Investitionen streichen.
Aber Sie haben doch positive Rückmeldungen der Gladbacher Unternehmen?
Das stimmt. Um meine Sorge noch einmal auf den Punkt zu bringen: Ich kann nicht in die Glaskugel gucken. Natürlich hilft mir der zusätzliche Ertrag zur Verbesserung des geplanten Jahresdefizits und stärkt bei einem positiven Jahresergebnis die Rücklagen. Und über diesen „Sparstrumpf“ sind wir besser für die Zukunft gewappnet. Als Kämmerer sehe ich das aber als Einmaleffekt. Wir werden einen Wert in den Haushalt 2023 einstellen, der sich an dem verbesserten Ergebnis orientiert. Aber sicherlich niedriger als dieser Wert. Er ist ein Sicherheitsabschlag sozusagen.
Sind Sie da nicht zu ängstlich?
Finanzplanung hat nichts mit Ängstlichkeit, aber mit Vorsicht zu tun. Aber nicht bar jeden Optimismus. Es ist eine Mischung aus der Freude darüber, dass die Gewerbesteuer in diesem Jahr so „gesprudelt“ ist und eben dem Zukunftsblick, wo wir sagen, in diesen unsicheren Zeiten können wir unseren Haushalt darauf nicht aufbauen.
Bewahrt dieses unerwartete zusätzliche Geld die Stadt davor, 2023 ins Haushaltssicherungskonzept zu rutschen?
Da würde ich noch um etwas Geduld bitten. Am Dienstag wird der Haushalt eingebracht, dann kann ich diese Frage offen beantworten. Die Gewerbesteuerentwicklung werden wir natürlich einpreisen. Aber wir werden nicht alleine dadurch einen nachhaltig und dauerhaft ausgeglichenen Haushalt erreichen. Die Differenz zwischen Aufwendungen und Erträgen, die besteht ja weiterhin. Auch wegen des hohen Sanierungsbedarfes und der veränderten Stadtentwicklungsziele. Primärziel muss es sein, dass unsere Gesamthaushaltssituation gesundet.
Noch mal etwas anderes. Sie sind ja durch die Koalitionsabsprache in das Amt gekommen. Die Koalition gibt es nicht mehr. Fehlt Ihnen jetzt der Rückhalt, um ihre Aufgaben erfüllen zu können?
Nein, das empfinde ich nicht so. Für mich ändert der Ausstieg der FDP aus der Koalition nichts in meiner Arbeit und Zielsetzungen im Amt. Ich bin ja nicht der Kämmerer der FDP oder der Ampel, sondern der Kämmerer der Stadt Bergisch Gladbach.
Aber Ihnen fehlt doch jetzt eine stabile Mehrheit im Rat?
Natürlich agiert man mit einer festen Gestaltungsmehrheit anders und bekommt andere Impulse als bei Themenstellungen, bei denen die Mehrheiten noch nicht feststehen. Aber dies führt aus meiner Sicht zwangsläufig zu einem höheren Grad der Sachorientierung, zu einer besseren Qualität der demokratischen Entscheidung. Ich bin optimistisch, dass dies im politischen Konsens gelingen wird.