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„Nur die Geigen sind geblieben“Gladbacher Musiker erwirbt Instrument von Holocaust-Opfer

Lesezeit 3 Minuten
Roman Salyutov steht an einer Wand hinter Alexander Lifland, der auf der historischen Geige spielt.

Dr. Roman Salyutov (l.) hat die Geige gekauft, Alexander Lifland spielt nach Jahrzehnten wieder auf dem Instrument.

Roman Salyutov, Dirigent des Sinfonieorchesters Bergisch Gladbach und russischer Jude, plant eine Ausstellung mit der historischen Geige.

Dr. Roman Salyutovs Ausführungen über seine Recherche zu dieser Geige zu folgen, ist gar nicht so leicht. Dutzende Gespräche, Reisen und Suchen in Archiven hat der Dirigent des Sinfonieorchesters Bergisch Gladbach unternommen, um die Geschichte dieses besonderen Instruments und seines ehemaligen Besitzers aufzuarbeiten.

Der Bergisch Gladbacher, selbst russischer Jude, ist seit rund einem halben Jahr im Besitz der Geige von Izak (später Igor) Orloff, eines ebenfalls russisch-jüdischen Musikers, der im Holocaus ermordet worden ist. Mit diversen Partner (VHS, Bergischer Löwe, Ganey Tikva Verein, Forum Alma Rosé, Deutsch-Israelische Gesellschaft Köln, Haus der Geschichte Wien, Bensberger Bank) bringt Salyutov am Mittwoch, 25. Januar, 19 Uhr, die Ausstellung „Nur die Geigen sind geblieben“ nach Bergisch Gladbach. Dort stellt der Musiker die Geschichte des Instruments vor und die besondere Geige soll erstmals nach der Nazi-Besatzung in Frankreich 1940 öffentlich gespielt werden.

Bergisch Gladbacher Musiker von Künstler angeschrieben

Die Geschichte der Geige, die von Musikstücken – mal solo, mal mit Piano, mal im Trio – und literarischen Einlagen umrahmt wird, ist eingebettet in „Nur die Geigen sind geblieben“. Die Ausstellung ist eigentlich in Österreich beheimatet und zeigt das Leben des jüdischen Geigers Arnold Rosé und seiner Tochter Alma. Rosé war Mitglied der Wiener Philharmoniker und hat den Holocaust überlebt.

Im Sommer war Salyutov von einem inzwischen in Hamburg lebenden ungarisch-jüdischen Musiker und bildenden Künstler angeschrieben worden. Er hatte das Instrument vom Enkel von Lola Grün, einer Holocaust-Überlebenden, bekommen, die mit dem ursprünglichen Besitzer der Geige, Izak Orloff, lange zusammengespielt hat.

Die Beteiligten des Projekts stehen in einer Reihe.

In Zusammenarbeit mit vielen Beteiligten hat Salyutov (r.) die Ausstellung in Bergisch Gladbach organisiert.

Der Musiker aus Hamburg wollte, dass die Geige in jüdische Hände gelangt und nicht im Museum ausgestellt wird. Das waren die Bedingungen, die er an Salyutov stellte, bevor er ihm die Geige für einen niedrigen vierstelligen Betrag verkaufte. „Ich hab ihm sozusagen die Reparaturarbeiten für die historische Geige bezahlt“, sagt der Gladbacher Dirigent über den Preis. Verschiedene Geigenbauer hätten den Wert auf 5000 oder 6000 Euro beziffert. Aber vom materiellen Wert, will Salyutov sowieso nichts wissen: „Sie hat einen anderen Wert, einen historischen Wert.“

Die Geige wird gespielt. Denn das Instrument ist alles, was von dem Musiker geblieben ist. Sie kann von Orloff erzählen.
Roman Salyutov, Musiker aus Bergisch Gladbach

Salyutov ist wichtig: „Die Geige wird gespielt. Denn das Instrument ist alles, was von dem Musiker geblieben ist. Sie kann von Orloff erzählen.“

Izak Orloff, das haben Salyutovs Recherchen ergeben, wurde 1884 bei St. Petersburg geboren. Anfang des 20. Jahrhunderts, nach der russischen Revolution, kam der Musiker nach Westeuropa und besuchte unter anderem einen Benjamin Orloff, vermutlich sein ein Jahr jüngerer Bruder, in Frankreich. Auch in Quellen aus Berlin taucht Izak Orloffs Name auf. Dort hat der Musiker wahrscheinlich Lola Grün kennengelernt.

Roman Salyutov zeigt ein Plakat, das in der Ausstellung zu sehen sein wird.

Hochformatige Plakate wie diese werden auf Notenpulten und Tischen zu sehen sein.

Bis zur Besatzung Frankreichs 1940 spielten Orloff und Grün zusammen in einem sechsköpfigen Ensemble. Orloff wurde entweder auf dem Weg nach Auschwitz oder kurz nach der Ankunft im Konzentrationslager ermordet. Das schließt Salyutov daraus, dass in den KZ-Listen sein Name nicht weiter auftaucht.

Noch vor seinem Tod übergab er Lola Grün die Geige, die sie bis zu ihrem Tod aufbewahrte und anschließend an ihren Enkel weitergab. Sie wurde in der heutigen Ukraine geboren, war Jüdin mit deutscher Staatsbürgerschaft, wurde ins KZ Buchenwald deportiert.

Nach der Ausstellungseröffnung in Bergisch Gladbach, bei der Alexander Lifland vom Beethoven-Orchester Bonn, ein russisch-israelischer Jude und Freund von Salyutov, auf dem Instrument spielen wird, reist die Geige auch nach Auschwitz. Dort wird sie bei einer Gedenkveranstaltung in einem Begegnungszentrum erklingen.