Das Bestreben des Landes NRW, nach der 2021er-Flut schnell zu helfen, hat ein Gaunerpärchen aus Bergisch Gladbach schamlos ausgenutzt.
BewährungsstrafePaar aus Bergisch Gladbach ergaunert bei Fluthilfe Zehntausende Euro
„Ich werde in vier Wochen Papa“, beschreibt der 36-jährige Gladbacher auf der Anklagebank seine Zukunftsperspektiven und blickt beseelt nach rechts. Dort hat seine zwei Jahre jüngere und im achten Monat schwangere Partnerin Platz genommen. Das baldige Familienglück soll auch ein Grund dafür sein, weshalb der Einzelhandelskaufmann mit seinem bisherigen Leben gebrochen und ein umfassendes Erzbetrüger-Geständnis abgelegt hat.
Gewerbsmäßigen Betrug in 21 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft Friedhelm P. (Name geändert) vor. Elfmal hat er das Land Nordrhein-Westfalen abgezockt, das nach der Flutkatastrophe von Juli 2021 schnell und unbürokratisch helfen wollte und dabei von Friedhelm und seiner Freundin Carola W. getütet wurde. Die anderen zehn Betrügereien hat er alleine begangen, indem er iPhones, PCs und sogar eine Rolex auf Ebay anbot, das Geld kassierte, aber nicht lieferte.
Nach Rückfrage flog der Betrug auf
Größter Einzelposten beim Betrug am Land NRW war ein Antrag über 19 500 Euro Flut-Soforthilfe, den Friedhelm P. Anfang 2022 bei der Stadt Bergisch Gladbach einreichte. Schon acht Tage später bekam er das Geld überwiesen. Die weiteren zehn Anträge haben die beiden Gauner im Juli und August 2021 unter falschen Namen gestellt; dabei ging es um Beträge zwischen 1500 und 3500 Euro, die ebenfalls „schnell und unbürokratisch“ überwiesen wurden.
Insgesamt ging es um 38.000 Euro Steuergelder. Zum Verhängnis wurde dem Gaunerpaar, dass die beteiligten Ämter – Stadtverwaltung Bergisch Gladbach und Bezirksregierung Düsseldorf — einmal eine Rückfrage bei einem angeblichen Flutopfer hatten und sich die angeblich Geschädigte wunderte, dass sie doch gar keinen Antrag gestellt habe.
Bergisch Gladbacher war auch als Ebay-Betrüger unterwegs
Im Prozess bekennt sich Friedhelm P. dazu, dass er seine bis dahin unbescholtene Partnerin, eine Bürokraft, mit in die Sache mit der Fluthilfe hineingezogen hat. Für den zweiten Teil der Taten zeichnet er allein verantwortlich: Immer wieder verkaufte er 2022 und 2023 hochwertige Elektronik-Produkte.
In Dresden wie in Hamburg, in Neuss wie in Wiesbaden leben Menschen, die sich vermutlich bis heute schwarz darüber ärgern, dass sie einem Unbekannten vierstellige Euro-Beträge überwiesen haben, die sie mangels Masse wohl so schnell nicht wiedersehen werden.
Paar lebte über seine Verhältnisse
Mit den höchsten Verlust hatte ein Rolex-Liebhaber aus Neuss, der 5700 Euro anzahlte und nie erfahren hat, wo er den Chronographen im Tausch für die restlichen 10.000 Euro erhalten würde. Getoppt wurde sein Verlust durch den einer Autofirma, der Friedhelm P., sein Auto für 11.000 Euro verkaufte, um es dann zurückzumieten – aber keine Miete zahlte. Der Gesamtschaden bei den zehn Nicht-Flut-Betrügereien summierte sich auf 28.100 Euro.
Das Paar habe über seine Verhältnisse gelebt, geben die Verteidiger zu Protokoll. Friedhelm P. sei zudem spielsüchtig und habe sich inzwischen als Spieler sperren lassen. „Es war einfach, aber das entbindet sie nicht von ihrer Verantwortung“, sagt Verteidiger Ingo Lindemann weiter. P. selbst, vielfach vorbestraft, umreißt seine Pläne so: „Ich möchte einfach nur meine Zeit mit meinem Kind verbringen und mein weiteres Leben genießen.“
Strafe knapp unter der Bewährungsgrenze
Am Ende verurteilt das Schöffengericht Carola W. zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Friedhelm P. darf sich ebenfalls ein weiteres Mal bewähren: Er bekommt ein Jahr und neun Monate, knapp unter der Zwei-Jahres-Grenze für Bewährungen.
In beiden Fällen folgen Richterin Birgit Brandes und die Schöffinnen dem Antrag der Anklägerin. Zudem verfügt das Gericht die Wertersatzeinziehung – der Staat holt das Geld für die Opfer, in diesem Fall also auch für sich selbst, zurück, wenn etwas zu holen ist. Das Urteil wird sofort rechtskräftig.