AboAbonnieren

„Auf Messers Schneide“Das sagen türkischstämmige Gladbacher vor der Wahl in der Türkei

Lesezeit 3 Minuten
Hasan Ata, Inhaber des  Teppichgeschäfts Gonau. Er hält zwei Fahnen in den Händen, eine türkische und eine deutsche.

Wenig Grund zur Aufregung angesichts des Wahlsonntags sieht Hasan Ata, der in seinem Geschäft in der unteren Hauptstraße auch Fahnen anbietet.

Am Sonntag wird in der Türkei gewählt. Die türkischstämmige Gemeinschaft in Bergisch Gladbach erwartet den Wahlausgang gespannt.

Gespannt blicken die Menschen mit türkischen Wurzeln auf den bevorstehenden Wahlsonntag in der Türkei, das gilt auch für die türkischstämmige Gemeinschaft in Bergisch Gladbach. „Es steht auf Messers Schneide“, sagt Handan Çetinkaya-Roos vom Integrationsrat über den Ausgang der Parlaments- und Präsidentschaftswahl. Sie stellt in der Wählerschaft „zwei Lager“ fest.

Dabei gebe es „eine große Mehrheit“, die davon ausgehe, dass das schwere Erdbeben vom Februar „Auswirkungen auf das Wahlverhalten“ haben werde. „Wir haben eine Türkei in Trümmern“, sagt Çetinkaya-Roos mit Blick auf die Zerstörungen durch das Beben, es sei eine „riesige Fläche“ betroffen. „Da ist eine Menge aufzuräumen.“ „Nicht nur bei den Trümmern des Erdbebens, sondern leider auch in Sachen Demokratie ist eine Menge zu tun“, so Çetinkaya-Roos. „Diese Wahlen spielen in diesem Prozess eine wesentliche Rolle“, stellt sie fest. Dass es zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern zu „Animositäten“ kommen könne, auch in Bergisch Gladbach, sei normal, findet sie. Sie empfiehlt, miteinander zu diskutieren.

Türkei-Wahl: Bundestagsabgeordnete Durdu erwartet keine Manipulationen

Wenig Grund zur Aufregung sieht dagegen Hasan Ata, der ein Geschäft für Teppiche und Haushaltswaren samt Reisebüro betreibt. Über mögliche Versuche, die Wahl zu manipulieren, macht er sich keine Sorgen. Ata ist überzeugt: „Am Montag ist alles wieder okay.“ Dass er bei der Wahl des Präsidenten den Amtsinhaber Erdoğan bevorzugt, verhehlt Ata nicht. „Er soll weitermachen“, empfiehlt er. Erdoğan solle die aktuellen Probleme lösen, insbesondere der Wiederaufbau nach dem Erdbeben solle in seiner Regie bleiben. Ata geht davon aus, dass der Wiederaufbau in einem Jahr abgeschlossen sein werde, wie von Erdoğan angekündigt: „Hundertprozentig“, sagt er. In drei, vier Jahren, könnten anstelle von Erdoğan „andere weitermachen“.

„Neugierig“ auf den Wahlausgang zeigt sich auch die örtliche Bundestagsabgeordnete Tülay Durdu. „Ich kann keine Prognose abgeben“, sagt die SPD-Politikerin. „Das Land ist wirklich sehr facettenreich.“ Das Erdbeben, die Folgen von Corona, Arbeitslosigkeit und Hyperinflation seien die wesentlichen Themen für die Menschen in der Türkei. „Auf der anderen Seite hoffen viele Menschen, dass es wieder bergauf geht“, stellt sie fest. Gravierende Manipulationen der Wahl erwartet auch Durdu nicht, sie gehe davon aus, dass „alles korrekt laufen“ werde. So habe insbesondere die letzte Kommunalwahl gezeigt, dass auch Nachzählungen am Wahlsieg des Oppositionspolitikers Ekrem Imamoğlu in der Metropole Istanbul nichts ändern konnten.

Eine klare Prognose für den Ausgang der Parlaments- und Präsidentschaftswahl hat Nazmi Kocyigit vom Verein Bildungs- und Kulturzentrum, der am Schlodderdicher Weg aktiv ist. Mit Blick auf Präsident Erdoğan sagt Kocyigit: „Er wird auf jeden Fall verlieren.“ Das stimmt den Vertreter des Vereins, der auch eine Organisation für kurdische und türkische Alevitinnen und Aleviten ist, optimistisch.

Sorgen macht sich Kocyigit aber darüber, dass Erdoğan eine Wahlniederlage womöglich nicht akzeptiert. Er habe Militär und Polizei unter seiner Kontrolle, könne auch auf Milizen zurückgreifen. Denkbar sei, dass er die Wahl für ungültig erklären lasse. Oder dass er wegen Protesten und einer unsicheren Situation den Ausnahmezustand erkläre – und die Macht einfach behalte. Dass ein solcher Konflikt mit der Opposition auch für Probleme in Bergisch Gladbach sorgen könnte, erwartet Kocyigit nicht. In Amsterdam habe es eine Schlägerei in einem Wahllokal gegeben. In Bergisch Gladbach sieht er dafür „null Prozent“ Wahrscheinlichkeit.