Zehntausende feierten vor 70 Jahren mit dem Sportverein SV 09. Die Bilder von damals zeigen, wie die Mannschaft empfangen wurde.
RückblickAls Bergisch Gladbach Deutscher Amateur-Fußballmeister wurde
Dunkelheit liegt schon lange über dem Gladbacher Marktplatz, aber ans Schlafen denkt keiner der Fußballfans. 30.000 Menschen sollen es gewesen sein, die alle mit rotweißen Vereinswimpeln ihren deutschen Fußballmeistern zujubeln. Sie harren so lange aus, bis ihre Lieblinge weit nach halb zehn auf dem Rathausbalkon zu sehen waren. Als die Spieler endlich erscheinen, steigen Böller in die Luft, Menschen liegen sich in den Armen.
Heute vor 70 Jahren feiert der Sportverein SV 09 Bergisch Gladbach den größten Erfolg in seiner Vereinsgeschichte: den Gewinn der Deutschen Amateur-Fußballmeisterschaft, neben dem Titel für die Verbandsspieler die höchste Ehre im deutschen Fußball. Im Finale im Wuppertaler Stadion Am Zoo ringen die Gladbacher den Konkurrenten vom Niederrhein, den Homberger SV, in einem dramatischen mit 3:2-Toren nieder.
Für alle, die ihn miterleben, war dieser 28. Juni 1953 ein denkwürdiger Tag. Bergisch Gladbach im Fußballrausch. Damals kannte jeder die Namen der Sieger-Elf. Toni Höffken und Hänschen Brück auf den Flügeln, Werner Förling im Sturmzentrum, Spielertrainer Josef „Jupp“ Werheid als Kapitän und Mittelfeldgestalter, Hans Hinden im Tor. Dann noch Stephan Hochgeschurtz, Toni Ullmayer, Heinz Esser, Max Tim, Heinz Blum und Günter Hartmann.
Die Mannschaft des SV 09 kam von Oberhausen
Als „Rote Teufel vom Kradepohl“ waren sie weithin gefürchtet, im Fußball-Mittelrhein konnte keiner mit ihnen mithalten. In den Wochen zuvor fachsimpelten die Fans am legendären Zeitschriften-Büdchen von Peter Keppel und im nicht minder bekannten Zigarrenladen von Maria Meurer, ob Höffken und Brück wohl eine Chance im Endspiel hätten.
Höffken ist 1951 von Rot-Weiß Oberhausen ins Bergische gekommen und mit Wucht eingeschlagen. Der damalige SV09-Präsident Heinz Mohr hatte ihn schon bei seiner vorherigen Station bei Arminia Bielefeld kennengelernt und beharrlich um ihn geworben.
Für 50 Mark im Monat schnürt Höffken seine Fußballschuhe, damals ist Fußball ein Nebenerwerb. Höffken & Co. spielen auf Asche auf dem berühmten Platz am Kradepohl im Stadtteil Gronau, heute Parkplatz am S-Bahn-Haltepunkt Duckterath. Als Meisterprämie gibt es 75 Mark für jeden Spieler und eine einwöchige Reise nach Wiehl. Die Stadt schenkt jedem eine in Silber eingefasste Ehrennadel, vom Deutschen Fußballbund gibt es Siegerwimpel und vergoldete Erinnerungsanstecker.
Trainingslager in der Markusmühle
Am Tag vor dem Endspiel hatten sich die Spieler schon aufgemacht zum letzten Trainingslager in der Markusmühle in Burscheid. Kahnfahren zur Entspannung war dort angesagt, Skatklopfen und ein paar Laufeinheiten. Am Sonntagmorgen die Weiterfahrt nach Wuppertal, ein rotweißer Konvoi ist an diesem Tag unterwegs.
Mit Bussen, Autos und Fahrrädern machen sich die Gladbacher auf den Weg, und vom Gladbacher Bahnhof setzt sich ein Sonderzug in die bergische Schwebebahn-Metropole in Gang. „Da waren sicher 800 Leute im Zug drin“, erinnert sich Kajo Höffken, der Sohn des Kapitäns. Sechs Jahre alt war er damals, die Bilder des Juni-Tages in Wuppertal hat er heute noch präsent. 5000 Fans der „Roten Teufel“ sind um 15 Uhr, zum Anpfiff, im Stadion. Und sie machen einen höllischen Lärm. Klar, es sind ja „Rote Teufel“.
Toni Höffken hatte seine Mannen mit 45 Toren zur Meisterschaft am Mittelrhein geschossen. Sagenhafte 162 Tore erzielen die „Roten Teufel“ in der Meisterschaftsrunde, in der Liga siegten die Gladbacher mit fünf Punkten vor Fortuna Köln.
Und dann wartet die Finalrunde. Seit 1951 ermitteln die 16 Landesmeister einen deutschen Titelträger, und auch hier machen die Gladbacher einen Durchmarsch. Hockenheim 08, Schifferstadt und Villingen 08 sind in der Gruppenphase die Gegner, sie werden alle besiegt. Im Halbfinale geht es auf dem „Bieberer Berg“ in Offenbach gegen den VfL Sindelfingen.
Mit 4:0 gewinnen die Gladbacher, der Weg ins Finale ist frei. Das Ergebnis ist bekannt: Hänschen Brück, der Wirt der Gaststätte Flora, gelingt in der 84. Minute der Meisterschuss. Und im Meer der rotweißen Flaggen gibt es kein Halten mehr.
„Ein dreifaches Hipp, Hipp Hurra“ ruft nach dem Schlusspfiff DFB-Präsident Peco Bauwens auf die Bergisch Gladbacher aus. Kapitän Toni Höffken ist es, der die begehrte Trophäe, den Carl-Riegel-Wanderpokal, entgegennimmt, benannt nach dem gleichnamigen deutschen Fußballnationalspieler.
Von 1951 bis 1998 wird der Pokal an den jeweiligen Deutschen Amateurmeister überreicht. Mit Einstellung der Meisterschaftsserie kommt sie ins Deutsche Fußballmuseum nach Dortmund.
Wer den Pokal heute sieht, muss wissen: Auch die Spieler vom Spielverein 09 aus Bergisch Gladbach haben ihn in Händen gehalten.