Bergisch GladbachWie das Zanders-Wohnhaus in die Gronauer Waldsiedlung kam
Bergisch Gladbach – Manche Häuser haben ihre Geheimnisse - und die geben sie nicht auf den ersten Blick preis: Das Haus an der Ecke Richard-Zanders-Straße und Gronauer Waldweg ist nicht wirklich auffällig und dennoch blieb der Blick des Denkmalpflegers und Architekturprofessors Michael Werling am Gebäude hängen, als er die Gronauer Waldsiedlung für den vor zwei Jahren geplanten Denkmalpflegeplan der Stadt begutachtete. „Es hat mich irritiert, weil es mit seinem Fachwerk so ganz anders aussah als die umgebende Bebauung der Siedlung“, erinnert sich Werling.
Ein Haus mit zwei Leben
Ein Haus, das an dieser Stelle seltsam deplatziert wirkte – ein Gefühl, das sich bei näherer Betrachtung im Wortsinn bestätigen sollte. Denn in seinem ersten Leben war das Gebäude Teil des Mühlen-Ensembles an der wenige hundert Meter Luftlinie entfernten Gohrsmühle und damit einstiges Wohnhaus der Papierfabrikanten-Familie Zanders.
Mit Unterstützung des Stadtarchivs und dessen Quellen legte Werling die Architekturgeschichte des Gebäudes frei – seltenes Beispiel einer frühen Translozierung in Bergisch Gladbach.
Gebäude stand im Weg
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit des industriellen Umbruchs. Die Produktionsstätten wuchsen rasant, die Repräsentationsansprüche von Fabrikanten auch. Dem stand das alte Mühlengebäude im Weg, das 1796 an der Strunde errichtet worden war, „nachdem der Vorgängerbau bis auf die Grundmauern abgebrannt war“, so Werling.
Wie eine Abbildung aus dem Jahr 1852 zeige, sei es Teil eines Ensembles gewesen, bestehend aus der Mühle, die durch zwei Wasserräder betrieben wurde, einem Produktions- und Lagergebäude sowie dem eigentlichen Wohnhaus.
Kein Abbruch sondern Translozierung
Letzteres musste 1898 mit dem Umbau des Geländes an der Gohrsmühle von einer noch in Teilen vorindustriell geprägten Wohn- und Produktionsstätte zum reinen Fabrikstandort weichen, während sich die aufstrebende Unternehmerfamilie mit der Villa Zanders und Haus Lerbach weit exklusivere Behausungen bauen ließ.
„Das Stammhaus aber wurde nicht einfach niedergelegt, wie es in vielen ähnlich gelagerten Fällen geschah“, führt Werling aus, der gerade an einer Publikation über „Die Fabrikbauten auf Gohrsmühle“ arbeitet und erste Teilergebnisse im Juni im Rhein-Berg-Kurier veröffentlichen wird.
Gebäude versetzen, um einen Totalverlust zu verhindern
Als Translozierung bezeichnet die Baudenkmalpflege ein Verfahren zur Versetzung von Gebäuden. Dazu wird das Objekt zunächst dokumentiert, dann abgebaut und anschließend an anderer Stelle möglichst originalgetreu wiederaufgebaut. Die Translozierung kommt häufig zum Einsatz, wenn ein bedeutendes Baudenkmal einem Bauvorhaben im Wege steht oder in ein (Freilicht-)Museum versetzt werden soll.
Das Verfahren ist in der Denkmalpflege nicht unumstritten, wird aber akzeptiert, um einen Totalverlust des Objektes zu verhindern. Kritisch werden unter anderem der bei jeder Versetzung nicht zu vermeidende Verlust historischer Bausubstanz gesehen und die Trennung der gewachsenen städtebaulichen, siedlungs- und sozialgeschichtlichen Bezüge.
Als frühes Beispiel einer Translozierung gilt die 1844 aus Norwegen umgesetzte hölzerne Stabkirche, die im damals schlesischen Brückenberg wiedererrichtet wurde. Weltbekannt ist der ägyptischen Tempel von Abu Simbel, der in den 1960er Jahren versetzt wurde, um die Überflutung durch einen Staudamm zu verhindern. (spe)
Statt Abbruch wurde die Baukonstruktion der oberen Stockwerke abgebaut und im nahen Gronau wieder aufgebaut. „Dort entstand auf Initiative des sozial aufgeschlossenen Unternehmerehepaares Richard und Anna Zanders gerade das zukunftsweisende Wohnprojekt Gartensiedlung Gronauer Wald“, führt Werling aus, mit modernen Wohnverhältnissen für Arbeiter und Angestellte.
Zanders-Haus als erster Teil der Waldsiedlung
Eines der beiden ersten Gebäude – und damit eine der Keimzellen der Siedlung – war das translozierte Zanders-Haus von der Gohrsmühle. „Haus- und Hofarchitekt“ Ludwig Bopp sorgte für die Wiedererrichtung und den Umbau des Hauses in ein Doppelhaus für Angestellte der Firma Zanders. Gleiches geschah mit dem historischen Fachwerkhaus Unterlerbacher Hof, der dem Neubau des Hauses Lerbach weichen musste. Auch er wurde abgebaut und am Gronauer Waldweg 32/34 wieder aufgebaut.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Eine durchaus nachhaltige Vorgehensweise“, bewertet der Architekturhistoriker. „Die Tatsache, dass die beiden Gebäude nicht einfach nur gnadenlos abgerissen, sondern die hölzernen Gefüge transloziert wurden, war sicherlich nicht nur einem wirtschaftlichen Kalkül geschuldet, sondern hatte etwas mit dem Respekt vor der Lokalgeschichte dieser alten Bausubstanzen und damit auch mit einer gewissen Heimatverbundenheit der Familie Zanders zu tun.“
Unter Denkmalschutz steht das ehemalige Haus Gohrsmühle nicht. „Dafür ist es baulich zu stark verändert“, beurteilt Werling. Erhaltenswert sei das Haus mit bewegter Geschichte aber allemal.