Zweifel am VerwesungszustandGrabkammern werden möglicherweise 2019 geöffnet
- 2004 richtet die Stadt auf ihrem Friedhof am Refrather Weg neuartige Begräbnisstätten ein
- Nach 15 statt 30 Jahren soll der Leichnam verwesen, das Grab anschließend für eine neue Belegung frei werden
- Vorfall in Bonn lässt Zweifel am System aufkommen: Leichname waren nach Ablauf der 15 Jahre nicht vollständig verwest
Bergisch Gladbach – Bei Grabkammern denken die meisten sofort an Pharaonen, an Pyramiden und das alte Ägypten. In diesem konkreten Fall liegt man damit aber falsch. Auch auf dem Friedhof am Refrather Weg im Stadtteil Gronau sind Grabkammern ein Thema. Und das schon seit über 14 Jahren.
Das ist spannender als man vermuten könnte: Möglicherweise werden die Gronauer Gräber im nächsten Jahr geöffnet, um den Verwesungszustand der Leichname zu kontrollieren. Das ist die eigentliche Geschichte.
Fangen wir vorne an. 2004 richtet die Stadt auf ihrem Friedhof am Refrather Weg neuartige Begräbnisstätten ein: Grabkammern mit verkürzter Ruhezeit. Später kommen solche Kammern auf dem Herkenrather Friedhof hinzu. Nach 15 statt 30 Jahren soll der Leichnam verwesen, das Grab anschließend für eine neue Belegung frei werden. Kürzere Ruhezeiten bedeuten auch einen niedrigeren Erhaltungsaufwand für die Stadt. Die Investitionen für die Kammern habe man nach zwölf Jahren wieder reingeholt, sagt die Stadt. Die Friedhofsgebühren sinken, den Turbogräbern sei Dank.
Hygienisch optimale Verhältnisse
In der Sprache der Friedhofsverwaltung ist von Flachgrabkammern (270 Stück) und Tiefgrabkammern (121 Stück) die Rede. Dem Laien müssen diese Begriffe erklärt werden . Es handelt sich um ein patentiertes System mit Beton-Grabkammern. Die Kammern sind rechteckige Elemente aus Beton und jeweils 2,36 Meter lang, 1,00 Meter breit und 75 Zentimeter hoch. Bei einem Tiefgrab werden zwei Elemente, bei einem Flachgrab wird ein Element benötigt. Abgedeckt werden die Kammern mit Deckelplatten, die für das Öffnen und Schließen bewegt werden können. In den Deckelplatten der Kammern finden sich Filtergehäuse mit Aktivkohlefilter für die Be- und Entlüftung. „Das sorgt für hygienisch optimale Verhältnisse“, lobte die Stadt das neue System bei der Einführung. Verwesung leichtgemacht, könnte man dazu auch sagen. Andere sprechen von Turbogräbern.
Bestattungsvarianten
Die Bestattungskultur hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Sie ist vielfältiger geworden, zu den traditionellen Bestattungsformen Sarg und Urne sind eine Reihe von Alternativen getreten, oft mit weniger pflegerischem Aufwand für die Angehörigen verbunden.
Auf dem Friedhof Gronau, Refrather Weg, bietet die Stadt neben der Bestattung im Kammer,- Erd- oder Urnengrab auch ein Urnen-Reihengräber im Grabbeet sowie anonyme Urnengräber auf einer Wiese an. Hier besteht auch die Möglichkeit einer Namenstafel an einer zentralen Gedenkstätte. Einen Begräbniswald hat die städtische Friedhofsverwaltung an der Reuterstraße angelegt. Möglich ist dort unter anderem die Nutzung eines Familienbaums für künftige Bestattungen von Angehörigen. Auch Aschengräber bietet die Stadt im Begräbniswald an. (cbt)
Seit 2004 tickt jetzt die 15-Jahres-Frist. Mitte 2020 laufen die ersten Grabkammern ab. Und dann? Bei der Stadt richtet Martin Rölen aus der Pressestelle der Stadt aus, dass man von einem Funktionieren des Systems ausgehe. Die Stadt verlasse sich auf die Angaben des Herstellers der Grabkammern. „Wir haben keinen Grund zu zweifeln.“ Ob nach 15 Jahren die Leichen tatsächlich verwest sind, lässt sich allerdings mit letzter Sicherheit nur bei einer Öffnung der Kammer feststellen. Dazu will der Sprecher nichts sagen. Momentan gebe es keinen Anlass, an eine Öffnung zu denken.
Was allerdings zu denken gibt, ist ein Vorfall in Bonn: Dort hatte das städtische Friedhofsamt auch auf das Kammersystem mit 15-Jahres-Frist gesetzt. Die Frist ist abgelaufen, und die Bonner haben in die Schnell-Gräber geschaut, berichtet das Gesundheitsamt des Kreises. Eine vollständige Verwesung der Leichname sei in Bonn nicht festgestellt worden.
Das lässt zumindest leise Zweifel aufkommen, ob die Verwesung auf der Gronauer Begräbnisstätte wie gewünscht verlaufen ist. Der Stadtsprecher beruhigt, die Grabstellen würden ja nicht sofort wieder neu belegt. Es gebe zahlreiche freie Gräber auf den kommunalen Friedhöfen. „Da passiert nicht am Tag nach Ablauf der Ruhefrist etwas.“ Bis zur Neubelegung könnten viele Monate ins Land gehen.
Folgen hat die ungeklärte Grabkammerfrage bereits für die Nachbarkommune Kürten. Der Wunsch, ebenfalls Grabkammern einzurichten auf einem Kürtener Friedhof sollte erst einmal verschoben werden, empfiehlt die Verwaltung. Das Ergebnis „nach Öffnung der Grabkammern“ sollte abgewartet werde – gemeint sind die Gräber in Gronau. Das Kreisgesundheitsamt ist übrigens auch skeptisch, die Amtsärztin hat den Kürtenern bereits abgeraten. Eine amtliche Genehmigung könne es nur unter Vorbehalt geben für eine begrenzte Zeit. So liege die Sache auch für Bergisch Gladbach. In Kürten will man übrigens jetzt erst einmal Grabstelen aufstellen.