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ProzessPolizei bedroht: Bergisch Gladbacher büßt nach Treppenhaus-Tumult mit Sozialstunden

Lesezeit 4 Minuten
Ein Blaulicht leuchtet auf dem Dach eines Polizeiwagens. Im Hintergrund steht ein weiterer Streifenwagen.

Ein Blaulicht leuchtet auf dem Dach eines Polizeiwagens. Im Hintergrund steht ein weiterer Streifenwagen.

In einem Mietshaus sind zwei junge Bergisch Gladbacher Polizisten plötzlich von einer Übermacht bedroht worden. Jetzt war der Prozess.

Bedrückende Einblicke in den Alltag von Polizeibeamten hat ein Prozess wegen Widerstands, tätlichen Angriffs, Bedrohung und Beleidigung gegen einen 31-jährigen Bergisch Gladbacher geliefert. Gegen den Mann wurde das Verfahren am Montag gegen 70 Sozialstunden eingestellt.

Gut zwei Jahre vorher, am Abend des 25. September 2022, war in einem Mehrfamilienhaus auf der Bergisch Gladbacher Hauptstraße der Teufel los gewesen. Ein betrunkener und womöglich auch unter anderen Drogen stehender Mieter wollte die über seiner Wohnung gelegene Wohnung seiner Ex nicht mehr verlassen, die daraufhin die Polizei zur Hilfe rief.

Betrunkener Störer telefoniert Freunde in sein Wohnhaus

Während zwei junge Polizisten ihren eigenen Angaben zufolge erst mal im Guten auf den Mann einredeten, er solle gehen, tat sich gar nichts; schließlich brachten sie ihn eine Treppe runter zu seiner Wohnung und gingen dann erst wieder zu der Ex-Freundin, um mit der noch einmal über den Vorfall zu reden.

In der Zeit, in der sie wieder in der obersten Etage waren, telefonierte sich der betrunkene Andrzej K. (Name geändert) offenbar Unterstützung herbei. Als sich die beiden Beamten wieder zu ihm begaben, sahen sie sich plötzlich einer sechs- bis siebenköpfigen aggressiv auftretenden Gruppe gegenüber.

Es gab eine Diskussion untereinander, bei der die Damen auf die Herren einwirkten, sie sollten keinen Stress mit der Polizei anfangen.
Polizeibeamter als Zeuge vor Gericht

Einer der beiden Polizisten schilderte vor Gericht die Situation: Unter ihnen standen die Betrunkenen, angeführt von dem jetzt angeklagten Jakub, der sich eigens ins Taxi gesetzt hatte, um schnell bei seinem Halbbruder zu sein, über ihnen war die Ex-Freundin, der sie gerade noch geholfen hatten, mit einer weiteren Begleiterin.

„Es gab eine Diskussion untereinander, bei der die Damen auf die Herren einwirkten, sie sollten keinen Stress mit der Polizei anfangen“, so der Beamte. Irgendwann wollte die Wohnungsbewohnerin nach vorne durch, er habe sie aber zurückgehalten, worauf nun auch die Frau zu schimpfen anfing: „Fassen Sie mich nicht an.“ Das wiederum habe den Wortführer der weiter unten stehenden Betrunkenen noch einmal zusätzlich angestachelt.

Polizei-Verstärkung rückt an und „pfeffert“ Randalierer ein

In dieser Situation drückte der Beamte den Notknopf an seinem Funkgerät. Kollegen, die gerade auf der Wache am anderen Ende der Hauptstraße mit dem Schichtwechsel beschäftigt waren, sprangen in ihre Fahrzeuge, rasten an den Einsatzort und klärten sie Situation schnell und nachdrücklich, indem sie mehrere Personen „einpfefferten“, wie ein Beamter den Einsatz von Pfefferspray nannte, und die Randalierer ins Polizeigewahrsam verfrachteten.

Indes war die Verhandlung am Montag nun schon der zweite Prozess in der Sache. Beim ersten waren gleich drei Tatverdächtige angeklagt worden. Gegen einen wurde das Verfahren vorläufig eingestellt, weil gegen ihn ein noch deutlich gravierenderes Verfahren läuft, gegen den zweiten, der im Ausland lebt, wurde das Verfahren abgetrennt, weil es mit der Ladung nicht geklappt hat. So blieb erst einmal nur noch der aktuelle Angeklagte übrig.

Einer trat den Beamten „oben ohne“ und in Kampf-Pose entgegen

Und bei dem hatten die insgesamt vier am Montag als Zeugen angehörten Polizisten das Problem, das jeder Zeuge hat: Woran erinnert man sich nach zwei Jahren noch? Mehrere Beamte konnten sich nur noch auf die Anzeigen von damals berufen, und in Bezug auf den Angeklagten war am Ende nicht mehr hundertprozentig klar, ob nun wirklich er der aggressive Wortführer gewesen war, der sich das T-Shirt ausgezogen und sich „oben ohne“ in Kampf-Pose aufgestellt hatte – oder ob das nicht sein am Montag nicht anwesender Kumpel gewesen war, der nach Angaben des Verteidigers große Ähnlichkeit hat.

„Der Mann hatte eine Tätowierung auf der Brust“, erinnerte sich der Polizeibeamte, da sei er sich fast sicher. „Ich habe keine Tätowierung auf der Brust“, antwortete der an einem Arm stark tätowierte Angeklagte. Seinen Oberkörper entblößen musste er im Gerichtssaal aber nicht.

Konkretes war nicht nachzuweisen

Am Ende waren sich die Juristen einig: So wenig das Geschehen an dem Abend akzeptabel gewesen sei, so wenig sei dem unter zweifacher laufender Bewährung stehenden Angeklagten eine konkrete Tat nachzuweisen.

Da er andererseits auf dem Weg in ein besseres Leben zu sein scheint – nach eigenen Angaben nimmt er seit Jahren keine Drogen mehr und will sich um Arbeit bemühen, erlegte Richterin Pauline Willberg ihm 70 Sozialstunden in maximal vier Monaten auf.