Bergisch GladbachVolksverhetzung – 4800 Euro Strafe für Contergan-Aktivist
Bergisch Gladbach – Der Bergisch Gladbacher Autor und Contergan-Aktivist Stephan Nuding ist in Bergisch Gladbach wegen Volksverhetzung zu 4800 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Nach Überzeugung des Amtsgerichts hatte der 59-jährige Gladbacher vor zwei Jahren in seinem Wohnviertel Aufkleber an Straßenlaternen angebracht, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllten. Ein Ehepaar aus der Nachbarschaft hatte das beobachtet und Anzeige erstattet.
Wie schon bei einer ersten Gerichtsverhandlung vor einem Jahr schwieg Nuding auch in dem neuen Prozess zu den Vorwürfen zunächst und äußerte sich weder zur Person noch zur Sache. Der erste Prozess war unter anderem geplatzt, weil überprüft werden sollte, ob an dem Hetz-Aufkleber noch Spuren gesichert werden könnten, was aber nicht der Fall war.
Nuding lässt sich von NSU-Anwältin verteidigen
Der Aufkleber war nicht einfach nur geschmacklos und widerwärtig, sondern strafrechtlich relevant: Er zeigte Kinder mit dunkler Hautfarbe in einem Schwimmbad, daneben Exkremente, eines der Kinder mit erigiertem Penis, dazu das Wort „Islamabad“. Nach Angaben der Zeugin hatte es in dem Viertel immer wieder derartige Aufkleber gegeben. Nach der Anzeigenerstattung habe das aber aufgehört.
Wie schon im ersten Prozess überließ Nuding seine Verteidigung zunächst seiner Verteidigerin Nicole Schneiders aus Ettlingen (Baden-Württemberg). Sie ist keine Unbekannte: Im NSU-Prozess verteidigte sie den wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilten Rechtsextremisten Ralf Wohlleben. Sie wurde zu Beginn des Prozesses gegen die mutmaßlichen Helfer des rechtsterroristischen NSU als „Szenejuristin“ beschrieben.
Angeklagter bestreitet die Tat im letzten Wort vor Gericht
Rechtsextreme Propaganda wurde im Bergisch Gladbacher Prozess um rechtsextreme Propaganda nicht verbreitet. Indes stellte die Anwältin nicht nur wiederholt Nachfragen zu den Beobachtungen der Zeugen, sondern fragte auch nach deren etwaigen politischen Aktivitäten und zweifelte massiv deren Glaubwürdigkeit an. Damit konnte sie allerdings bei Anklagebehörde und Gericht nicht punkten.
Bundesweite Aufmerksamkeit
Als Kämpfer für die Rechte der Contergan-Geschädigten hat sich Stephan Nuding einen Namen gemacht. Immer wieder hat der Gladbacher Autor die Pharmazie-Firma Grünenthal angeklagt, die das Schmerzmittel 1957 auf den Markt gebracht hatte. Der Wirkstoff Thalidomid löste bei rund 5000 Kindern in Deutschland Fehlbildungen an den Gliedmaßen und an inneren Organen aus. 2008 ging Nuding, selbst Betroffener und körperlich schwer behindert, in einen vierwöchigen Hungerstreik, der bundesweite Beachtung fand, später veröffentlichte er ein Buch dazu. Er war bislang nicht vorbestraft.
Die Ehefrau wies darauf hin, dass sie überhaupt keinen Grund habe, sich die Vorwürfe gegen den in der Nähe wohnenden Nuding aus den Fingern zu saugen. Nuding wiederum brach erst in dem ihm zustehenden letzten Wort vor der Urteilsverkündung sein Schweigen. Da bestritt er die Tat und gab an, mit Rechtsextremismus, Rassismus und Volksverhetzung nichts zu tun zu haben. Sie passe weder zu seinem langjährigen Engagement in Sachen Contergan-Opfer noch zu seiner religiösen Überzeugung.
Mit der Verurteilung des Gladbacher Autors zu knapp 5000 Euro Geldstrafe (60 Tagessätze à 80 Euro) folgte Richter Reinhard Bohn dem nach seinen Worten „maßvollen“ Antrag der Staatsanwältin. Nuding habe „allen Grund, sich zu schämen“.
Während der Erörterung von Nudings eigenen durch Contergan verursachten Beeinträchtigungen hatte das Bensberger Gericht auf Antrag der Verteidigung die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.