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5000 EuroBergisch Gladbacher Zahnarzt als Grapscher vor Gericht

Lesezeit 4 Minuten
Ein Zahnarzt und eine Helferin versorgen einen Patienten nach den Regeln der Kunst.

Auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarztes muss ein Patient mit allerlei rechnen – aber eher nicht mit sexueller Belästigung durch den Arzt. (Symbolfoto)

Ein Gladbacher Zahnarzt soll einen jungen Mann auf dem Behandlungsstuhl begrapscht haben. Gegen 5000 Euro wird das Verfahren eingestellt. 

Wegen eines sexuellen Übergriffs auf einen auf dem Behandlungsstuhl liegenden Mitarbeiter hat sich ein Zahnarzt aus Bergisch Gladbach vor Gericht verantworten müssen. Der Mittfünfziger soll einem mehr als  20 Jahre jüngeren Zahntechniker im Zuge einer zahnärztlichen Behandlung mehrfach ans Genital gefasst haben, als dieser auf das Eintreten der Betäubung wartete.

Im Prozess bestritt der Dentist den Übergriff zwar: „Die Vorwürfe sind frei erfunden. Ich bin schockiert und habe keine Erklärung dafür.“ Gleichwohl erklärte sich der Angeklagte aber zur Zahlung von mehr als 5000 Euro breit: Jeweils 2000 Euro gehen an den 31-jährigen Ex-Mitarbeiter und an einen gemeinnützigen Verein, und außerdem übernimmt der Mediziner die Rechnung des Nebenklage-Vertreters in Höhe von 1210 Euro. Sobald er alles überwiesen hat, wird das Verfahren gegen ihn nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung endgültig eingestellt.

Das Verhalten sogenannter alter weißer Männer

Die Stichworte lauten Grenzüberschreitung, Nein heißt Nein, Me Too: Wortschöpfungen hat es in den Diskussionen der vergangenen Jahre über unangemessenes bis hochkriminelles Verhalten sogenannter alter weißer Männer viele gegeben. Dieses Mal saß indes kein heterosexueller Supermarkt- oder sonstiger Boss auf der Anklagebank, sondern der in seiner Praxis nicht minder mächtige homosexuelle Zahnarzt. Für seinen ebenfalls homosexuellen Mitarbeiter machte das die Sache aber offenkundig kein bisschen erträglicher.

In der Anklage ging es um einen Vorfall aus der Corona-Zeit. Am 11. Februar 2021 hatte Zahntechniker Pascal B. (Namen geändert) selbst eine Krone verloren, und sein Chef Udo D. sollte und wollte das schmerzhafte Malheur nach eigenem Bekunden schnell behandeln, damit der junge Mann arbeitsfähig blieb. Der Arzt schob Pascal B. als Patienten dazwischen und setzte ihm eine Spritze in den Unterkiefer. Während die beiden Männer auf das Einsetzen der Betäubung warteten, waren sie vorübergehend allein im Behandlungsraum; die für den eigentlichen Eingriff ebenfalls benötigte Zahnarzthelferin wechselte nach nebenan.

Junger Kölner: „Ich war total perplex“

In dieser Situation, in der der junge Kölner einigermaßen hilflos auf dem Behandlungsstuhl lag, über sich die Ablageschale, habe ihm der Chef mehrfach für mehrere Sekunden in den Intimbereich gegriffen, sagte der groß gewachsene, schlanke junge Mann als Zeuge vor Gericht aus.

Was im Prozess folgte, waren die in solchen Fällen üblichen Nachfragen. Warum er denn nicht einfach aufgestanden sei, wollte die Verteidigerin wissen. „Ich war total perplex.“ Und warum er trotzdem noch monatelang in der Praxis weitergearbeitet habe. „Ich wollte nicht schon wieder die Stelle wechseln.“

Monate später habe es aber einen weiteren Vorfall gegeben, der ihn dann doch zur sofortigen Konsequenz veranlasst habe: Da sei Udo D. im Umkleidereich unbekleidet auf ihn zugekommen und habe ihn zum Sex aufgefordert. Von Anfang sei das Arbeitsverhältnis schwierig gewesen: zuerst habe er von der Homosexualität seines Chefs gar nichts gewusst, sonst hätte er vermutlich gar nicht bei ihm in der Praxis angefangen.

Wie geht es Ihrem Partner?
Der Zeuge zum Angeklagten

Nach der Arbeitsaufnahme habe ihn der Dentist via Whatsapp um erotische Aufnahmen gebeten. In der Verhandlung verlas Richter Güven Auszüge aus den Chats. Sie wirkten recht einseitig: Während der Chef den jungen Kölner verbal bedrängte, versuchte dieser, den Älteren mit Fragen nach dem Befinden des Partners und nach dem Alkoholkonsum abzukühlen und abzuwehren.

Nach der Vernehmung des 31-Jährigen zogen sich die beteiligten Juristen auf Vorschlag des Nebenklagevertreters zum Rechtsgespräch ins Hinterzimmer zurück. Das dauerte zwölf Minuten, anschließend erklärten die Anwälte den Lösungsvorschlag ihren Mandanten und schließlich erläuterte Richter Güven den Handel: Zum einen sei der Zahnarzt nicht vorbestraft, zum anderen hätte man, wenn man die Sache bis ins Letzte hätte aufklären wollen, auch noch mehrere Praxismitarbeiterinnen anhören müssen – womit dann womöglich auch der „Haussegen“ in der Praxis schief gehangen hätte.

Die stattdessen gewählte Verfahrenseinstellung ist nach dem Wortlaut von Paragraf 153a der Strafprozessordnung bei Vergehen dann möglich, wenn durch „Auflagen und Weisungen“ das „öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ beseitigt werden kann und die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht.

Zahntechniker Pascal B. hat inzwischen den Beruf gewechselt.