Zu seinem 100. Geburtstag wird Heinrich Jarczyk eine Sonderausstellung gewidmet. In seinen Werken verarbeitete er die Zeit in Kriegsgefangenschaft.
KriegsgefangenschaftBergisch Gladbacher Künstler wird 100 – Er blickt noch positiv in die Zukunft
„Es ist ein Geschenk, so alt zu werden. Man sollte immer danke sagen“, findet Heinrich J. Jarczyk. Mit gutem Recht, denn an diesem Samstag feiert er seinen 100. Geburtstag. Diese Ehre wird nur rund 0,03 Prozent der Weltbevölkerung zuteil. Der Künstler blickt zurück auf ein ereignisreiches Leben und positiv in die Zukunft.
„Bei mir ist das Glas immer halb voll, man kann es sich schließlich aussuchen“, sagt das Geburtstagskind enthusiastisch, das schon früh mit Begeisterung gemalt hat. Vor rund zehn Jahren hat Jarczyk Pinsel und Stift aus der Hand gelegt. Durch eine Augenkrankheit kann er nur noch verschwommen sehen, hat über Jahrzehnte lediglich mit dem rechten gemalt, sitzt im Rollstuhl.
Seit 40 Jahren verheiratet: Sich gut zu verstehen ist das „Allerwichtigste“
Das letzte Gemälde, der Blick vom Petersberg ins Tal wurde nie fertig. „Aber das macht nichts. Erst wollte er das untere, unfertige Stück abschneiden, dabei ist es so gut, wie es ist“, findet seine Ehefrau Christiane, die 26 Jahre jünger ist und ihn bei allem unterstützt. „Wenn man sich gut versteht, das ist das Allerwichtigste“, sagt sie. Sie sei dankbar für jeden gemeinsamen Tag.
Nach dem Abitur hatte der 18-jährige Jarczyk erst mal nicht die Qual der Wahl wie junge Menschen heute, er wurde noch am gleichen Tag zum Reichsarbeiterdienst einberufen als Soldat und kämpfte im Bombenhagel. Von den Kanadiern schwerst verwundet, wachte er alleine auf einem Feld auf und schleppte sich mehrere Kilometer zu einem Verbandsplatz, wo die Kopfverletzung versorgt wurde.
Bergisch Gladbacher lernte Mentor in Kriegsgefangenschaft kennen
Wenige Tage nach seiner Operation wurde er verschleppt und an die Belgier verkauft, um als Kriegsgefangener in einem Bergwerk arbeiten. „Man hat schnell gemerkt, dass ich nicht nützlich bin und so hatte ich viel Zeit zum Zeichnen“, erzählt er. Er erinnere sich detailreich an dieses einschneidende Kapitel in seinem Leben und begann, seine Erlebnisse durch das Zeichnen zu verarbeiten.
Mit Maler Theodor Hallier, den er in Gefangenschaft kennenlernte, entwickelte sich eine Freundschaft und er lernte von ihm. „Ich habe ihn später gesucht, aber nie wieder gefunden. Ich habe nie erfahren, was aus ihm geworden ist“, sagt er über seinen Mentor.
Nach dem Krieg studierte Bergisch Gladbacher Künstler Naturwissenschaften
Nach zwei Jahren Kriegsgefangenschaft wendete sich das Blatt zum Guten, denn durch einen Zufall hatte seine Mutter bei der Flucht sein Abiturzeugnis in die Tasche gesteckt und er begann ein Studium der Chemie und Biologie.
Ein Zuhause fand er in der Katholischen Studentenverbindung Ottonia in München, damit Gemeinschaftsgefühl und die Rückkehr in die Normalität. „Religion, Wissenschaft, Freundschaft. Das sind die Leitsätze. Die Ottonia ist eine Gegenbewegung zu den Burschenschaften, es ist keine schlagende Verbindung, der katholische Gedanke zählt“, schildert er. Der gebürtige Schlesier aus Neissen ist das älteste Mitglied der Verbindung.
Mit dem Ruhestand fing Bergisch Gladbacher wieder an zu malen
Auch zwei Semester Kunstgeschichte belegte Jarczyk, ehe er promovierte und bei der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Bayer AG tätig war. Für die Kunst blieb für den zweifachen Vater nicht viel Zeit bis zum Ruhestand 1987. „Noch am ersten Tag habe ich angefangen zu malen“, erinnert er sich.
„Mein Skizzenbuch hatte ich aber schon immer in der Hosentasche. Auch, wenn ich zu Theatervorstellungen gegangen bin. Ich trug ein nagelneues beiges Jackett, in dem die Tusche ausgelaufen ist. Es war nicht mehr zu retten. Als es ein weiteres Mal passiert ist, hatte ich Tuschverbot“, lacht er und mit ihm Ehefrau Christiane, die aus der Schweiz stammt, über die Anekdote. Der Altersunterschied stört die beiden, die seit fast 40 Jahren verheiratet sind, keinesfalls. „Wir denken nicht an Jahreszahlen. Wenn man das macht, merkt man, wie alt man ist. Das ist nicht schön“, sagt das Ehepaar synchron.
Auf über 50 Ausstellungen weltweit waren die Kunstwerke Jarczyks bereits zu sehen und oft lohnt sich ein zweiter und dritter Blick auf die Ölgemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen, um die Botschaften des Künstlers genau zu studieren. Sie behandeln oft Erlebnisse und Themen, die ihn auf seinem Lebensweg beschäftigt haben, Orte, die er besucht hat.
„Traumlos kann der Mensch nicht leben“, sagt Jarczyk lächelnd, wenn er an die Zukunft denkt. Anlässlich seines 100. Geburtstags lädt das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen ihm zu Ehren zur Sonderausstellung „Ich habe so viel Schönes gesehen“ ein. Jarczyk freut sich auf seine Feier mit Familie und Weggefährten, die auch aus dem Ausland anreisen.