Der Werkstoff Papier faszinierte den Künstler, der als Pionier der Papierkunst gilt.
Neue AusstellungDas Kunstmuseum Bergisch Gladbach zeigt Arbeiten von Oskar Holweck
Ausdrucksvolle, informelle Tuschezeichnungen, geprägt von einer konstruktiv-konkreten Struktur, in der zweiten Etage des Kunstmuseums Villa Zanders – das sind die ersten Werke, die den Besucher in der Ausstellung „Oskar Holweck – Meister der Reduktion“ in ihren Bann ziehen.
Beim Rundgang durch die Säle bleibt man immer vor den großen experimentellen Papierarbeiten stehen, die auf den lichtgrauen Wänden ihre Wirkung in einem spannenden, immer wieder neuen Licht- und Schattenspiel entfalten. In Bergisch Gladbach ist der 2007 gestorbene Künstler aus dem saarländischen St. Ingbert gut bekannt: Fünf Werke des Pioniers der Papierkunst fanden schon früh den Weg in die Sammlung „Kunst aus Papier“.
Bilder von atemberaubender Turbulenz
„Er hat das Papier bewegt bei den Tuschearbeiten“, sagt seine Witwe Christiane Mewes-Holweck. So erschließt sich die frühe Arbeit aus dem Jahr 1956, auf der die Tusche in kreisenden Spritzern eine atemberaubende Turbulenz vermittelt. Auf weiteren Arbeiten entwickelt die Tusche mit Pipette oder Pinsel sehr feine filigrane Strukturen in Rhythmen und Linien.
Geprägt wurde Holweck von seinem Lehrer Boris Kleint an der Staatlichen Hochschule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken, der eine am Itten-Vorkurs (Bauhaus) orientierte Grundlehre einrichtete, die er nach einigen Jahren an seinen Assistenten Oskar Holweck weitergab. Beide bemühten sich mit der Entwicklung einer eigenen Grundlehre um eine Sensibilisierung der Wahrnehmung – jeder fand seinen eigenen persönlichen Stil in der Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Seit den 1960er Jahren arbeitete Holweck ausschließlich mit Papier
Holweck übernahm die Lehre seines Lehrers, lehrte zusätzlich u. a. an der Staatlichen Werkkunstschule in Saarbrücken. Berufungen zur Documenta in Kassel und an die staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart lehnte er ab. 1958 schloss er sich der Zero-Künstlergruppe an, die sich als Alternative zur informellen Malerei der Nachkriegszeit verstand.
Seit den 1960er Jahren arbeitete Holweck ausschließlich mit Papier, entwickelte den Papierriss zu Plastiken. „Das Papier trägt die Gestalt, die ich ihm durch Beeinflussung gebe, bereits in sich“, hat er einmal formuliert. „Aufgrund dieser Überzeugung versage ich mir, Papier zu abbildhaften Art von Dingweltformen oder funktionsbestimmtem Gebrauchsgut zu missbrauchen.“
Blätter mit Rissen und Schrunden
Ständig im Konflikt zwischen Aktion und der Reaktion des Werkstoffes, schuf er durch Reißen, Stauchen, Falten, Zerknüllen und Auffächern aus dem weichen französischen Papier mit einer Grammatur von 190 g/qm große Reliefs, sich überlagernde und sich aus sich selbst entwickelnde Formen, die in Licht und Schatten immer wieder neue, aber nicht genau definierbare Räumlichkeiten offenbaren – einige Werke muten an wie Partituren.
Bei einer Arbeit wirken die kleinen Risse und Faltungen wie kleine Tannen, rhythmisch angelegt – doch man muss genau hinschauen, um zu entdecken, dass es sich nicht um Zeichnungen handelt. Auf einer Stele steht jenes Blindbuch, dessen Blätter sich in einem rasanten Wirbel drehen, mit Rissen und Schrunden.
„Dafür hat er eine Bohrmaschine eingesetzt“, erklärt Christiane Mewes-Holweck die Entwicklung dieses Werkes im pragmatischen Umgang mit dem Werkzeug. „Er hat auch Essbesteck, zum Beispiel Löffel, genommen, um das Papier abzuscheren.“ Die Wirkung: Papier spaltet sich, offenbart einen Blick bis ins Innere des Materials Zellstoff. Zitat Oskar Holweck: „Für viele Reaktionsformen mangelt es mir an Begriffen, um sie zu beschreiben. Es bleibt mir nur, sie stumm zu bewundern.“ Eine Aufforderung an die Besucher der Ausstellung.
Die Ausstellung läuft bis zum 2. Juni 2024. In dieser Zeit erscheint ein zweibändiges Werkverzeichnis mit Dokumenten Holwecks und Texten von Siegmund Gewenig, Antoon Melissen, Christiane Holweck, Petra Oelschlägel und Ulrike Schmitt. Am Sonntag, 25. Februar 2024, 15 Uhr, findet ein Gespräch von Petra Oelschlägel mit Christiane Mewes-Holweck über Oskar Holweck und sein Werk statt. Mehr über begleitende Führungen und Veranstaltungen: Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach.