Handel in Bergisch GladbachDie Geschäfte in Heidkamp sind beliebt
Bergisch Gladbach – „Dass die Geschäfte Mittagspause machen und Mittwochnachmittag alles geschlossen ist, das gibt es nur in unserem Dorf“, sagt Nicole Amato. Mit „unser Dorf“ meint die Chefin der Steinofenpizzeria „Del Bajazzo“ den Bergisch Gladbacher Stadtteil Heidkamp, in dem sie aufgewachsen ist. Heute betreibt sie mit ihrem Mann Nando das kleine italienische Restaurant im alten Fachwerkhaus an der Mini-Fußgängerzone, und sie findet: „Eigentlich hat sich hier überhaupt nichts verändert.“
Bäcker, Metzger, Apotheke, Imbiss, Immobilienhändler, Ärzte, sogar eine freie Tankstelle gibt es den paar 100 Metern Bensberger Straße zwischen Lerbacher Weg und Oberheidkamper Straße, die als das Herzstück des Viertels gelten können. „Alles, was man so an Kleinkram für den täglichen Bedarf braucht“, findet Architekt Martin Day, der gleich hinter der Metzgerei Willi Kühlheim sein Büro in einem auffälligen orange-roten Kubus hat. „Wir müssen ja zu sehen sein hier hinten“, sagt er lachend. „Perfekt“, findet der Mann die Lage Heidkamps zwischen Gladbach und Bensberg.
Wer auf der Durchfahrt ist, nimmt den Stadtteil eher als Straßenort wahr. Doch: „Hier kennt man sich“, weiß Nicole Amato, alles geht fußläufig. Die meisten Einzelhändler bekennen sich zum Standort. „Hier sind die Spezialisten – Ganz nah am Herzen der Stadt“ steht auf den Schildern in Schaufenstern und Ladentüren. Fast überall gibt es Parkplätze, an der Straße oder hinter den Geschäften. Das mag der Gladbacher.
Hinter der Metzgerei von Familie Kühlheim fließt der Lerbach in einen kleinen Kanal. Eine grüne Auenlandschaft führt direkt Richtung Lerbacher Wald, ins Naherholungsgebiet am Rand der City. Jenseits der Bensberger Straße reihen sich Einfamilienhäuser nebeneinander. Seit 1954 sind Kühlheims hier ansässig. Mutter Josefine weiß noch gut, wie es früher hier aussah. „Wir waren vier Metzgereien im Umkreis“, erinnert sie sich. Drei Bäcker, ein Milchgeschäft und der Lebensmittelmarkt Himmelreich (später Spar): „Heidkamp war besser bestückt als Gladbach“, befindet die Senior-Chefin im Rückblick.
In den 70er-Jahren fing es an mit den Schnellimbissen. „Mein Mann wollte erst überhaupt nicht ran an die Frikadellen und belegten Brötchen“, erinnert sich Josefine Kühlkeim schmunzelnd. Jetzt sind sie der Renner, neben der Wurst, die noch selbst gemacht ist. Gern würden wir ein Bild in der Wurstküche machen, doch Sohn Hans-Willi, der gerade Rollbraten einschnürt, winkt ab. Betriebsgeheimnis.
Auch Bäcker Klappenbach hat seine Backstube direkt hinter dem Ladenlokal. Seit 30 Jahren bedient Simone Koch die Kunden. Sie wohnt in Lindlar: „Aber irgendwie bin ich hier hängen geblieben.“ Mittags ist der Laden rappelvoll mit Schülern der benachbarten Berufskollegs, die Heidkamp zwar ein jugendliches Image verleihen, es architektonisch aber zerreißen. Ebenso wie die alte rote Schule, die heruntergekommen ist, demnächst aber von einem Investor übernommen wird.
Er hat versprochen, die historische Immobilie teilweise zu erhalten. Wo einst der alte Dorfplatz und somit das Herz des Stadtteils war, ist heute ein Parkplatz. 1986 wurde die Tankstelle gegenüber abgerissen und ein modernes Geschäftshaus errichtet, das einmal Ortsmittelpunkt werden sollte. Hat nicht funktioniert, wie man sieht. Hinter der Oberheidkamper Straße zerfließt das Gesellschaftsleben von Heidkamp im Gesichtslosen. Weiter unten jedoch brummt das Leben. Mittendrin der Russlanddeutsche Andreas Kaiser, der eine Fahrschule betreibt, wo nicht nur die Eleven aus dem Umkreis Verkehrsregeln pauken, sondern auch Kaisers Landsleute, denn Kaiser unterrichtet auf Russisch. „In acht Sprachen kann man in Deutschland die theoretische Fahrprüfung absolvieren“, lernen wir.
Käthe Werner nebenan ist umgeben von Tausenden Wollknäueln, Garnrollen, Stoffballen. In der „Kommode“ werden richtig altmodisch Kurzwaren verkauft. Der Clou ist die „Knopfothek“: „So viele Knöpfe wie hier bekommen Sie in Bergisch Gladbach nirgendwo“, ist sich Werner sicher. „Wahrscheinlich auch weit über die Stadt hinaus.“ Kunden sind keineswegs nur ältere Damen. „Handarbeiten, vor allem Stricken und Häkeln, sind bei der Jugend schwer im Kommen“, beobachtet Werner. Seit diesem Jahr bietet der Laden Nähmaschinenkurse für Kinder und Jugendliche an.
Letztere sind auch die Klientel von Ursula Böker, Herrin über 3500 Bücher, Zeitschriften, Hörbücher, Spiele und andere Medien. Sie ist Leiterin der Stadtteilbücherei gegenüber der Kirche St. Joseph, die als Glaskubus unmittelbar an der Ecke thront. Hier machen die Kinder aus den benachbarten Kitas und Grundschulen ihren Bibliotheksführerschein, und die Alten kommen mit dem Rollator. 7000 Ausleihen verbuchte die Ehrenamtlerin, die sich selbst „einen Dinosaurier“ nennt: „Ich habe die Eltern ans Lesen gebracht und jetzt ihre Kinder.“
Im Moment wird viel gebaut in Heidkamp. Direkt gegenüber der Kirche entsteht ein Rundbau mit 18 Eigentumswohnungen, neben der Bücherei ein Wohnhaus, von dem man sagt, dass die Stadt es gemietet hat, um dort Flüchtlingsfamilien unterzubringen. Das wird vielleicht einiges im unmittelbaren Umfeld von Ursula Böker verändern. Nicht aber das Gesicht und den Charakter des Stadtteils. Da ist sie sicher, ebenso wie Nicole Amato am anderen Ende der Hauptstraße. Nur einen kleinen Supermarkt, den hätte sie doch noch gern. „So wie früher, als es noch den Himmelreich gab.“