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GesundheitswesenDie Apotheken in Rhein-Berg befinden sich in einer schwierigen Lage

Lesezeit 4 Minuten
Es gibt immer weniger Apotheken - auch in Rhein-Berg.

Es gibt immer weniger Apotheken - auch in Rhein-Berg.

Anderswo ist die Lage noch schlimmer - aber auch in Rhein-Berg gibt es immer weniger Apotheken. Der Trend ist eindeutig.

Mit einem lauten Aufschrei startet die Apothekerkammer Nordrhein zum Jahresanfang: Erstmals unter 2000 Apotheken in Nordrhein, insgesamt 61 weniger am Jahresende 2024. „Zu wenig Honorar, zu viel Bürokratie, schlimme Lieferengpässe bei Medikamenten und der auch bei uns herrschende Fachkräftemangel – die Bedingungen, eine Apotheke zu führen oder gar neu zu eröffnen, werden immer schlechter“, fasst Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, die Lage zusammen.

„Persönliche Beratung, die direkte Verfügbarkeit von Medikamenten, individuell hergestellte Arzneimittel – die Liste der Vorteile ist lang, die Apotheken gegenüber ausländischen Versendern und neuartigen Internetplattformen haben. Dennoch fühlen wir uns auch in diesem Bereich von der Politik im Stich gelassen.“ Dabei sehen die Zahlen in der Statistik der Kammer für den Rheinisch-Bergischen Kreis noch recht gut aus: 53 Apotheken im Kreis konstant im Jahr 2024, keine Schließungen, aber 2019 gab es noch 60 Apotheken.

Die positiven Zahlen täuschen über die wirkliche Situation

Doch das Zahlenmaterial täuscht. Der Bensberger Apotheker Markus Kerckhoff reflektiert die Entwicklung: „In den 90er Jahren hatten wir einen Notdienstkalender mit über 30 Apotheken, seitdem sind viele Apotheken verschwunden.“ Er zählt die Versorgung am Beispiel der Gladbacher City auf: „Da sind noch die Elefantenapotheke, die Apotheke in der Rhein-Berg-Galerie und unsere Zweigstelle im Kaufland. Es sind gefühlt zehn Apotheken weg seit 2007.“ Im Notdienst in der Nacht und an Wochenenden seien zum Beispiel in der vorigen Woche drei Apotheken aufgeführt – keine in der Kreisstadt, eine in Lindlar, eine in Köln.

Bei dieser mangelnden Flächenversorgung sei auch die Medikamentenversorgung in Frage gestellt – wenn das Medikament weder in Lindlar noch in Köln verfügbar sei. Wo hilft die Apothekerkammer? „Von denen steht keiner in der Apotheke, die sind nicht an der Kundenfront – es wird in der Substanz gestöhnt, aber nicht gehandelt“, so Kerckhoff, der den überbordenden Verwaltungsapparat der Körperschaft anprangert – und die fehlende Übersicht der Politik ohnehin.

Gesundheitsversorgung auf dem Niveau afrikanischer Staaten
Markus Kerckhoff, Apotheker

Seit die Herstellung der Standardwirkstoffe ausgelagert worden sei nach Asien, gebe es keine Sicherheit mehr in der Medikamentenversorgung durch die wachsenden Lieferengpässe. Kerckhoff macht es mit einem Beispiel deutlich: Bei Salbutamol, dem Notfallspray für Asthmakranke, gab es einen Engpass im Frühjahr 2024. „Wir haben ab sofort nur noch ein Dosieraerosol ausgegeben, damit wir lange lieferfähig bleiben für die Patienten.“ So ist die Situation bei vielen Medikamenten, auch bei jenen für Krebskranke. „Die Gesundheitsversorgung gibt es nicht mehr – wir haben das Niveau eines afrikanischen Staates“, so Kerckhoff.

Noch immer gibt es die unabhängigen inhabergeführten Apotheken mit Notdiensten und Bringdiensten für Medikamente bis zum Patienten – mit wohnortnaher Versorgung, aber auch mit der Konkurrenz der Online-Apotheken. Die sind steuerbegünstigt mit Sitz in der Schweiz und in den Niederlanden, haben eben keine Versorgung nach Feierabend und an den Wochenenden – und auch keine Beratung wie in den Apotheken von deren studierten Mitarbeitern. „Das ist Rosinenpickerei bei den Online-Apotheken, wir schaffen viele kleine Inseln für die Patientenversorgung“, sagt Kerckhoff, der in diesem Jahr ein neues Marktsegment im Verbrauchermarktsegment entdeckt hat: Die Drogeriemarktkette DM wird frei verkäufliche Medikamente im Laden und auch online anbieten. Ohne Service.

Das Gros des Umsatzes wird im Niedrigpreisbereich gemacht

Immer mehr gesetzliche Vorgaben und Regelungen der Krankenkassen machen es den Apotheken schwer, das Arbeitspensum zu bewältigen. „Wir konkurrieren nicht mehr um Kunden, sondern um Mitarbeiter“, schildert Kerckhoff den umkämpften Arbeitsmarkt. „Schlangen vor der Apotheke bedeuten längst nicht mehr volle Taschen. Wir müssen unternehmerisch handeln und abwägen, Bestimmungen anwenden oder nicht.“ Zwar habe man insgesamt zweistellige Umsatzsteigerungen, aber seit 15 Jahren unveränderte Regelungen bei den Erträgen: Drei Prozent pro verschreibungspflichtiger Medikamentenpackung, plus circa 8,70 Euro Apothekenzuschlag. Verdient wird nur bei hochpreisigen Medikamenten, das Gros beim Umsatz wird im Niedrigpreisbereich gemacht.

Da wundert es nicht, dass es schlecht aussieht mit dem Apothekernachwuchs: „Keiner von den jungen Leuten will noch eine Apotheke übernehmen, viele wandern gleich ab in die Verwaltung“, informiert Kerckhoff, der ein weiteres Manko anprangert.

„94 gesetzliche Krankenkassen verursachen elf Milliarden Euro Verwaltungskosten, und alle handeln die Honorar und Vergütungen mit Medizinern und Apothekern aus – Minister Lauterbach könnte das System auf zwei Krankenkassen reduzieren.“ Auch dies sei ein Thema, für das sich die Kammer einsetzen könnte.