Michael Werling recherchierte die Historie der Villa auf der Margarethenhöhe. Sie war Wohnhaus, Gauschule, Lazarett, schließlich Seniorenheim.
Zwischen Luxus und LazarettDie Villa Risch in Bergisch Gladbach diente vielen Herren
Die Villa Risch hat schon vielen Herren gedient. Das großbürgerliche Anwesen auf der Margarethenhöhe in Bergisch Gladbach, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs als repräsentativer Wohnsitz für die Industriellenfamilie Risch erbaut, hat eine bewegte Vergangenheit.
In schneller Folge wechselten die Eigentümer und mit ihnen stets auch die Nutzung des imposanten Gebäudes und der weitläufigen Parkanlage. Wie unter einem Brennglas lassen sich an der Villa Risch und denen, die hier ein und aus gingen, die Umbrüche des 20. Jahrhunderts, die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse ablesen.
Vor 40 Jahren wurde das Haus zum CBT-Wohnhaus Margarethenhöhe
Erst vor vier Jahrzehnten endeten diese unruhigen Zeiten für das Haus, als es zum CBT-Wohnhaus Margarethenhöhe umgewandelt wurde, eine Senioreneinrichtung, die heute in einem Ensemble aus historischen und modernen Gebäuden untergebracht ist.
Die bewegte Vergangenheit der Villa Risch auf der Margarethenhöhe hat Architekturhistoriker Michael Werling aufgearbeitet, die Ergebnisse hat das CBT-Wohnhaus als Publikation herausgegeben. Sie wird am Sonntag, 29. September, um 11 Uhr, im CBT-Wohnhaus vorgestellt. Bei seiner Recherche stützte sich Werling unter anderem auf schriftliche und fotografische Quellen aus dem CBT-Archiv, aus dem Familienarchiv Risch, das viele historische Fotos zur Verfügung stellte, und auf das Stadtarchiv Bergisch Gladbach. Zudem trugen Forschungsergebnisse des versierten Lokalhistorikers Peter Lückerath zu Werlings Arbeit bei. Jo Wittwer übernahm das Layout.
Gustav Adolf Risch hatte sein Vermögen mit Stahl gemacht
Die Villa Risch wurde in den Jahren 1913/14 erbaut. Der Fabrikant Gustav August Risch, der – ungewöhnlich für Bergisch Gladbach – sein Geld einmal nicht mit Papier, sondern mit Stahl gemacht hatte, ließ für sich und seine Familie einen Wohnsitz auf dem Hügel über der Stadt Bergisch Gladbach bauen, die bis dato als Ackerfläche genutzt worden war.
Eine Art Landhaus, mit der man der Gepflogenheit der Zeit folgte, den schmutzigen Industriestädten zu entfliehen, zu deren Zustand man allerdings ein Stück weit selbst beigetragen hatte. Ursprünglich besaß die Familie in Köln eine angesehene Roheisen-Firma, später ein Eisen- und Stahlwerk.
Die Villa Risch war mit allem Luxus der Zeit eingerichtet
Mit dem Gussstahlwerk Risch KG auf dem Gelände der ehemaligen Britanniahütte verlegte man einen Teil der Produktion nach Bergisch Gladbach. Die Firma, die während des Zweiten Weltkrieges 550Menschen beschäftigte, weil das Gussstahlwerk vor allem „kriegswichtige Stahlgussteile für Geschütz- und Panzerwagen herstellte“, so der Autor, stellte ihren Betrieb erst 1980 ein.
Der Wohnsitz auf der Margarethenhöhe mit Remise und Park war kaum ein „Landhaus“ zu nennen: Mit seinem „pompösen“ Treppenaufgang, so Werling, mit Garten- und Herrenzimmer, mit Frühstücks-, Speisezimmer und Salon, mit mehreren Schlafzimmern samt Bad und angeschlossenem Toilettenraum, einem Spiel- und einem Lernzimmer für die Kinder, einem „Fräulein-Zimmer“ für die Kinderbetreuung sowie Gäste- und Dienstbotenzimmern in der ausgebauten Mansarde, entsprach es eher einem feudalen Herrensitz.
In der Nazizeit wurde hier eine Gauschule eingerichtet
Allerdings kam die Familie Risch zunächst nur wenige Jahre in den Genuss von all diesem Luxus im 1914 fertiggestellten Haus. „Nach dem von Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg wurde zwangsweise eine englische Offiziersfamilie in die Villa einquartiert, sodass einige Wohnräume geteilt werden mussten“, so Werling. „Erst 1922 durfte die Familie Risch ihr neues Haus, das eher einem kleinen Fürstensitz als einer großbürgerlichen Wohnung entsprach, wieder ganz für sich in Besitz nehmen.“
Doch schon 1937 wurde das gesamte Anwesen – möglicherweise im Zusammenhang mit der damaligen Weltwirtschaftskrise an die nationalsozialistische Einheitsgewerkschaft „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) verkauft. Die zog erst einmal die Hakenkreuzfahne am Gebäude auf und richtete hier eine „Gauschule“ für ihren Führungsnachwuchs ein. Auf dem Stundenplan der Lehrgänge stand in der Folge unter anderem „Vererbungslehre“, „Rassenpflege“ oder „Bevölkerungspolitik“.
Im Krieg wurde das Gebäude als Reservelazarett genutzt
Der von den Nazis entfesselte Zweite Weltkrieg machte die Villa Risch zum Reservelazarett. 1942 wurden die ersten Krankenbetten in das Haus geschoben. Geleitet wurde die Einrichtung vom Bergisch Gladbacher Arzt Dr. Ignaz Tenckhoff (1898-1987), der später das Marienkrankenhaus leiten sollte, so Werling.
Nach Ende des Krieges, die Hakenkreuzdekorationen der Gauschule waren längst aus den Räumen verschwunden, schlug die Stunde der Alliierten: Villa Risch wurde von Besatzungstruppen beschlagnahmt, zuletzt befand sich eine belgische Kantine im Haus. 1947 zogen 22 Ostvertriebene, betreut von vier Rotkreuzschwestern, in das wieder freigegebene Haus. „Von der früheren Villeneinrichtung war nichts mehr vorhanden“, ist bei Werling zu lesen. „Es fanden sich nur noch mehr oder weniger kaputte Stühle, Schränke und Bettbestandteile.“
In den 70er Jahren wurde der Abbruch der Villa nur knapp verhindert
Trotzdem wurde das Gebäude nach und nach zum Alters- und Kinderheim, in dem man sich um ältere Menschen und chronisch erkrankte Kinder kümmerte, mit deren Betreuung die vorhandenen kleineren Krankenhäuser der Stadt im Elend der Nachkriegsjahre überfordert waren. „1950 befanden sich in der Villa Risch, die ab 1947 von der Caritas gepachtet worden war, 49 ,Alterspfleglinge' und 43 Kinder“, schildert Werling mit Blick auf die Quellen.
1954 übernahm die Caritas das Haus als Eigentümerin, baute um, errichtete Erweiterungsbauten und eine Kapelle, modernisierte. Ende der 1970er Jahre gab es Überlegungen, die Villa Risch abzureißen und an ihrer Stelle einen funktionalen Neubau zu setzen. „Es lag sogar schon beim Bauamt der Stadt Bergisch Gladbach ein entsprechender Abbruchantrag vor, als man sich doch noch für den Erhalt dieses historisch bedeutsamen Gebäudes entschied“, berichtet Werling.
Heute ist die Villa repräsentativer Mittelpunkt des CBT-Wohnhauses
Heute ist das Haus repräsentativer Mittelpunkt der Einrichtung des CBT-Wohnhauses Margarethenhöhe, ein Senioren- und Pflegeheim, das bemüht ist, mit einem breiten Angebot auf die unterschiedlichen Alltagssituationen und Pflegebedürfnisse alter oder kranker Menschen zu reagieren.
Was würde der Erbauer Gustav August Risch zur Entwicklung seines Hauses sagen? Vermutlich, so Joachim Steiner, Einrichtungsleiter des CBT-Wohnhauses Margaretenhöhe in einem Geleitwort, „würde es ihn freuen, dass der Charme seiner Villa und Parkanlage mittlerweile von Filmteams entdeckt wurde und hier Aufnahmen für Fernsehfilme entstanden sind.“