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Ehrenbürger Bergisch GladbachsKarikaturist Walter Hanel wird 90 Jahre alt

Lesezeit 4 Minuten

Auf sein Lebenswerk blickte Walter Hanel zuletzt im Mai 2019 mit einer großen Ausstellung in Bensberg zurück.

  1. Walter Hanel ist einer der bekanntesten Karikaturisten Deutschlands.
  2. Nun wird der Mann, er einst auch für den Kölner Stadt-Anzeiger zum Zeichenstift griff, 90 Jahre alt.
  3. Wir werfen einen Blick auf sein Leben und seine bekanntesten Werke.

Bergisch Gladbach – Jahrzehntelang ließ er die seltsamsten Vögel aus seiner Garage in Frankenforst in den internationalen Blätterwald flattern. Es waren meist keine hübschen Gestalten, eher böse oder zumindest griesgrämig blickend, und ihre Post war oft brisant, denn sie enthielt bissige Kommentare zum aktuellen Geschehen in Politik und Gesellschaft. Ihr Schöpfer heißt Walter Hanel und ist einer der bekanntesten Karikaturisten der Republik.

90 Jahre wird er am 14. September alt, und vor einigen Jahren hat er sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Die Zeiten, in denen er täglich zum Zeichenstift greifen musste, um regionale und internationale Tageszeitungen (darunter der „Kölner Stadt-Anzeiger“), Magazine und Satirezeitungen mit seinen Karikaturen zu beliefern, sind vorbei. Jeden Tag ein Thema finden, das die Sache wert ist – es war kein leichter Job, als es immerhin das schnelle Internet noch nicht gab.

Walter Hanel: So war die Arbeit ohne Internet

Da hieß es lesen, lesen, lesen, Radio, Fernsehen ausschlachten, sensibel für die Brisanz von Ereignissen zu sein und diese fast wie ein Journalist einzuordnen. „So etwa alle halbe Jahre gibt es einen furchtbaren Tag, an dem mir gar nichts einfallen will“, gab er einmal zu. Das wären dann immerhin noch 363 Tage, an denen ihm etwas Zündendes eingefallen ist.

Der Rabe, Hanels „Wappentier“, taucht in vielen Versionen auf.

In seinem sogenannten Ruhestand hat Walter Hanel mehr Zeit für seine eigentliche Passion, die freien Arbeiten. Diese Zeichnungen haben den im heutigen Tschechien geborenen Deutschen, der nach Jahren in Dresden und Leipzig Anfang der 50er Jahre nach Köln kam, über die Gebrauchskunst hinaus bekannt gemacht. Eines seiner liebsten Bilder ist der „Vogelbaum“, ein knorriges, surreales Gewächs, auf dem lauter komische Viecher hocken; lange hing es in seinem Haus.

Die Zerstörung Dresdens und das furchtbare Ende des Zweiten Weltkriegs im Hinterkopf, schuf Hanel poetische Alptraum-Wimmelbilder, die eine ganz andere Seite zeigen. Aber auch der Rabe, sein Markenzeichen, steht natürlich immer wieder im Mittelpunkt der Zeichnungen. Oft waren die Arbeiten des Ehrenbürgers in Bergisch Gladbach zu sehen, in der Villa Zanders oder der Volkshochschule etwa, deren ehemaliger Leiter Werner Ludwig viele Ausstellungen organisierte und Bücher mit Hanel veröffentlichte.

Träumerisch und surreal: Die andere Seite des Künstlers.

Auch zum 90. Geburtstag waren Werkschauen geplant, die jedoch abgesagt werden mussten. Der Festempfang zu Ehren des Jubilars wird ebenfalls nicht stattfinden; Bürgermeister Lutz Urbach lädt zu einer Feierstunde im kleinen Kreis, bei der sich Hanel ins Goldene Buch der Stadt einträgt. Der Plan steht unter Vorbehalt, denn der Künstler ist erkrankt und in seinem engsten Umfeld schwelt ein Streit um die Betreuung des 90-Jährigen. Hanel selbst äußert sich derzeit in der Öffentlichkeit nicht.

Eines seiner liebsten Motive war Bundeskanzler Helmut Kohl.

Ein treuer Freund und Wegbegleiter seit dem gemeinsamen Studium an den Kölner Werkschulen ist der Bergisch Gladbacher Künstler Eckard Alker. Einen „Meister der Linie“ nennt er den Zeichner in einem liebevollen offenen Brief. Alker: „Linien sind stets Ausdruck menschlichen Handelns, Wahrnehmens und Gestaltens. Linien trennen oder verbinden, sie sind mal statisch, mal gestisch und voller Bewegung, sie repräsentieren und erschaffen Formen in Figur und Raum – eine Gleichzeitigkeit zweier Ansichten.“

Ebenso einfache wie plausible Worte findet Eckard Alker für die Wirkung von Walter Hanels Kunst auf den Betrachter: „Seine Mehrdeutigkeit befähigt uns, die Betroffenheit und Angst offenzulegen. Wir gewinnen Verständnis über uns, denn immer sind es die eigenen Projektionen, mit denen wir konfrontiert werden beim Betrachten seiner Bilder.“

Bürgermeister Lutz Urbach über den Ehrenbürger

„Walter Hanel zeigt in den Skizzen, auf wessen Seite er steht: auf der Seite der sozial und wirtschaftlich Benachteiligten, der politisch Vergessenen oder Verfolgten, auf der Seite von Menschenrecht und Gerechtigkeit. Walter Hanel hat seit den neunziger Jahren die Aktivitäten in Bergisch Gladbach verstärkt. Dazu zählten die Aktionen Kunst gegen Gewalt und Kunst tut gut. Zudem gab es eine gute Kooperation mit der Volkshochschule sowie mehrere Ausstellungen im Stadtgebiet.

Bergisch Gladbach ist sehr dankbar für dieses Wirken. Das Gesamtwerk ist ein Weckruf im wahrsten Sinne des Wortes. Geprägt von den Ereignissen des Krieges und der Flucht. Motive sind Gewalt und Terror, Hunger und Armut, Bedrohung und Aufrüstung, Nationalismus und Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Bis heute haben die Zeichnungen an Aktualität nichts eingebüßt. Leider.“