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Schausteller in NötenSorge hinter den Fassaden der Bergisch Gladbacher Kirmes

Lesezeit 4 Minuten
Im Kirmesfahrgeschäft Break Dancer vergnügen sich Menschen bei Sonnenschein und strahlend blauem Himmel.

Ideales Kirmeswetter für das große Volksfest übers Pfingstwochenende in Bergisch Gladbach. Doch hinter den Kulissen brodelt es.

Die Kirmesbedingungen bei der Bergisch Gladbacher Pfingskirmes sind ideal. Wir zeigen aber auch, was hinter den Kulissen los ist.

Bunte Fahrgeschäfte, Würstchenbude, Reibekuchen, Zuckerwatte und geröstete Mandeln, Luftballontrauben, Wurfbuden, Losverkäufer und Karussells locken rund um den Konrad-Adenauer-Platz.

Einige Menschen stehen auf einem Kirmesfahrgeschäft und applaudieren. Einer hält ein Mikro in der Hand. Vor dem Fahrgeschäft stehen zahlreiche Menschen, die zu den Menschen auf dem Fahrgeschäft schauen.

Eröffnung der Bergisch Gladbacher Pfingstkirmes – unter anderem mit Schaustellern, Kirmesmacher Burkhardt Unrau (M.), Kreisdechant Norbert Hörter (2.v.l.), Bürgermeister Frank Stein (3.v.l.), MdB Dr. Hermann-Josef Tebroke (4.v.r.), MdL Martin Lucke (2.v.r.)

Hunderte Menschen sind gekommen, lokale Politprominenz, Bürgermeister Frank Stein und Kreisdechant Norbert Hörter. Bei strahlendem Sonnenschein.

Doch Wilhelm Liebe sorgt sich. Die Fritteusen in seinem Reibekuchenstand betreibt er mit Gas, das „ordentlich mehr kostet als noch vor zwei Jahren“. Arbeitskräfte, die schon in der klassischen Gastronomie fehlen, sind für einen Imbiss auf der Kirmes fast gar nicht mehr zu bekommen. „Das Schlimmste ist aber der Strom. Die Preise sind weit über 50 Prozent gestiegen und die Elektriker, die uns den Strom bereitstellen müssen, sind exorbitant teurer geworden. Im Grunde wollen sie diese Arbeit gar nicht mehr machen.“

Ob wir am Ende der Pfingstkirmes keine roten Zahlen schreiben, hängt heute von vielen Faktoren mehr ab als vor der Pandemie.
Mario Timm, Schausteller

Gladbachs Kirmesmacher Burkhardt Unrau hatte wie berichtet schon im Vorfeld darauf hingewiesen. Und während sich die Besucher nun am Kirmesbummel erfreuen und den Alltag vergessen können, wächst bei vielen Schaustellerfamilien hinter der bunten Fassade die Anspannung, wie ihre Zukunft aufgestellt ist.


Große Kirmes in klein nachgebaut

Welche Begeisterung Kirmes auslösen kann, hat der zwölfjährige Maximilian Dohm gezeigt, der das Fahrgeschäft Brak Dancer in Miniatur nachgebaut hat – voll funktionsfähig. Da staunten auch die Betreiber des großen Break Dancer, Mario Wingender junior und Romina Lorenz und schenkten dem jungen Bergisch Glabacher etwas ganz Besonderes. Hier geht’s zur kompletten Geschichte des Schülers aus Herkenrath mit Video des kleinen Wunderwerks.


„Ob wir am Ende der Pfingstkirmes keine roten Zahlen schreiben, hängt heute von vielen Faktoren mehr ab als vor der Pandemie“, äußert sich Mario Timm, der schon lange Jahre unter anderem den Kinderflieger betreibt.

„Das Wetter muss schön, aber zu kalt fürs Freibad sein. Außerdem merkt man deutlich, die Leute nicht mehr so viel Geld für die Kirmes übrighaben. Also können wir unsere gestiegenen Kosten nicht weitergeben.“

Kirmesbesucher erfreuen sich an einer rauschenden Fahrt in einer Raupe.

Ordentlich Fahrtwind gibt’s im „Musikexpress“ zu erleben.

Wie in vielen Branchen sind nach der Pandemie keine Mitarbeiter mehr vorhanden. Wo früher drei Helfer zum Aufbau eines Fahrgeschäftes verfügbar waren, ist es heute gerade mal einer, wenn man Glück hat. „Der Papierkrieg für die Arbeitserlaubnis osteuropäischer Hilfskräfte dauert mitunter so lange, dass die Saison schon wieder vorbei ist, bevor eine Genehmigung vorhanden ist.“

Also steht die Schaustellergemeinschaft füreinander ein. Lässt sich ein Lkw nicht reparieren, weil dazu gerade mal das Geld fehlt, zieht eben ein Kollege das Fahrgeschäft an seinen Bestimmungort. Fehlen Arbeitskräfte, die früher innerhalb eines Tages eine Kirmesattraktion aufgebaut haben, helfen Familienmitglieder oder andere Schausteller einander. Auch wenn es einen Tag länger dauert, zum Kirmesstart steht immer alles bereit.

Menschen sitzen in Sitzen auf einer Scheibe, die hoch hinaus in die Luft gewirbelt wird.

Rasante Fahrgeschäfte wie die Frisbee (Foto) und viele Buden locken noch bis Dienstagabend zu Pfingstkirmes in die Bergisch Glabdacher Stadtmitte.

„Hier in Bergisch Gladbach haben wir ja noch Glück“, versichern die beiden, was sicher zu einem Großteil der Organisation und Einsatz von Ehrenschausteller Burkhardt Unrau zu danken ist, der als Geschäftsführer der Schaustellervereinigung manche Türe öffnet und sich für die Schausteller einsetzt. So sind die Standgebühren im zweiten Jahr erlassen worden und der Strompreis wird zu einem kleinen Teil subventioniert.

„Auch wenn die Anstrengungen, die schöne Kirmeswelt zu präsentieren, hinter den Kulissen wachsen“, erklärt Unrau, „geht nicht, gibt es nicht. Wir werden das stemmen, und den Menschen mit diesem Volksfest weiterhin Freude bereiten.“

Rund um den Bergischen löwen ist das zurzeit zu spüren: Auf der „Route 66“ nehmen sie das Steuer in die Hand, drehen sich im „Break Dancer“ um die eigene Achse oder lassen sich vom „Frisby“ in schwindelnde Höhen tragen – ein alljährlich wiederkehrendes Bild, das die Fans des bunten Volksfestes nicht missen möchten. Bis zum farbenprächtigen Höhenfeuerwerk am Dienstagabend ist es in der Gladbacher Stadtmitte noch zu erleben.


Vielseitiges Leben des Kirmesmachers im Rückblick

Kirmesmacher Burkhardt Unrau sitzt an einem Tisch mit roter Tischdecke und signiert Bücher seiner Autobiographie „Das Leben ist ein Rummelplatz“.

Kirmesmacher Burkhardt Unrau bei Signieren seiner Autobiographie „Das Leben ist ein Rummelplatz“ auf der Pfingstkirmes in Bergosch Gladbach.

„Haben Sie auch ein Exemplar zum Blättern?“, fragte eine Frau interessiert, als sie auf der Gladbacher Pfingstkirmes den Stand erblickte, an dem Kirmesmacher Burkhardt Unrau seine Autobiographie „Das Leben ist ein Kirmesplatz“ anbot. „Eine gute Frage“, fand auch der Autor, wollte aber keine Schutzhülle der Bücher öffnen, ohne gleich darauf eine Widmung hineinzuschreiben.

Kurzerhand erzählte er der interessierten potenziellen Kundin, was er mit Unterstützung von Karin Grunewald und mit layouterischer Expertise von Jürgen Frost aus dem Heider Verlag zu Papier gebracht hat. Kurzum, die Dame kaufte das Buch. Einige Schausteller, die diesmal nicht mit ihrem Kirmesgeschäft in Gladbach standen, waren von weither nach Gladbach gekommen, um Unraus Buch mit persönlicher Widmung zu bekommen.

Und so mancher Käufer diskutierte auch mit dem Autor über seine Sicht auf Gladbach und dessen Zukunft. „Nicht nur das Schreiben hat Spaß gemacht“, sagt Unrau am Montag an seinem Bücherstand, „auch das Verkaufen und darüber reden.“ Spricht’s und vollendet eine weitere Widmung für einen langjährigen Wegbegleiter: „Viel Freude beim Lesen!“ (wg)