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Gefährliche Löcher in der HardtEingestürzte, bisher unbekannte Stollen entdeckt

Lesezeit 5 Minuten

Lebensgefahr: Auch die Tagesbrüche in Hohlräume der Grube Norma wurden bereits mehrfach verfüllt.

Bergisch Gladbach – „Da vorne ist alles hohl“, sagt Herbert Selbach und nähert sich vorsichtig der mit einigen Hölzern überdeckten Stelle mitten im Wald. Der 74-Jährig klaubt sich einen langen Ast vom Boden und schiebt ihn zwischen den Stämmen hindurch in das darunter verborgene Loch. Vier Meter Ast gleiten widerstandslos in den Hohlraum unter die Erde und ein Ende ist nicht abzusehen. „Hier in der Hardt die Wege zu verlassen, ist mordsgefährlich“, sagt der Geschichtsforscher aus Sand, der das Waldgebiet in der grünen Mitte von Gladbach kennt wie wenige andere.Das Loch vor ihm im Boden, das vom Eigentümer des Waldes bereits weiträumig mit Flatterband abgesperrt wurde, führt in Hohlräume, die vom früher hier betriebenen Erzbergbau stammen. „Allein unter diesem Loch befindet sich ein Hohlraum von 16 Quadratmetern Größe“, sagt Selbach.

Keine Pläne über Selmas Grubenverlauf

Solche Tagesbrüche treten im Gebiet des Bensberger Erzreviers immer wieder mal auf. Die aktuell aufgerissenen Löcher im Waldboden aber sind insofern besonders gefährlich, da es laut Selbach keinerlei Pläne vom Verlauf der mutmaßlichen Bergwerkshohlräume gibt, die hier offenbar eingebrochen sind.

Herbert Selbach aus Sand zeigt die Löcher zu einem mutmaßlich eingestürzten Stollen des Bergwerks.

„Das Ganze dürfte zur Eisenerzgrube Selma gehören, die Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb war“, sagt Bergbaukenner Selbach und peilt die überdeckten Löcher im Waldboden an: „Liegen alle ungefähr auf einer Linie“, so der 74-Jährige. „Wahrscheinlich ein Gang, der von den beiden von weiter unten im Tal in den Berg getriebenen Stollen abging.“

Löcher sollen mit Material verfüllt werden

„Im Versuchsbetrieb ist hier nach Eisenerz gesucht worden“, weiß Bergbauexperte Herbert Ommer vom Förderverein des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe in Bensberg. Die Grube Selma gehörte damals Eduard Knobel, dem Besitzer des Gutes von Haus Lerbach. „Ihm gehörte auch die bedeutend größere Grube Britannia weiter unten im Lerbacher Wald und die Britanniahütte, in der das Erz verhüttet wurde“, weiß Herbert Selbach.

Auch der bereits 2018 verfüllte Maschinenschacht der Grube Norma brach 2020 erneut ein.

Anders als bei der nicht weit entfernten ehemaligen Blei- und Zinkerzgrube Norma, deren Maschinenschacht 2018 urplötzlich eingebrochen war, nachdem offenbar eine im Laufe der Jahrzehnte marode gewordene Abdeckung nachgegeben hatte, gibt es bei der Grube Selma keinen Rechtsnachfolger des letzten Bergwerksbetreibers. Daher kümmert sich die für derartige Bergschäden zuständige Stelle beim Land NRW um den Schaden. „In den kommenden Tagen sollen die Löcher mit angefahrenem Material verfüllt werden“, weiß Selbach und warnt nicht nur angesichts des aktuellen Bergsturzes: „In der Hardt von den Wegen abzugehen, kann lebensgefährlich sein. Nicht auszudenken auch, was wäre, wenn etwa ein Kind beim Spielen im Wald in dieses tiefe Loch stürzen würde...“

Verfüllte Maschinenschachte sacken nach

Dass auch Verfüllungen die Gefahr häufig nicht dauerhaft bannen können, hat sich jüngst bei dem 2018 mit Steinmaterial von einer benachbarten Bergwerkshalde verfüllten Maschinenschacht der Grube Norma gezeigt: Er ist im vergangenen Jahr erneut eingebrochen.

Auch der bereits 2018 verfüllte Maschinenschacht der Grube Norma brach 2020 erneut ein.

„Das ist noch mal unglaublich nachgesackt“, sagt Benjamin Stapf vom Naturfreundehaus Hardt, der den erneuten Einbruch bei einem Kontrollgang entdeckte. „Seit dem ersten Einbruch schaue ich da regelmäßig nach“, sagt er.

Waren beim ersten Mal zur Auffüllung rund 200 Kubikmeter Haldenmaterial nötig, so seien es beim zweiten Einsturz sogar 250 Kubikmeter gewesen, weiß Bergbauexperte Herbert Ommer. Er beobachtet alle zehn bis 15 Jahre verstärkt größere Tagesbrüche in der Region.

Betonplomben können größere Einstürze verschließen

Besonders spektakulär und gefährlich war 2008 der Einsturz eines Schachtes der früheren Erzgrube Blücher, deren Verwaltungsgebäude heute das Naturfreundehaus Hardt ist. Der Schacht befindet sich ausgerechnet unter dem Parkplatz des Naturfreundehauses.

Mehr Betonpfropfen im Einsatz

Baumarktzufahrt und Sportplatztribüne

Mit Flüssigbeton sind im vergangenen Jahr nach Auskunft von Bergbauexperte Herbert Ommer auch Hohlräume unter der Zufahrt zum Knauber-Markt (heute: Bauhaus) unweit des Technologieparks verpresst und damit endgültig gesichert worden. Vor 15 Jahren sei erstmals eine leichte Senke in der Zufahrt aufgetreten. Sie sei durch Setzungen im Bereich der um 1850 erschlossenen Buntmetallerzgrube Leopold von Buch entstanden, so Ommer. „Mitten auf der Overather Straße davor, zwischen den beiden Bushaltestellen, sieht man einen Kanaldeckel. Dort war der Maschinenschacht der Grube, der schon früher verfüllt wurde“, weiß Bergbauexperte Herbert Stahl, der mit Ommer und dem kürzlich verstorbenen Gerhardt Geurts eine fünfbändige Buchreihe zum Bensberger Erzrevier herausgegeben hat. Für die Grube Leopold von Buch wurden ab 1852 von vier senkrecht in die Erde getriebenen Schächten aus unterirdische Gänge in Richtung des Königsforsts und des heutigen Technologieparks getrieben. 1890 wurde die Erzgrube schließlich mit der Grube Weiß in Moitzfeld vereinigt (konsolidiert).

Eine Betonplatte verschließt seit dem Sommer 2019 auch den Schacht der Grube Bergsegen auf dem nach ihr benannten heutigen Sportplatzgelände in Rösrath-Hoffnungsthal. In der Erzgrube waren von 1854 bis 1897 Blei- und Zinkerze abgebaut worden. (wg)

Glücklicherweise stand zum Zeitpunkt des Einsturzes der alten Schachtabdeckung kein Auto darauf. Der Schacht wurde damals wie ein ebenfalls riesiger Tagesbruch auf einer Weide bei Overath-Großhurden mit einer Betonplombe verschlossen, um weitere Einbrüche in Zukunft zu verhindern.

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Ebenso wurde vor zwei Jahren hinter den Zuschauertribünen des Sportplatzes Bergsegen in Rösrath-Hoffnungsthal verfahren – allerdings noch bevor die dortige Abdeckung der früheren Erzgrube Bergsegen nachgab. „So etwas kann dann erstmal wieder für die nächsten 100 Jahre als gesichert gelten“, sagt Bergbauexperte Ommer. Mit Beton seien daher auch die Hohlräume unter der Zufahrt zum Knauber-Markt (heute: Bauhaus) im vergangenen Jahr verpresst worden, so Ommer (siehe „Mit Beton gegen Absackungen unter Baumarktzufahrt und Sportplatztribüne“).

Bei unklaren Tagesbrüchen in schlecht zugänglichem Gelände wird unterdessen oft mit losem Material verfüllt, das hoch über den Löchern im Boden aufgeschüttet und dann weiter beobachtet wird.

„Das hier wird man noch über Jahre kontrollieren müssen“, sagt Herbert Selbach und schaut auf die Löcher im Boden, die mutmaßlich in einen bis heute nicht bekannten Hohlraum der Grube Selma führen. Er wird das Gelände auch künftig im Auge behalten.