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„Schlimm für uns“Anlaufstelle für geflüchtete Frauen in Bergisch Gladbach schließt

Lesezeit 5 Minuten
AnBe schließt Bild von 2018

Nach rund sechs Jahren wird die Einrichtung AnBe in Bergisch Gladbach geschlossen.

Bergisch Gladbach – Es sind grundsätzliche Sprachschwierigkeiten, Probleme bei Schul- oder Ausbildungssituationen der Kinder, Arzt- oder Klinikbesuche, Briefe von Behörden, Vertragsinhalte – In vielen weiteren Lebenssituationen des Alltags kommen geflüchtete Frauen aus arabisch-sprachigen Ländern allein nicht oder nur schwer zurecht. Tixhe Sulejmani-Alili und Katia Aghmir helfen den Flüchtlingsfrauen in der Beratungsstelle AnBe in Bergisch Gladbach seit fast sechs Jahren. Sie verstehen die Kultur der vielfach aus Syrien stammenden Frauen. Sie vermitteln, sie beruhigen, sie übersetzen, sie begleiten, sie trösten, sie helfen schnell. Diese Unterstützung fällt nun weg. Denn die Beratungsstelle wird Ende August schließen.

„Dieser Schritt ist auch schlimm für uns. Aber es geht nicht mehr“, bedauert Elisabeth Rückl, Vorstandsfrau des Vereins „Frauen stärken Frauen“ für den Rheinisch-Bergischen Kreis. Der Verein hat 2016 die Anlauf- und Beratungsstelle (AnBe) für alleinreisende und alleinerziehende Flüchtlingsfrauen initiiert. Aus finanziellen Gründen könne der Verein die Beratung nicht länger fortsetzen.

Bergisch Gladbach: Integration ist das Ziel

„Die Arbeit der beiden Beraterinnen von AnBe ist sehr wichtig“, betont Elisabeth Rückl. Doch um die Unterstützung mit einer Beratungsstelle fortzusetzen, müsse das Konzept weiterentwickelt werden. Und dafür müsse eine ausgebildete sozialpädagogische Fachkraft dort arbeiten. „Bisher war es als Starthilfe konzipiert. Jetzt ist die Integration der Frauen das Ziel“, erklärt Rückl.

RB Anlaufstelle E Rückl

Elisabeth Rückl, Vorstand Frauen stärken Frauen

Eine Fachkraft, die dieses Projekt begleitet, könne der Verein Frauen stärken Frauen jedoch nicht finanzieren und somit auch nicht einstellen. Das sei der Hauptgrund für die Schließung der Beratungsstelle. „Wir haben ein Jahr lang versucht, eine Lösung zu finden“, erläutert Michaela Fahner vom Vorstand.

Geld für Fachkraft fehlt

Zusammen mit der Stadt Bergisch Gladbach, die von Beginn an die Beratungsstelle unterstützt und mitfinanziert hat, habe man einen neuen Träger gesucht. Ohne Ergebnis. „Es scheitert am fehlenden Geld“, so Fahner.Nachdem klar ist, dass sich der Verein zurückzieht und auch kein neuer Unterstützer in Sicht ist, fördert auch die Stadt die Beratungsstelle zukünftig nicht mehr.

Viele packten an

Das Projekt „AnBe“

Das Projekt der Anlauf- und Beratungsstelle (AnBe) für alleinstehende geflüchtete Frauen ist in Rhein-Berg eine Besonderheit. Es wird landesweit nur in wenigen Städten und Gemeinden angeboten. Die ständige Suche nach Spenden und anderen Finanzquellen hat den Bestand von AnBe immer wieder erschwert. Initiiert hat Gerda Gehlen, ehemalige Leiterin des Frauenhauses, das Projekt für den Verein Frauen stärken Frauen. Große Unterstützung gab Beate Schlich, damals Leiterin des Fachbereichs Jugend und Soziales bei der Stadt Bergisch Gladbach. Gemeinsam haben sie die Idee für die Beratungsstelle entwickelt.

Die Stadt Bergisch Gladbach hat sich nach Angaben der Pressestelle ab 2019 mit einem Zuschuss von 3000 Euro beteiligt, für eine Laufzeit bis September 2020. Den weitaus größeren Teil der Finanzierung hat damals der Verein selbst, ein Großspender und das kommunale Integrationszentrum des Rheinisch-Bergischen Kreises getragen. Im August 2020 hat der Fachausschuss der Stadt einen Zuschuss von 10 000 Euro bewilligt und dazu beigetragen, den Betrag von insgesamt 58 000 Euro für ein weiteres Verlängerungsjahr aufzubringen. Diese Finanzierungszusage lief Ende August 2021 aus.

Eine weitere Verlängerung wurde bis 31. August 2022 erreicht. Hierzu steuerte die Stadt per Ratsbeschluss 20 500 Euro bei –18 500 aus Mitteln des Integrationsrates und 2000 von der Gleichstellungsstelle. Das Unternehmen Indus Holding spendete den Rest des Geldes.Gegenüber der evangelischen Kirchengemeinde Heidkamp ist die Stadt als Mieterin aufgetreten und hat dem Verein Frauen stärken Frauen die Räumlichkeiten überlassen.

Ob Sommerfest, Zuckerfest, Nikolaus oder Karneval – zahlreiche Veranstaltungen haben die Beraterinnen von AnBe für die geflüchteten Frauen und Kinder organisiert. Während der Pandemie fand ein Computerkursus statt und zuletzt ein Sprachkurs „Deutsch im Alltag“. (dr)

Aufgrund der zunehmend schwierigen Finanzsituation falle es der Stadt schwer, ohne Förderung ein solches Angebot aufrecht zu erhalten, teilt Pressesprecher Martin Rölen mit. „Die Förderlandschaft wird weiter beobachtet. Bei passenden Programmen - die NRW-Regierung richtet sich eventuell neu aus - ist eine Neuauflage oder ein aktualisiertes Projekt denkbar.“

Mehr als 140 Klientinnen in Bergisch Gladbach

Von der recht hohen Zahl an geflüchteten Frauen, die sich allein nicht ausreichend verständigen können, wissen Elisabeth Rückl und ihre Mitstreiterinnen. Ehrenamtlich hat sie AnBe in den vergangenen Monaten betreut. „Sie haben zum Beispiel kleine Kinder oder sind durch andere Umstände ans Haus gebunden und kommen nicht raus.“ Diese Gruppe komme seit Jahren zu AnBe und suche Hilfe. Und: „Sie bringen auch neue ratsuchende Frauen mit.“

„Es sind rund 140 Klientinnen, die konstant über all die Jahre zu uns kommen“, berichtet Katia Aghmir. Zeitweise waren es deutlich mehr. Zusammen mit Tixhe Sulejmani-Alili ist sie seit Gründung von AnBe in der Beratung aktiv. Beide Frauen sind jeweils 20 Stunden in der Woche vor Ort. Tixhe Sulejmani-Alili stammt aus Makedonien, ein Nachbarstaat von Albanien, und lebt seit 1985 in Deutschland, inzwischen in Rösrath-Forsbach. Sie spricht fließend Deutsch, Englisch und Albanisch. Katia Aghmir stammt aus Marokko. Sie spricht neben Deutsch auch Arabisch und Marokkanisch, lebt seit 22 Jahren in Deutschland.

Vertrauen entwickelt

„Wohin gehen wir jetzt?“. Diese Frage hören die beiden Beraterinnen nun ständig. „Es wird schwer für die Frauen“, weiß Katia Aghmir. Denn zu ihr und zu Tixhe Sulejmani-Alili sei großes Vertrauen entstanden. Sie habe versucht, die Geflüchteten für das Leben in einem für sie fremden Land zu stärken. „Ich selbst habe bei all diesen Kontakten zu den Frauen, ihren Lebenswegen, so viel gelernt. Auch dafür bin ich dankbar“, sagt sie.

Wie es für die beiden Beraterinnen ab September weitergeht, wissen sie nicht. Aghmir: „Wir haben keinen Plan.“ Sie seien in Kontakt mit dem Arbeitsamt. Aber noch gebe es nichts Konkretes.

Die Beratungsstelle ist 2020 umgezogen in Räume der Kreativitätsschule im Gemeindezentrum „Paula“ in Heidkamp. Diese Begegnungsstätte könne von den geflüchteten Frauen und ihren Kindern weiterhin besucht werden, teilt Rölen mit. Auch die Erstberatungsstelle beim Jugendamt der Stadt sei anzusprechen. Doch es ist nur ein geringer Ersatz für AnBe. Tixhe Sulejmani-Alili und Katia Aghmir sind nicht mehr da.