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Beratungsstelle „Hand in Hand“Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern

Lesezeit 4 Minuten

Die Handpuppe Max ist ein wichtiger Helfer für Dorothee Rupprecht , die die Kinder in ihrer Sprechstunde betreut. Mit Hilfe von Max kann die Beraterin in vielen Fällen Vertrauen aufbauen.

  1. Vor zehn Jahren wurde die Beratungsstelle „Hand in Hand“ gegründet.
  2. Sie gibt Hilfestellungen und kümmert sich um Kinder psychisch kranker Eltern.
  3. Gemeinsame Aktivitäten in Gruppen soll den Kindern aus der Isolation holen.

Bergisch Gladbach – Jenny ist erst sechs Jahre alt, aber Jenny kann schon alleine Wäsche waschen und für ihre Mama Nudeln kochen. Wenn sich die anderen Kinder in der Schule über Spielzeuge streiten oder vom Urlaub erzählen, steht Jenny sprachlos daneben. Sie hat kaum Freunde, denn nach Hause mag sie niemanden mitbringen, weil ihre Mama den ganzen Tag im verdunkelten Wohnzimmer auf dem Sofa liegt. „Bei mir ist alles so anders,“ denkt Jenny dann und fragt sich wieso.

„Kinder wie Jenny haben schon so viel mehr vom Leben gesehen als andere,“ sagt Dorothee Rupprecht von der Beratungsstelle „Hand in Hand“, die sich um Kinder von psychisch kranken Eltern kümmert. Jenny ist nur ein Beispiel, es gibt sie nicht wirklich, aber ihr Leben ist exemplarisch. Die diplomierte Heilpädagogin und Kinder- und Jugendlichentherapeutin hat schon viele dieser kleinen Menschen betreut, die, wie sie sagt, „einen riesigen Rucksack mit sich herumtragen, der viel zu schwer für sie ist.“

Betreuung von 40 Familien im Jahr

Vor zehn Jahren hat sie die Beratungsstelle Hand in Hand in Bergisch Gladbach aufgebaut, die ein Spezialbereich der Katholischen Erziehungsberatungsstelle ist. Seitdem betreut sie mit ihrem Team rund 40 Familien im Jahr. Oft sind es die Jugendämter, die die betroffenen Kinder an sie überweisen, manchmal auch der nicht erkrankte Elternteil oder ein Lehrer oder Arzt, der auf das Kind aufmerksam wird.

Leidenstypen

Dorothee Rupprecht hat drei Leidenstypen bei Kindern psychisch erkrankter Eltern ausgemacht:

Der Heldentyp: „Das sind tolle Kinder, die alles stemmen. Sie sind kleine Erwachsene, ernst und verantwortungsbewusst.“

Das schwarze Schaf: „Diese Kinder werden auffällig, prügeln sich, klauen, schwänzen die Schule, sind in Gefahr, in Kriminalität oder Drogensucht abzurutschen.“

Das Maskottchen: „Sie sind die Kuscheltiere, die der Erkrankte nicht loslassen möchte, sind verantwortlich für das Wohl und Wehe, müssen immer lieb sein.“

Mit der ersten Begegnung beginnt ein schwieriger Prozess, denn: „Die Kinder sind geprägt von Schuld, Scham und Isolation,“ sagt Dorothee Rupprecht. „An die kommt man nicht so einfach heran. Sie sind gewöhnt, sich einzukapseln.“ Tabuisierung gehört zu den fundamentalen Überlebensstrategien in den Familien. „Körperliche Erkrankungen wie ein Beinbruch sind begreifbar und erklärbar,“ so Rupprecht. „Psychische Erkrankungen mit ihren Begleitsymptomen sind für Kinder schwer zu fassen. Irgendwie wissen die Kinder, dass sie nicht darüber reden dürfen.“ Dadurch entsteht die Isolation.

Deshalb sei der wichtigste Schritt, den Kindern klarzumachen: Du darfst darüber reden, ohne Verrat zu begehen. Im Gespräch mit Eltern und Kind wird dieser Punkt vorab geklärt. Dann beginnt das, was Rupprecht Beziehungsarbeit nennt. Die Handpuppe Max dient ihr als Strohmann, um mit den Kindern auf Augenhöhe zu kommunizieren. In einem Spielzimmer sind kleine Figuren, ein Sandkasten und eine Fülle von Spielzeug, um die Kinder auf verschiedenste Weise anzuregen. Es gibt Einzelgespräche und Gruppentherapien, in denen sich die Kinder langsam öffnen. Sie erleben, dass sie nicht allein sind, dass es anderen genauso geht. Das schafft Erleichterung.

Die Beratungsstelle

Die städtische Beratungsstelle „Hand in Hand“ ist ein Spezialbereich der Katholischen Erziehungsberatung Bergisch Gladbach. Dort arbeiten zehn Berater und Beraterinnen. Sie betreuen jährlich insgesamt 900 Familien aus dem gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis; aus Bergisch Gladbach, Rösrath und Overath. „Hand in Hand“ macht Einzel- und Gruppenbetreuung (jeweils etwa sechs Kinder) für etwa 40 Familien im Jahr, die Kinder sind in der Regel ab fünf Jahre alt.

Kontakt: (02202) 35016

www.erziehungsberatung.net

„Manche Kinder,“ hat Dorothee Rupprecht erlebt, „gehen schließlich noch nicht einmal mehr zur Schule , um Mama zu helfen.“ Oft sind sie das einzige oder älteste Kind einer alleinerziehenden Mutter, die zum Beispiel an einer Depression oder Angsterkrankung leidet. Rupprecht: „Sie fühlen sich schuldig, wenn etwas schief geht, und manchmal kriegen sie sogar gesagt: Du machst mich krank.“

Kinder sollen sich in Gruppen wohlfühlen

Um Kindern in einer solchen Situation zu helfen, muss die Heilpädagogin maßgeschneiderte Hilfe anbieten. In der Regel erstreckt sich die Therapie über den Grundschul-Zeitraum, aber manche Kinder kommen wieder, teilweise sogar als Jugendliche. Um ihre kleinen beschwerten Gemüter aus der Isolation herauszuholen, gibt es Ausflüge in der Gruppe, zum Beispiel auf einen Bauernhof, einen Waldtag, Trommelworkshop oder einen Besuch im Phantasialand, mit dem die Beratungsstelle eine Kooperation hat, so dass die Kinder zwei Mal im Jahr dort eingeladen sind. Die Busfahrt wird durch Spenden finanziert.

„In den Familien versuchen wir, Helfer zu installieren, damit die Kinder auch außerhalb der Beratungsstelle einen Ansprechpartner vorfinden,“ erklärt die Pädagogin. „Und immer wieder muss gesagt werden: Reden hilft, mit allem besser klar zu kommen.“ Die Berater stehen unter Schweigepflicht. „Das ist das Wichtigste,“ sagt Rupprecht. „Dass Vertrauen wächst.“