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Interview mit Bibliotheksleiterin„In der Stadtbücherei Bergisch Gladbach fehlen Räume“

Lesezeit 6 Minuten
Die Büchereileiterin steht vor einem Bücherregal und hält ein Buch zum Thema Herbst in der Hand.

Monika Gippert, Leiterin der Stadtbibliothek Bergisch Gladbach, verlässt die Einrichtung nach acht Jahren. Am Donnerstag hat sie ihren letzten Arbeitstag.

Die Stadtbücherei braucht dringend ein neues Dach übern Kopf. Leiterin Monika Gippert spricht zum Abschied mit Uta Böker über die Einschränkungen.

Die zentrale Stadtbücherei in Bergisch Gladbach ist viel mehr als ein Ort für Bücher. Monika Gippert (63) hat die Einrichtung acht Jahre lang geleitet, jetzt geht sie in den Ruhestand. Am morgigen Donnerstag ist ihr letzter Arbeitstag. Ein Interview zum Abschied.

Was suchen Menschen heutzutage in einer Bibliothek?

Gesicherte Informationen, Medien in jeder Form, also nicht nur Bücher, sondern eben auch ganz viel anderes: DVDs, CDs, Konsolenspiele, Zeitschriften, digitale Medien, Zugang zu Datenbanken und zunehmend auch Alltagsgegenstände. Deshalb hat sich der Begriff „Bibliothek der vielen Dinge“ etabliert. Das Prinzip Sharing is Caring macht ja auch Sinn.

Was ist damit gemeint?

Wir bieten zum Beispiel die Nutzung von technischen Geräten an. Es hat eben nicht jeder einen Drucker zu Hause oder WLAN, ein Tablet oder eine Spielekonsole. Indem wir dies kostenlos zur Verfügung stellen und auch damit verbinden, Medienkompetenz zu vermitteln, hat eine Einrichtung wie diese nicht nur einen Bildungscharakter, sondern ebenfalls eine soziale Komponente.

Man kann in einer Bücherei also viel mehr machen als Bücher ausleihen?

Die Menschen sehen heutzutage in einer Bibliothek etwas anderes. Einen Ort, indem sie auch Unterhaltung in Form von Veranstaltungen und Austausch finden. Es geht nicht nur um Wissen, sondern um Leben. Die Menschen stehen im Mittelpunkt. Die Medien sind notwendig, um all diese Dinge zu verwirklichen. Früher waren Büchereien Ausleihorte. Die Menschen gingen dahin, holten sich ein Buch und waren wieder weg. Heute ist die Stadtbücherei ein Aufenthaltsort.

Und es ist ein Ort, der nicht kommerziell besetzt ist.

Genau, die Stadtbücherei ist auch ein Ort der Begegnung. Hier muss man keinen Eintritt bezahlen. Finden Sie mal einen öffentlichen Ort, wo das möglich ist, ohne dass man sich gleich einen Cappuccino bestellen muss. Jeder kann sich hierhin setzen und einen PC nutzen. Dazu braucht man noch nicht einmal einen Bibliotheksausweis. Hier lernen sich auch Leute kennen und freunden sich an. Und der Austausch ist so wichtig, das hält eine Gesellschaft zusammen.

Aber das klassische Buch wird auch noch nachgefragt?

Ja! Das konnte man gut nach Corona sehen. Als wir wieder aufgemacht haben, kamen sehr viele Leute, die lieber länger auf ihr Wunschbuch warten wollten, als es online auszuleihen und als E-Book zu lesen.

Das marode Forum-Gebäude erlaubt die Umsetzung moderner Bibliotheksstrategien nicht. Was sind die größten Mängel?

Die größte Einschränkung ist der fehlende Aufzug. Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, können zwei Drittel des Gebäudes nicht nutzen. Das ist richtig bitter. Die zweite große Einschränkung ist, dass wir nur einen provisorischen Veranstaltungsraum haben.

Aber es finden doch trotzdem regelmäßig Veranstaltungen in der Stadtbücherei statt. Wie funktioniert das?

In dem Raum, den wir Spannungsbibliothek nennen, wo viele Krimis stehen, haben wir alle Regale mit Rollen ausgestattet. Jedes Mal, wenn eine Veranstaltung stattfindet, starten wir ein Rollkommando. Die Regale werden verschoben und die Stühle geholt. Und morgens früh, dann alles wieder zurück. Das ist wirklich heftig und vom Schreibtisch-Job weit entfernt. Und es bedeutet leider auch, dass Veranstaltungen nur stattfinden können, wenn die Bibliothek geschlossen ist.

Wenn man sich hier umschaut, ist tatsächlich jedes Fleckchen zugestellt.

Ja, wir haben zwar einige einzelne Arbeitsplätze eingerichtet. Leider haben wir aber keinen Platz für Gruppenarbeitsplätze für Schüler oder Studierende. Aus akustischen Gründen geht das nicht. Wenn in der Nähe einer die Zeitung liest, würde er sich gestört fühlen. Schade, denn das wird benötigt.

Trotzdem haben Sie und ihr Team es immer wieder geschafft, das Veranstaltungsprogramm auszubauen.

Unter diesen Rahmenbedingungen haben wir versucht, das Beste rauszuholen. Wir haben das ganze Foyer umgebaut und den gesamten Medienbestand auf Selbstverbucher umgestellt. Das hat uns in der Corona-Zeit gerettet. Sonst wäre es echt schwierig geworden. Das war aber auch die Voraussetzung dafür, dass wir die Öffnungszeiten um 30 Prozent erweitern konnten. Jetzt haben wir 35 Wochenstunden geöffnet.

Was ist das Wichtigste, was eine Bibliothek der Zukunft braucht?

Sie braucht Räume, sie braucht Platz. Obwohl es elektronische Medien gibt, braucht eine Bibliothek heute mehr Platz. Denn viele Leute wollen und sollen sich hier aufhalten. Die Vermittlung von Medienkompetenz und Leseförderung bedeutet, dass die Menschen bleiben. Als unverbindlichen Treffpunkt müsste es ein Café geben.

Warum ist ein Café so wichtig? Dies haben Sie schon in Ihrem Strategiepapier von 2019 betont.

Eine Bibliothek muss nach außen gut sichtbar sein. Man muss sehen, da sitzen Leute, da sind Bücher, aber da ist auch etwas los. So ein Ort ist wichtig als Treffpunkt, um sich zu verabreden und vielleicht danach eine Lesung zu verfolgen. Als Stätte der Begegnung wirkt so ein Ort auch der Vereinsamung der Menschen entgegen.

Aktuell werden drei Varianten für eine neue zentrale Stadtbücherei im Zuge einer Machbarkeitsstudie geprüft. Der Beigeordnete Ragnar Migenda sagte in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses, dass er persönlich die ehemalige Kantine auf Zanders als künftigen Standort favorisiere. Sehen Sie das auch so?

Ja, aus mehreren Gründen. Wenn hier am Standort das Gebäude abgerissen und neu gebaut oder umgebaut und angebaut würde, müssten wir für diese Zeit hier raus. Das heißt, es müsste eine Interimslösung geben. Dies würde bedeuten, dass die Einschränkungen lange andauern würden. Und die Bibliothek müsste zweimal umziehen. Dies bleibt aber eine Entscheidung der Politik.

Kommen die Alternativen, Sanierung oder Neubau am jetzigen Standort, für Sie überhaupt infrage?

Städtebaulich gesehen ist der Standort in der Nähe vom Park immer noch attraktiv. Zudem ist die Bücherei hier, wie man so schön auf Neudeutsch sagt, ein Frequenzbringer für den oberen Teil der Hauptstraße. Über die vielen Jahre fühlen sich die Mitarbeiter trotz der Mängel mit dem Gebäude verbunden. Aber das müssen am Ende alles die Stadtplaner und die Politik entscheiden.

Was wünschen Sie der neuen Bücherei?

Ich hoffe, dass die Standortfrage möglichst bald geklärt wird. Und dass ein Fachplaner für Bibliotheken hinzugezogen wird, damit es schöne Räume gibt, damit die Bibliothek sich ganz anders als bisher nach außen öffnen kann. Vielleicht sogar mit einem Lesegarten, wo die Besucher draußen sitzen können. Und natürlich wünsche ich mir, dass die Arbeitsbedingungen für meine Kolleginnen und Kollegen besser werden.


Nachfolgerin ist schon gefunden

Die Nachfolgerin von Monika Gippert steht schon fest: Die Leitung der Stadtbibliothek Bergisch Gladbach übernimmt ab November Julia Besten. Wie berichtet, hat sie einen interkulturellen Hintergrund.

Julia Besten, 1973 in Köln geboren, studierte Afrikanistik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Deutsche Philologie in Köln und lebte ein Jahr lang in Namibia, wo sie in der Kinderhilfe tätig war. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland übernahm sie 21 Jahre lang die Geschäftsführung der Archiv- und Museumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal.

Dort konzentrierte sie sich auf den Aufbau von Bibliotheken, Archiven und Museen in Asien und Afrika sowie auf die Etablierung von Museen und Archiven als außerschulische Lernorte in der Region. Besten kündigte an, den Weg der Bücherei fortführen zu wollen und moderne Räume für die Bibliothek zu schaffen, „damit sie ein neues Zuhause für alle Bürgerinnen und Bürger wird.“ (ub)