Tischtennis-Profi Jochen WollmertNach den Paralympics 2020 ist international Schluss
Bärbroich – „Meine Beinarbeit funktioniert ganz gut“, sagt Jochen Wollmert – ohne hinzuzufügen, dass beide Fußgelenke gelähmt sind und dies ein enormer Nachteil bei so einem schnellen Sport wie Tischtennis ist. Damit nicht genug. Auch beide Handgelenke sind gelähmt. Das alles ist aber für den 54-Jährigen kein Hinderungsgrund, um den nichtbehinderten Tischtennisspielern in der Verbandsliga das Fürchten zu lehren.
Und auch im sonstigen Leben steht der 52-fache Deutsche Meister seinen Mann. Er arbeitet als Öffentlichkeits-Beauftragter bei der Barmer Ersatzkasse in Wuppertal, wo er auch wohnt, und ist in zweiter Ehe mit Steffi verheiratet, mit der er drei Kinder hat – das jüngste ist erst vier Monate alt. Aus der ersten Verbindung brachte Wollmert drei weitere Kinder mit in die Ehe, womit er stolzer Vater von sechs Sprösslingen ist, drei Töchtern und drei Söhnen.
Umwege führten ihn zum Tischtennis
Sportlich war Wollmert schon immer. Zum Tischtennis kam er aber erst spät und auf dem Umweg über Handball, Volleyball, Fußball, Tennis Badminton und sogar Radball. Da war er 17 Jahre alt. Ein Klassenkamerad, der schon Tischtennis spielte, fragte ihn damals, ob er mal ersatzweise in seiner Mannschaft spielen wolle. Das tat der Mann vom TTC Bärbroich, und dann spielte er sich langsam vom untersten Paarkreuz der 3. Kreisklasse langsam nach oben. Zu seiner besten Zeit war er in Baden-Württemberg sogar in der Oberliga der Nichtbehinderten, damals vierthöchste Klasse, aktiv.
Geradezu traumhaft verlief die Entwicklung, nachdem er 1986 erstmals bei einem Turnier für gehandicapte Spieler mitmachte. Das habe Mitte der 80er Jahre noch Versehrtensport geheißen, erinnert sich Wollmert ungern an eine Zeit, als Behindertensport noch nicht den Stellenwert von heute hatte, eine Randerscheinung war. Bei seiner ersten DM konnte er in seiner Schadensklasse (7) den vierten Rang erreichen, was nicht ohne Folgen blieb.
Tischtennis-Profi sammelte Titel wie andere Bierdeckel
Der Ehrgeiz, die anderen zu überholen, war in den 30 Jahren danach ein wichtiger Grund seiner ungewöhnlichen Erfolgsbilanz aus. Wollmert sammelte nationale und internationale Titel wie andere Bierdeckel. Mehr als ein Dutzend EM-Titel erreichte er, kaum weniger WM-Erfolge, dazu fünf Paralympics-Goldmedaillen und zahlreiche Podestplätze im Einzel und mit der Mannschaft. Wollmert war elf Jahre die Nummer eins in der Welt und errang ganz nebenbei 52 Weltcup-Siege.
Jetzt möchte der sympathische Sportsmann nach drei Jahrzehnten Hochleistungssport 2020 in Tokio seine internationale Karriere beenden, vorausgesetzt, er schafft die strapaziöse Qualifikation, die jetzt im März mit einem von fünf Pflichtturnieren in der Schweiz beginnt.
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Ein sportliches Krisenjahr gab es 2017, was Wollmert als Sabbatjahr bezeichnet. Verzicht auf die EM, mangelnde Motivation und fehlendes Feuer beschreiben die Lage. Eine neue Herausforderung musste her und ein neues Umfeld, da sich Wollmert bei seinem damaligen Verein Borussia Düsseldorf nicht mehr gut aufgehoben fühlte.
Vereinswechsel sorgte für neue Motivation
Nach sorgfältiger Suche wechselte der Zelluloidkünstler, der nahezu nur mit der Rückhand agiert und damit einen kaum berechenbaren Top- und Sidespin spielt, zum TTC Bärbroich. Zuvor hatte er die guten Bedingungen dort schon kennengelernt, als er noch gegen die Bergischen spielen musste.
Und er hatte gesehen, mit welcher Begeisterung die vielen Zuschauer mitfiebern. Hier fühlte sich Wollmert von Anfang an sehr wohl und konnte auch gleich mit dem Team den Aufstieg in die Verbandsliga feiern. Für Tokio ist sein Ehrgeiz nicht zuletzt wegen des günstigen Umfelds wieder entfacht worden. Für die Quali wird der vielfache, auch außerhalb der Sportwelt Geehrte demnächst von drei auf bis zu fünf wöchentliche Trainingseinheiten hochfahren.
Zahlreiche Auszeichnungen für den Tischtennis-Profi
Von nicht weniger als fünf Bundespräsidenten erhielt Jochen Wollmert das Silberne Lorbeerblatt verliehen. Als erster deutscher Tischtennisspieler fand er Aufnahme in die Hall of Fame des internationalen TT-Verbandes. Am nachdrücklichsten zeigen zwei andere Ehrungen, aus welchem Holz der 54-Jährige geschnitzt ist. 2012 erhielt Wollmert den Fair Play Preis des Deutschen Olympischen Sportbundes. Und 2013 wurde ihm der Coubertin Award verliehen, die weltweit höchste Auszeichnung für faires Verhalten im Sport.