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Jubiläum"Schnapsklassen" mussten morgens lüften

Lesezeit 4 Minuten

Gabriele Eick - früher Schülerin, heute Lehrerin an der JGR.

Bergisch Gladbach – Lehrerin Brigitte Scharfenberg suchte an ihrem ersten Arbeitstag im Juni 1962 in Bensberg vergebens nach der neugegründeten Johannes-Gutenberg-Realschule. Denn als Gebäude gab es die Schule gar nicht. 50 Jahre später ist die Johannes-Gutenberg-Realschule – von Schülern und Lehrern kurz JGR genannt – längst in der Stadt angekommen: an der Straße Kaule, wo die Schule 1968 in einem Neubau endlich eine Heimat fand. „Aber auch in den Herzen der Bensberger“, sagt Gabriele Eick. Und die Lehrerin muss es wissen. Sie selbst hat als Schülerin die Anfänge der Schule miterlebt. Seit 1987 unterrichtet sie selbst an der JGR Deutsch und Französisch – in denselben Räumen, in denen sie früher die Schulbank gedrückt hat.In den ersten sechs Jahren waren die 65 Schüler der jungen Realschule provisorisch an verschiedenen Standorten untergebracht: in der katholischen Volksschule Bensberg, der Landwirtschaftsschule und der Volksschule in Moitzfeld. Die Lehrer klapperten die „Herbergen“ ihrer Schützlinge mit dem Fahrrad ab. „Es gab einen regelrechten Pendelverkehr“, wie in der Schulchronik nachzulesen ist. Not macht erfinderisch.Vorübergehendes Domizil war auch das einstige Pro-Gymnasium: „Mit enorm hohen Räumen, knarrenden Dielen und großen Fenstern, die von vorbeifahrenden Bussen zum Klappern gebracht wurden“, erinnert sich Lehrerin Scharfenberg in der Chronik. Doch auch hier wurde es schnell wieder zu eng. Denn die Schülerzahlen schnellten innerhalb von drei Jahren extrem in die Höhe: 1965 hatte die JGR bereits 500 Schüler, verteilt auf elf Klassen. Der Schulbetrieb musste erneut auf Wanderschaft gehen. Diesmal hielt sogar ein Saal in der Gastwirtschaft Daubenbüschel, heute Irish Pub, als Klassenzimmer her. Der Weg der „Schnapsklassen“ führte jeden Morgen an der Theke vorbei. Wie anno dazumal wurde eine Standtafel aufgestellt, ein Eimer mit Wasser daneben platziert, vor allem aber erst einmal kräftig gelüftet, damit der Biergeruch entweichen konnte. Selbst das im Dezember 1968 eingeweihte neue Schulgebäude an der Kaule war innerhalb eines Jahres mit 23 Klassen überbelegt: Die rund 1000 Schüler waren wieder auf Achse – wenn auch diesmal nur innerhalb des Hauses, von einem Raum zum anderen, in einer Art Schichtunterricht.Die Lösung: Teilung der Schule. Die Otto-Hahn-Realschule wurde gegründet und zog 1973 ins neue Schulzentrum Saaler Mühle. „Die Johannes-Gutenberg-Realschule hatte nach fast zwölf Jahren die Zeit der Provisorien überstanden“, heißt es in der Schulchronik. Nicht ganz. In den Jahren 2001 bis 2005 wurde der Schulbetrieb erneut auf den Kopf gestellt: Wegen PCB-Belastung musste die Schule kernsaniert werden. „Das Abschleifen der Wände machte einen Höllenlärm“, sagt Gabriele Eick. Durch das Schultor, das so viele Erinnerungen weckt, geht die 57-Jährige immer noch gern. „Weil ich weiß, dass ich etwas bewegen kann.“Obwohl heute vieles anders ist als früher: Damals freuten sich die Schüler, wenn hitzefrei war. Heute beschweren sich die Eltern, dass die Kinder früher nach Hause kommen. Früher wurden zur Abschiedsfeier Papierdecken auf die Schülertische gelegt und der Schulleiter hielt eine elendig lange Rede. Heute fahren die Schüler in Abendgarderobe und Stretchlimousine vor. Und: „Heute hängt an der Schule das ganze Leben, sie ist ständig Thema in der Familie“, so Schulleiterin Annette Fünfsinn. Deshalb sei es so wichtig, die Stärken der Schüler zu fördern. Zurzeit werden an der Schule 480 Mädchen und Jungen unterrichtet. Sie fit zu machen für das persönliche und berufliche Leben, damit sie Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen können, sieht Fünfsinn als Hauptaufgabe ihres Kollegiums. „Wir haben den ganzen Menschen im Blick“, sagt Petra Sobotta, Vize- Schulleiterin. Anders als in Gesamtschulen sei die Schülerzahl überschaubar. Die Lehrer riefen jeden Schüler beim Namen. Der persönliche Kontakt sei wichtig: „Wir handeln hier nicht mit Waschmaschinen, sondern mit kleinen Seelen.“ Die JGR habe sich als Alternative zum Gymnasium bewährt. In Hinblick auf die Debatte um die Einführung von Sekundarschulen stellt Fünfsinn fest: „Es wäre schade, wenn diese gewachsene, gut funktionierende Schule aufgelöst würde.“