KlimaschutzSuper-Bio-Markt setzt sich mit App gegen Lebensmittelverschwendung ein
- Ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum oder die Ästhetik mancher Produkte führt im konventionellen Handel zu deren Ausschluss.
- Von den 18 Millionen Tonnen an Essen, die hierzulande jährlich weggeschmissen werden, seien 10 Tonnen vermeidbare Abfälle.
- Der Super-Bio-Markt in Bergisch Gladbach ist nur einer von zahlreichen Dienstleistern, die die App nutzen.
Bergisch Gladbach – „Das kommt mir in die Tüte“ – So oder so ähnlich könnte das Motto des Super-Bio-Marktes in der Rhein-Berg-Galerie lauten, denn fast täglich verteilt Marktleiterin Sophia Grothus sogenannte „Wundertüten“ über die App „Too Good To Go“ und vermeidet so unsinnige Lebensmittelverschwendung. Doch wie kommt es dazu, dass sich die Gladbacher über kostengünstiges und gutes Essen aus der direkten Nachbarschaft freuen können und damit auch noch einen aktiven Teil zum Klimaschutz beitragen?
Der Super-Bio-Markt in Bergisch Gladbach ist nur einer von zahlreichen Supermärkten, Hotels, Restaurants und Bäckereien, die über die App Produkte zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Verkaufspreis anbieten und dadurch ihren ökologischen Fußabdruck verringern. Denn die Produkte wären im regulären Handel nicht mehr zu verkaufen.
Zum Hintergrund: Laut der Initiative „Too Good To Go“ wandern allein in Deutschland jedes Jahr 235 Euro pro Person durch das Entsorgen von Lebensmitteln in den Müll. Von den 18 Millionen Tonnen an Essen, die hierzulande jährlich weggeschmissen werden, seien 10 Tonnen vermeidbare Abfälle – also mehr als die Hälfte. Europaweit fallen über 50 Prozent der Lebensmittelabfälle in Privathaushalten an.
Auszeichnungen für ihr Engagement
„Too Good To Go“ setzt sich gegen Lebensmittelverschwendung ein. 2019 erhielt sie für ihr Engagement den „Zu-gut-für-die-Tonne“-Bundespreis des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum oder schlicht die Ästhetik mancher Produkte führt im konventionellen Handel zu deren Ausschluss aus dem Verkaufssortiment, berichtet Sophia Grothus vom Super-Bio-Markt. Dass dies häufig nichts über die Qualität der Artikel aussagt, scheinen auch die Gladbacher zu wissen, denn das Angebot des Biomarkts erfährt im Bergischen eine hohe Resonanz. Täglich stellt der Markt eine, am Wochenende sogar zwei Tüten, mit frisch aussortierten Lebensmitteln zur Verfügung.
Die Kunden kaufen und bezahlen diese Tüten oder Kisten online über die kostenlose App und bekommen sie zu den angegebenen Abholzeiten vor Ort, nach Vorweisen des Kaufbelegs, ausgehändigt. Der Markt garantiert für die Genießbarkeit der gewissenhaft ausgewählten Produkte. Dadurch, dass die Organisation über die App läuft, werde das Angebot primär von jungen Familien mit Kindern sowie von Studenten und Azubis genutzt, die sonst eher nicht zur Stammkundschaft des Marktes gehören, erzählt die Marktleiterin.
Sophia Grothus kann die Anzahl der Tüten und deren Abholzeit selbstständig bestimmen sowie Angebote stornieren, „wenn es mal keine, im regulären Ladenbetrieb unverkäuflichen, Lebensmittel gibt“, erzählt sie. „Aber das ist ja auch was Positives“, betont sie, denn keine Kisten bedeuten keine Lebensmittelverschwendung.
Die App „Too-Good-to-go“
Die Idee zu der kostenlosen App kommt aus Dänemark. Dort wurde auch die erste „Too Good To Go“-Abholstelle eröffnet. Seitdem konnten durch „Too Good To Go“ immerhin 30 419 246 Mahlzeiten gerettet werden. Dabei wurden laut Initiative etwa 76 048 Tonnen CO2 gespart.
18 693 Restaurants, 8901 Bäckereien, 8694 Supermärkte und 1191 Hotels bekämpfen schon heute mit Unterstützung der App die Lebensmittel- und Geldverschwendung.
Erhältlich ist „Too Good To Go“ sowohl im App-Store, als auch bei Google-Play und kann dort kostenfrei heruntergeladen werden.
Die unkomplizierte Nutzung der App kommt Kunden, Betrieben und vor allem der Umwelt gleichermaßen zugute.
Inzwischen hat „Too Good To Go“ die sogenannte B Corp Zertifizierung erhalten und will damit den nächsten Schritt wagen: Das Unternehmen plant im zweiten Halbjahr 2020 den Markteintritt in die USA. (lal)
Finanziell ist der Verkauf der Lebensmittel mit überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum für den Markt nicht rentabel. Dies könne der Größe des Betriebes geschuldet sein, bei kleineren Betrieben, wie zum Beispiel Tankstellen, könne das schon wieder ganz anders aussehen, meint Grothus. Für die Super-Bio-Markt-AG, die auch Initiativen wie Foodsharing unterstützt, ist die Teilnahme bei „Too Good To Go“ eine gute Möglichkeit, Nachhaltigkeit zu fördern und unsinnige Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Denn laut der Initiative können durch jede gerettete Mahlzeit 2,5 Tonnen Co2 eingespart werden.
Dies schafft Sophia Grothus in der Bergisch Gladbacher Filiale auch dadurch, dass sie Lebensmittel, die trotz Foodsharing und „Too Good To Go“ am Ende des Tages übrig bleiben, unter ihren Mitarbeitern verteilt: „Weggeschmissen wird hier nichts“, erklärt die 27-Jährige. Und sogar auf Wünsche der Abholer versucht sie einzugehen. Wo möglich, werden bei vegetarischer oder veganer Kundschaft Lebensmittel ausgetauscht. Dies gehe natürlich nicht immer. Trotzdem versuche man, die Kisten abwechslungsreich zu befüllen, „damit der Kunde damit auch was anfangen kann“, so Grothus.
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Die Marktleiterin, die sich selbst ausschließlich von Bio-Produkten ernährt, und auch beim Kauf von Kosmetik oder bei der Buchung von sogenannten Bio-Hotels auf den Zusatz achtet, beschreibt die Philosophie des Marktes: „Jeder Mensch ist bei uns gleich und steht im Mittelpunkt“.