Kunst im BergwerkSo sieht es im Kulturzentrum auf dem Gelände der Grube Weiß aus
Bergisch Gladbach – Eine Vision ist Wirklichkeit geworden: Die raue Erzgruben-Brache in Moitzfeld ist zu einem Kulturzentrum geworden. Mitten in der Pandemie hat ein Bergisch Gladbacher Investor Mut bewiesen und die verfallenen Gebäude des früheren Bergwerks der Grube Weiß in ein Atelierhaus und Begegnungsort für kulturelle Veranstaltungen verwandelt – eng eingebunden in die Nachbarschaft, aber auch mit überregionaler Strahlkraft.
Oliver Vogt, Bauunternehmer und Eigentümer der Industriebrache, hat sich längst einen Namen gemacht mit der Restaurierung von verloren geglaubten historischen Gebäuden wie der Roten Schule in Heidkamp oder drei Fabrikgebäuden des ehemaligen Stahlwalzwerks der Firma Gebrüder Reusch in Rösrath-Hoffnungsthal. Aber das Projekt auf der Grube Weiß in seinem Heimatort Moitzfeld übertrifft deren Dimensionen deutlich, auch was die Investitionskosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro anbelangt. In nur zwei Jahren hat Vogt aus der Bergwerksbrache einen Begegnungsort gemacht für kulturelle Anlässe und private Feiern.
Zerstörungsgrad war „unvergleichbar“
Das zur Ruine verkommene Verwaltungsgebäude ist jetzt ein Atelierhaus. Die ersten der 20 Künstler sind schon eingezogen.
Das Herzstück aber ist das Magazin. Vogt kann sich noch genau daran erinnern, was er dachte, als er das erste Mal in der ehemalige Lagerhalle des Bergwerks für Werkzeug und Sprengstoff stand: „Es ist eine Schande, einen Ort wie diesen so verkommen zu lassen.“
Grube Weiß in Moitzfeld
Die Geschichte
Die Grube Weiß war die zweitwichtigste Erzgrube im Bensberger Erzrevier. Sie ging 1852 in Betrieb. Aus den Schächten wurden Zink- und Bleierz gefördert. 1930 wurde der Untertagebau eingestellt. Die endgültige Schließung des Betriebs erfolgte 1957. Die Stadt Bergisch Gladbach erwarb das Grubengelände 1993 von der Firma Siemens. Die Fläche beträgt insgesamt 100 000 Quadratmeter. Kerngebiet ist das Naturschutzgebiet Grube Weiß, dafür gedacht, Ausgleichsflächen zu bieten für die Entwicklung von Baugebieten. 2019 kaufte Bauunternehmer Oliver Vogt 12 000 Quadratmeter der außerhalb des Naturschutzgebiets liegenden Gewerbeflächen. Von den Grubenbauten ist außer Verwaltungsgebäude und Magazin noch ein Trafohaus erhalten. (ub)
Fast kathedralenhaft mit Säulen und Rundbögen erschließt sich die Halle, dessen Blickfang eine Empore mit geschwungener Stahltreppe ist. „Da ist bei mir ein Motor angesprungen, den ich nicht stoppen kann“, erzählt Vogt. Der Zerstörungsgrad sei „unvergleichbar“ gewesen. Aber vielleicht ist es gerade das, was ihn gereizt hat. Denn seine Familie ist, so wie viele im früheren Bergmannsdorf Moitzfeld, mit diesen Ort eng emotional verbunden.
Bei einer Vorab-Feier im Mai seien die meisten jedenfalls aus dem Schwärmen nicht mehr rausgekommen. „Manchen standen die Tränen in den Augen“, berichtet Vogt.
Bergmannshelme erinnern an Arbeit unter Tage
Im Innenraum sind überall Überreste zu finden, die viel über die Bergwerkskultur und Industriegeschichte der Region erzählen. Die Wände aus rohem unverkleidetem Beton mit abgeplatzten Stellen, so dass die roten Ziegelsteine zu sehen sind. Über der Theke aus alten Eisenbahn-Brückenteilen dienen zwölf historische türkisfarbene Siphon-Flaschen spektakulär als Beleuchtung.
Ein indirekt blau beleuchteter Ventilator – er sorgte früher in der Roten Schule für Belüftung – integriert in die rostigen Platte eines Öltanks vervollständigt an dieser Stelle die Illumination. Ein alter blassgelber Spint-Schrank steht neben einem alten Ofenrohr, das aus der Wand ragt. Alte Bergmannshelme erinnern an die harte Arbeit unter Tage.
Arbeitskreis der Künstler „beinahe in Tränen ausgebrochen“
Die funktionale, unauffällig angebrachte hochmoderne Technik verstärkt das Understatement der 350 Quadratmeter großen Halle sogar noch: acht elektrische Dachfenster, vier Kilometer lange Leitungen einer Fußbodenheizung, eine Lichttechnik bestehend aus einzelnen Strahlern, die alle Farbnuancen hergeben. Blau, Rot, Grün, Pink, vor allem aber sanft-gelbe und weiße Töne, wie sie für Kunstausstellungen gebraucht werden.
„Hier kann man also auch im Winter etwas machen“, betont Vogt. Bei allen Entscheidungen hat der 53-Jährige seine Frau Claudia an seiner Seite: „Sie ist meine Muse vor allem bei der Auswahl der Möbel und Farben“, sagt er.
Die erste große Premiere hat das Magazin bei den Offenen Ateliers vom 8. bis 11. September. Die Drähte als Aufhängung für die Kunstwerke sind schon angebracht. „Als Vermieter und Mensch ist Oliver Vogt ein Glücksfall“, sagt Gisela Schwarz, Vorsitzende des Vereins Arbeitskreis der Künstler Bergisch Gladbach (AdK): „Wir sind beinahe in Tränen ausgebrochen vor Glück, als wir von seinem Projekt erfahren haben.“ Der Adk hat sein Büro unten im Foyer, wo es auch einen Gemeinschaftsraum gibt, der sich ebenfalls für Vernissagen eignet.
Name für das Kulturzentrum steht noch nicht fest
Die insgesamt 20 Ateliers sind verteilt auf die beiden oberen Etagen. Vertreten sind verschiedene Disziplinen wie Fotografie, Malerei, Bildhauerei oder Textilkunst. Die Künstler stammen nicht nur aus Bergisch Gladbach, sondern auch aus Rösrath oder Köln.
In der Miete inbegriffen ist die Nutzung der Halle zwei Mal im Jahr. Vor Anfragen konnte sich Vogt kaum retten. Denn Kreativorte sind rar. „Innerhalb von einer Woche waren alle Werkräume vergeben“, erzählt er. Eine Bestätigung dafür, dass er mit seinem Konzept richtig liegt.
„Jeder Raum hat seinen eigenen Charme“, schwärmt Lydia Czeranski, die sich einen Raum mit Gisela Eich-Brands teilt. „Wir geben uns gegenseitig Tipps“, schätzen auch Sigrid Fischer und Rosemarie Bruchhausen den Austausch untereinander. „Wir sind gespannt, welche Projektideen hier entstehen“, sagt Gisela Schwarz. Die Räume, jeder mit einem Blick ins Grüne, wirkten jedenfalls sehr inspirierend.
Der Name für das neue Kunstzentrum steht noch nicht fest: Vogt überlegt noch: „Kulturzentrum Grubenglück“ oder schlicht „Kulturzentrum Grube Weiß.“